Souveräner Start-Ziel-Sieg, dritter Erfolg in Serie, 60 Punkte Vorsprung in der Fahrerwertung.
Sebastian Vettel hatte nach seinem Sieg in Singapur im vergangenen Jahr allen Grund zur Freude.
In seiner Euphorie ließ sich der Heppenheimer sogar zu einem Spruch hinreißen, der im Nachhinein viel Kopfschütteln bei der Konkurrenz auslöste.
„Wenn die anderen nach Hause gehen und sich die Eier in den Pool hängen, sind wir noch da, arbeiten am Auto und versuchen, noch mehr herauszuquetschen“, sagte Vettel damals.
Vettel watscht Team ab
Angesichts der Überlegenheit der Silberpfeile in dieser Saison drängt sich die Frage auf, ob das Red-Bull-Team und auch Vettel in jüngster Vergangenheit selbst zu viel Zeit am Pool verbracht haben.
Vettel zumindest, hat das Vertrauen in die Fähigkeiten seines Teams, das entscheidend an seinen vier WM-Titeln beteiligt war, offenbar verloren und wünscht sich eine Nachhilfestunde in den Produktionshallen des Mercedes-Teams.
„Ich würde meine Motorentechniker gerne einmal durch die Mercedes-Fabrik führen und das Geheimnis lüften, wie man aus dem Motor mehr Leistung rausholt“, sagte der 27 Jahre alte Red-Bull-Pilot der „Bild“-Zeitung vor dem Abschied in die Sommerpause.
Wiederholte Kritik an Red Bull
Es ist nicht das erste Mal in dieser Saison, dass der Weltmeister sein Team öffentlich an den Pranger stellt.
„Ich habe gehofft, dass aus der Box was Schlaues kommt, was das Problem löst, es kam aber nichts. Es ist jede Woche was anderes am Auto. Bis jetzt habe ich wahrscheinlich den Großteil der Entwicklung vorangetrieben, was das Ausmerzen der Fehler angeht“, schimpfte Vettel nach seinem Ausfall in Monaco.
Wenig später legte er in Montreal nach: „Ich bin sehr angefressen, weil die Strategie mich über das Knie gelegt hat. Ich habe mein Rennen verloren und den Sieg hergeschenkt, weil uns nichts Cleveres eingefallen ist. Da hätten wir besser reagieren können.“
Vettel legt Wert auf Teamarbeit
Dabei war es gerade Vettel der in der Vergangenheit immer wieder betonte, wie wichtig das Umfeld und die Teamarbeit für seinen Erfolg sind.
Das galt insbesondere für seinen Renningenieur Guillaume „Rocky“ Rocquelin, der ihn seit seinem Wechsel zu den Bullen begleitet hat.
„Er ist derjenige, der zu mir spricht, kein anderer. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass man mit den Leuten, die man um sich herum hat sehr vertraut ist“. Wir vertrauen uns blind, wir sprechen die gleiche Sprache“, sagte Vettel 2011 nach seinem zweiten Titel.
Rocquelin: Vettel aufgeschlossen
Und auch Rocquelin, der früher mit David Coulthard zusammengearbeitet hatte, lobte den Deutschen stets in höchsten Tönen.
„Es ist sehr leicht, mit ihm gut auszukommen. Er ist ein sehr umgänglicher Typ, einfach ein netter Kerl. „Er ist sehr aufgeschlossen, was es einfacher macht, neue Theorien und Ideen mit ihm auszuprobieren. Da ist er nicht festgefahren“, so der Franzose weiter.
Beziehung bekommt Risse
Doch selbst in der Beziehung des einstigen Traumduos gibt es mittlerweile Risse – auch weil Vettel die angesprochene Flexibilität abhanden gekommen zu sein scheint.
Gerade die Anpassung seines Fahrstils an die neuen Gegebenheiten in dieser Saison machen ihm zu schaffen.
Dazu kommt, dass Rocquelin zuletzt immer häufiger entscheidende Fehler passieren.
Red Bull patzt bei der Strategie
In Montreal kostete ein Strategiefehler Vettel den möglichen Sieg, in Silverstone setzten „Rocky“ und sein Team nach Vettels verpatztem Start auf eine Zweistopp-Strategie. Ebenfalls ein Fehler, wie sich im Nachhinein herausstellte.
Nun folgte am Wochenende in Ungarn laut Vettels Aussage der nächste Patzer. Offenbar hatten ihm Rocquelin und Co. beim Neustart eine falsche Motoreneinstellung übermittelt.
„Das haben wir klasse hinbekommen. Das war grandios“, spottete der 27-Jährige nach dem Rennen.
Horner sicher: Vettel bleibt
Trotz aller Misserfolge und den anhaltenden Gerüchten um einen möglichen Wechsels des viermaligen Weltmeisters in Richtung Mercedes, ist zumindest Christian Horner weiterhin davon überzeugt, dass der Heppenheimer auch über sein Vertragsende 2015 hinaus für sein Team an den Start gehen wird.
„Seb fühlt sich wohl bei uns und traut uns“, sagte Red-Bull-Teamchef: „Es geht da auch nicht um ein geschriebenes Stück Papier. Es geht darum, wie man sich in seiner Umgebung fühlt. Und ich glaube nicht, dass Seb im Moment irgendwo anders fahren will.“
Ende der Traum-Ehe?
Nach der nächsten Spitze Vettels in Richtung der Red-Bull-Mitarbeiter drängt sich allerdings die Frage auf, ob die einst so harmonische Beziehung überhaupt noch zu retten ist.
Während Teamkollege und Strahlemann Daniel Ricciardo das Team jüngst als „das beste der Welt“ bezeichnet hatte und im Gegenzug Lob von oberster Stelle überhäuft wird, legt Vettel öffentlich immer wieder bewusst den Finger in die Wunde.
Noch hat Vettel durch seine Erfolge einen Unantastbar-Status im Team, doch auf Dauer dürfte sich die wiederkehrende Schelte auf die Motivation von „Rocky“ Rocquelin und seine Kollegen negativ auswirken.