Bei Mercedes bahnt sich nach den Vorfällen beim Großen Preis von Ungarn möglicherweise ein überraschender Strategiewechsel an
Nicht mehr das Team, sondern die Fahrer sollen nun höchste Priorität genießen. Das deutete zumindest Motorsportchef Toto Wolff bei „Motorsport-Total.com“ an.
„Am Anfang war es einfach zu sagen: ‚Das sind die Regeln, und so machen wir es.‘ Aber jetzt steht fest, dass diese zwei um die WM kämpfen. Das ist viel intensiver“, sagte der Österreicher zur Konkurrenzsituation zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton.
Riesiger Vorsprung
Bei mittlerweile 174 Punkten Vorsprung auf Red Bull in der Konstrukteurs-WM gehen offensichtlich auch die Mercedes-Verantwortlichen davon aus, dass ihnen dieser Titel nicht mehr zu nehmen sein wird.
Umso mehr machen sich bei ihnen Zweifel breit, ob sie die Strategie von Budapest auch bei den Rennen nach der Sommerpause noch einmal anwenden sollen.
„Wir könnten zu dem Punkt gelangen, an dem wir einsehen müssen, dass es so nicht mehr funktioniert. Wir können von einem Fahrer nicht mehr verlangen, seine Position für das Team aufzugeben“, sagte Wolff.
Nachträgliche Entschuldigung
Das klingt wie eine nachträgliche Entschuldigung an Hamilton, der am Sonntag auf dem Hungaroring per Funk noch die Anweisung erhielt, seinen Teamkollegen vorbeizulassen.
Dabei war der noch nicht einmal auf eine Sekunde an ihn herangefahren, um die Überholhilfe DRS nutzen zu können.
„Ich habe einfach nicht begriffen, warum ich ihn vorbeilassen sollte. Wir hatten einen Zweikampf, und es geht hier um die Weltmeisterschaft“, verteidigte sich Hamilton, der auf dem Hungaroring letztlich auf Rang drei und damit direkt vor Rosberg ins Ziel kam.
Sein deutscher Stallgefährte sieht das anders. „Mein Teamkollege hat mich nicht vorbeigelassen, das müssen wir jetzt intern noch mal diskutieren“, sagte der Deutsche in seinem Video-Blog nach dem Ungarn-GP.
Ob sich Hamilton bei dieser teaminternen Aussprache entschuldigen wird, darf bezweifelt werden.
So stärkten sich die beiden Mercedes-Piloten in Ungarn
Lauda zeigt Verständnis
Niki Lauda hätte wohl ebenso gehandelt wie der 29-Jährige, wenn er noch hinter dem Steuer sitzen würde.
Zumindest war auch aus den Worten des Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzenden ein gewisses Verständnis für den Briten herauszuhören, der in Ungarn den Rückstand auf WM-Spitzeneiter Rosberg auf elf Punkte verkürzte.
„Die Ansage war im Nachhinein überflüssig“, wurde der Österreicher von „Motorsport-Total.com“ zitiert.
Man sei in dieser Situation eben ein wenig panisch geworden, „weil wir Boden verloren haben“, so Lauda. Schon zu diesem Zeitpunkt lagen die Mercedes-Piloten hinter dem späteren Sieger Daniel Ricciardo im Red Bull und Ferrari-Star Fernando Alonso zurück.
Ungewöhnliche Bedingungen
Die ungewöhnliche Reihenfolge war größtenteils den ebenso ungewöhnlichen äußeren Umständen geschuldet.
Hamilton musste nach seinem großen Pech im Qualifying, als ihn eine defekte Bremsleitung stoppte, eine Aufholjagd aus der Boxengasse starten. Und Rosberg wurde die erste Safety-Car-Phase zum Verhängnis, als er seine souveräne Führung verlor.
Bei normalen Bedingungen sind die Silberpfeile jedoch nach wie vor der Konkurrenz um Längen voraus.
Duelle wie in Bahrain?
Insofern könnte der Verzicht auf eine Stallorder auch den Weg bereiten für so intensive Duelle, wie es sie seit dem rundenlangen Zweikampf in Bahrain zu Beginn der Saison nicht mehr gegeben hat.
Voraussetzung dafür wäre allerdings auch, dass man beide Piloten auf eine identische Strategie setzt und sie gleichzeitig zu den Boxenstopps rufen würde.
Das wäre zumindest so lange mit der Team-Philosophie vereinbar, wie die Silberpfeile den großen Vorsprung auf die Konkurrenten halten könnten.
Und für beide Piloten hätte es den Vorteil, ihre Argumente auf der Strecke und nicht bei Team-Meetings auszutauschen.