Zunächst eine erfolgreiche EM-Qualifikation, dann ein gutes Abschneiden bei der Weltmeisterschaft in Katar und die Aufgabe, den deutschen Handball wieder in die Weltspitze zu führen – eine harte Liste, die Dagur Sigurdsson abzuarbeiten hat.

Der neue Bundestrainer macht dabei in seinem ersten Jahr auch noch zwei Jobs gleichzeitig, trainiert weiterhin die Füchse Berlin.

Dennoch trauen ihm die Verantwortlichen beim Deutschen Handball-Bund fast Übermenschliches zu.

„Er ist visionär, er ist deutschsprachig, er ist erfolgreich“, sagte Vize-Präsident Bob Hanning bei SPORT1. „Außerdem war er schon Nationaltrainer, er kennt die Situation. Er ist Vorbild für die Jungen – und er schafft es sowohl, die Älteren zu motivieren als auch die Jungen zu integrieren.“

Im SPORT1-Interview spricht Sigurdsson über die Doppelbelastung, das neue Gesicht des DHB-Teams, die Wahl seines Co-Trainers und erklärt, wie er den deutschen Handball wieder an die Spitze führen will.

SPORT1: Herr Sigurdsson, wann haben Sie für sich die Entscheidung getroffen, den Posten als Bundestrainer anzunehmen?

Dagur Sigurdsson: Seit Sommer haben wir Gespräche geführt, aber in den letzten zwei Wochen hat die Sache richtig Fahrt aufgenommen. Wir haben uns zusammengesetzt und eine Entscheidung getroffen. Ich wollte den Job immer machen. Ich glaube, es ist kein großer Störfaktor für die Familie. Das erste Jahr wird etwas hektisch für mich, aber insgesamt ist es eine tolle Aufgabe. Ich habe zu Hause die volle Unterstützung.

SPORT1: Was ist so reizvoll an dem Job?

Sigurdsson: Ich habe einen wunderbaren Job in Berlin bei den Füchsen. Wir haben dort eine tolle Mannschaft aufgebaut. Deswegen hat es auch einen gewissen Reiz, dort weiterzumachen. Aber bei der Herausforderung mit der deutschen Nationalmannschaft sehe ich viel Potenzial. Das hat einen anderen Rhythmus als der Bundesliga-Alltag. Es wäre toll, wenn ich etwas dazu beitragen könnte, dass der deutsche Handball wieder an die Spitze kommt.

SPORT1: War der Umbruch in der Nationalmannschaft ein zusätzlicher Faktor mit der Möglichkeit, eine neue Mannschaft aufzubauen?

Sigurdsson: Martin Heuberger hat die ersten Schritte bereits gemacht. Alle haben gesehen: Das war richtig tolle Arbeit. Es hat nicht ganz gereicht, aber das größte Problem ist nicht, dass man gegen Polen verloren hat, sondern man hat in den letzten vier, fünf Jahren nicht genug Spiele gewonnen. Wir müssen uns erst einmal daran gewöhnen, jedes Spiel zu gewinnen. An diesem Punkt fange ich sofort an: Ich versuche, den Kader und das System so zusammenzustellen, dass wir möglichst viele Spiele gewinnen.

SPORT1: Wie sehr wird sich das Gesicht der Mannschaft verändern und welche Rolle spielt dabei die aktuelle U-20-Nationalmannschaft?

Sigurdsson: Es wird wahrscheinlich eine Mischung aus aktuellen Spielern sein und auch ein paar neuen. Das müssen nicht nur junge Spieler sein – es gibt viele gute Spieler in der Bundesliga, die bis jetzt nicht in dieses Profil gepasst haben. Aber vielleicht passen sie in mein System. Deswegen werde ich mir zunächst ein genaues Bild machen, werde mir meine Vision und mein System überlegen. Dann suche ich mir die Spieler aus, die die nötigen Rollen übernehmen können. In erster Linie gilt es aber, die Führungsspieler zu finden. Und das sind sicherlich keine 20-Jährigen.

SPORT1: Kurzfristig stehen mit der EM-Qualifikation und der Weltmeisterschaft in Katar wichtige Aufgaben an. Was haben Sie sich persönlich dabei vorgenommen?

Sigurdsson: Im nächsten Lehrgang muss ich versuchen, Strukturen reinzubringen für die Art und Weise, wie ich spielen lassen möchte. Es kann zwei, drei oder vier Trainingslager dauern, den Kader zu formen. Das ist meine erste Aufgabe.

SPORT1: Weg vom Bundestrainer, hin zum Trainer der Füchse Berlin: Am Dienstag wartet der Supercup in Stuttgart gegen den THW Kiel – wie weit ist ihr Team?

Sigurdsson: Wir sind auf einem guten Weg, fit zu werden. Das war kein leichter Weg für uns. Wir hatten einige Verletzte, dazu waren unsere Junioren-Nationalspieler weg. Jetzt sind alle wieder da, mehr oder weniger gesund. Bis auf Bartlomiej Jaszka, aber für ihn haben wir Ersatz gefunden. Ich hoffe, dass wir diese paar Tage bis zum Supercup gut nutzen können und dass alle gesund bleiben. Dann können wir gegen Kiel unser Bestes geben. Wir wissen, dass wir große Teams ärgern können.