Hallo Handball-Fans,
die neue Saison steht vor der Tür (Sa., ab 19 Uhr LIVESCORES u. So., ab 17 Uhr LIVE im TV auf SPORT1)
Und natürlich wächst bei mir die Vorfreude stündlich!
Was den Kampf um die Meisterschaft angeht, muss ich die Stimmung aber leider etwas dämpfen. Ich befürchte nämlich, es wird keinen richtigen Kampf geben.
Der THW Kiel hat sich noch einmal unfassbar verstärkt mit Domagoj Duvnjak, Joan Canellas und Steffen Weinhold. Die Kieler haben zwei Rückraumreihen mit absolutem Weltklasseniveau, der Kader ist allen Mannschaften überlegen.
Die Gegner müssen sich schon etwas Besonderes einfallen lassen, um diesen THW zu schlagen.
Vielleicht erwartet uns ja sogar erneut eine Saison mit null Minuspunkten, das ist in meinen Augen das große Fragezeichen. Auch wenn die Kieler das natürlich herunterspielen?
Gerade Duvnjak ist ein vollkommener Spieler, er wird Kiel in entscheidenden Situationen neue Impulse geben. Allerdings sucht er noch seine Rolle – jetzt hat er andere Kaliber neben sich als in Kroatien oder beim HSV, wo deutlich mehr Last auf seinen Schultern lag.
Wirkliche Schwächen sucht man beim THW vergebens. Die Torhüter-Position als Baustelle zu betrachten, wäre übertrieben: Johan Sjöstrand in der Verfassung vom Supercup ist eine Bank.
Ich bin aber gespannt, wie Andreas Palicka die Situation meistert, dass Niklas Landin nächstes Jahr kommt und sein Vertrag wahrscheinlich nicht verlängert wird. Er muss sich jetzt beweisen.
Und die Außen darf man nicht auch überbewerten. Sie verwerten, böse gesagt, die Reste.
Dominik Klein ist nach Gudjon Valur Sigurdssons Abgang wieder die klare Nummer eins auf links vor dem jungen Rune Dahmke. Vielleicht nimmt „Mini“ die Situation noch einmal als Anreiz, sich für die Nationalmannschaft zu empfehlen.
Die Rhein-Neckar Löwen führen mit der SG Flensburg die Jäger an, sie wären ja letzte Saison fast Meister geworden. Das hätte für sie am Ende wirklich nicht schlimmer laufen können. Oben mitspielen werden sie unter dem neuen Trainer Nikolaj Jacobsen auf jeden Fall wieder.
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Zumal interessante Jungs dazugekommen sind mit Stefan Kneer und Mads Mensah Larsen.
Spannend auch: Wie wird Landin mit seiner Rolle umgehen? Geschäftsführer Thorsten Storm, der ja spätestens 2015 nach Kiel wechselt, kann man Landins Abgang nicht anlasten. Der THW ist schließlich seit Jahren am Dänen dran.
Überhaupt hinterlässt Storm durchaus ein bestelltes Feld. Die Löwen können solide arbeiten, zumal sie den Deal mit IMG in der Tasche haben.
Ich hätte mich gefreut, wenn Oli Roggisch sich die Geschäftsführer-Rolle schon zugetraut hätte – ich glaube, das hätte er gekonnt. Jetzt schnuppert er als Teammanager erst einmal rein.
Aber diese Baustelle müssen die Löwen möglichst schnell schließen. Man sollte Storm schon jetzt nach Kiel gehen lassen, mit einem Fuß ist er ja bereits da.
Es macht einfach keinen Sinn, ihn jetzt noch die Zukunft der Löwen planen zu lassen.
Bei Flensburg sind die Verluste von Weinhold und Michael Knudsen nicht zu unterschätzen, aber dennoch sehe ich sie wieder weit oben. Die Philosophie des schnellen Balles vom kreativen Trainer Ljubomir Vranjes wird sich auch auf die Neuen übertragen.
Die SG muss zu Hause eine Festung aufbauen. Ihre kompromisslose Abwehr mit einem guten Torhüter plus die Gegenstöße sind die halbe Miete für eine erfolgreiche Saison.
Die Füchse Berlin darf man natürlich nicht vergessen – allerdings sind sie verletzungsgebeutelt. Ohne Silvio Heinevetter wären sie im Supercup völlig chancenlos gewesen.
Der HSV Handball wird nicht um die Meisterschaft mitspielen, wahrscheinlich nicht einmal um die Champions-League-Plätze.
Das kann dieser überschaubare Kader nicht leisten. Die erste Sieben ist immer noch in Ordnung, aber es fehlt an der Breite.
Allerdings mussten sie sich aus ökonomischer Sicht natürlich so aufstellen.
Daneben gibt es ein paar Mannschaften, die Qualität haben und für die eine oder andere Überraschung sorgen können.
Einen großen Schritt traue ich dem SC Magdeburg zu. Vielleicht geht es sogar Richtung Platz drei.
Auch der TSV Hannover-Burgdorf hat Ambitionen nach oben, MT Melsungen und die HSG Wetzlar haben in der Vorbereitung gute Ergebnisse erzielt.
Frisch Auf Göppingen hat sich verstärkt: Ich freue mich besonders auf Kevynn Nyokas und bin gespannt, was er für eine Entwicklung nimmt. Genauso, was die Handschrift von Trainer Magnus Andersson betrifft.
Natürlich muss abwarten, wie das Urteil im Fall Mimi Kraus ausfällt. Ein einstelliger Tabellenplatz sollte aber auf jeden Fall drin sein.
Die Aufsteiger TSG Friesenheim, HC Erlangen und der SG BBM Bietigheim werden allesamt keine Chance haben und direkt wieder runtergehen, alles andere wäre eine Riesenüberraschung.
Und weil in der 19er-Liga ja vier Teams absteigen, wird es ein ganz spannendes Hauen und Stechen geben.
Der Kampf gegen den Abstieg ist quasi die neue Meisterschaft.
Bis zum nächsten Mal,
Euer Kretzsche
Stefan Kretzschmar, 41, ist seit 2009 als Experte und Co-Kommentator das Handball-Gesicht von SPORT1. Der neben Heiner Brand wohl bekannteste deutsche Handballer hat in 218 Länderspielen 817 Tore für den DHB erzielt, gewann unter anderem Olympia-Silber in Athen 2004. In der Bundesliga war der ehemalige Weltklasse-Linksaußen für den SC Dynamo Berlin, Blau-Weiß Spandau, den VfL Gummersbach und zuletzt den SC Magdeburg aktiv, mit dem er 2002 die Champions League gewann. Bei SPORT1.de analysiert „Kretzsche“ wöchentlich in seiner Kolumne das Handball-Geschehen.