Plötzlich ist alles vergeben und vergessen. Der verlorene Sohn LeBron James kehrt in seine Heimat zurück.
Nach vier Jahren im selbsterschaffenen Sonnenexil von Miami mit jeder Menge echter Trophäen und falscher Schönwetterfans bringt der “King” seine Talente also tatsächlich wieder nach Cleveland.
Eine Stadt, die seit 1964 so verzweifelt nach einer Sportmeisterschaft giert, dass sie ihrem Idol sogar den Hochverrat und das berüchtigte “Decision”-Fiasko verzeihen.
Schon am Tag vor der Bekanntgabe belagerten sie in Scharen James’ palastartiges Domizil in Akron, nun hat ihr strahlender Ritter die dunkle Seite wieder verlassen.
Eine Entscheidung des Herzens, wie uns der dominanteste Basketballer der Welt glauben machen will, ist es aber mitnichten.
Vielmehr ist der Schritt zurück in die Zukunft eine kalkulierte Business-Entscheidung. Sowohl die glücklich gewonnenen Finals 2013 als auch die verlorenen 2014 gegen die San Antonio Spurs haben ihm gezeigt, dass die kurze Ära der “Miami Thrice” ihr Verfallsdatum erreicht hatte.
Superfreund Dwyane Wade ist aufgrund von Knieproblemen nur noch ein Schatten früherer Tage, Chris Bosh – bei aller Klasse – konnte ohnehin ein Team noch nie tragen, von den limitierten Rollenspielern um Mario Chalmers ganz zu schweigen.
Dazu kamen die großen Zwänge des Tarifvertrages: notwendige Verstärkungen wären nur durch massive Gehaltsverzichte möglich gewesen. Das seelenlose Gebilde des Pat Riley kracht ohne James zusammen wie ein Kartenhaus.
Dagegen bieten die Cavaliers ein bestelltes Feld, dem nur ein Leader fehlt. Der junge All-Star Spielmacher Kyrie Irving plus Top-Draftpick Andrew Wiggins, talentierte Big Man wie Tristan Thompson – mit James ist dieses Team über Jahre ein Titelkandidat.
Zudem kann James hollywoodreif seinen Abgang tilgen und sich mit einer Meisterschaft daheim unsterblich machen und wird in L.A. oder Chicago nicht als Wandervogel attackiert.
Denn die beiden Titel mit Miami waren von vornherein erwartet worden. Wer erinnert sich nicht an die vollmundige Ankündigung “nicht drei, nicht vier, nicht fünf?”.
Selbst an die Marketingabteilung haben “The Chosen One” und sein geschäftstüchtiger Berater Rich Paul gedacht. Weil die meisten Trikots mit seiner 23 im Wutrausch 2010 den Flammen zum Opfer fielen, wird er nun mit der 6 auflaufen und sämtliche Verkaufsrekorde brechen.
Bereits am Mittwoch nahmen die Cavs allein durch die Spekulationen an einem Tag eine Million Dollar aus Ticketverkäufen ein.
Sogar Eigentümer Dan Gilbert kroch für seinen Schmähbrief beim vierstündigen Meeting in der vergangenen Woche zu Kreuze. Auch James muss sich den Vorwurf des Heuchlers gefallen lassen, weil er trotz Attacken unter der Gürtellinie zu Gilbert zurückgeht – eben alles vergeben und vergessen.
Auch die NBA dürfte über die Verlagerung der Machtverhältnisse begeistert sein. Der Zwei-Team-Osten ist Geschichte, denn jetzt werden die nächsten Dominos fallen. Mehr Ausgeglichenheit winkt.
In seinem Essay – man bemerke den Unterschied zum gigantischen TV-Special 2010 – schreibt LeBron als letzte Sätze: “Ich akzeptiere die Herausforderung. Ich komme nach Hause”.
Es ist die Rückkehr des Königs.