Unerwartet hell ist es bei Jens Petter Hauge, als ihn SPORT1 zum exklusiven Interview trifft. Denn normalerweise überwiegt in der Stadt Bodö die Dunkelheit. Im Dezember liegen zwischen Sonnenauf- und -untergang gerade einmal zwei Stunden. Doch der 26-Jährige bereitet sich mit Bodö/Glimt in Marbella gezielt auf das Duell gegen den BVB (Mittwoch, 21 Uhr im LIVETICKER) vor.

Der Offensivspieler hat in seiner immer noch jungen Karriere schon viel erlebt, kehrte nach Stationen bei der AC Mailand und bei Eintracht Frankfurt im vergangenen Winter zurück nach Norwegen und trumpft aktuell auf wie noch nie zuvor. Mit Karriere-Ausklang hat die Rückkehr in seine Heimatstadt allerdings wenig zu tun – im Gegenteil.

Jens Petter Hauge spielt für Bodö/Glimt
Jens Petter Hauge spielt für Bodö/GlimtJens Petter Hauge spielt für Bodö/Glimt

Unter der spanischen Sonne erzählt Hauge ganz ungehemmt von der unfassbaren Entwicklung seines Heimatvereins. Er spricht auch über die fulminante Europa-League-Saison mit Eintracht Frankfurt und darüber, warum der Wechsel zu einem Topklub vielleicht zu früh kam.

Jens Petter Hauge: Entwicklung von BVB-Gegner Bodö/Glimt ist „großartig“

Außerdem berichtet der Offensivspieler von seinem ersten Treffen mit Zlatan Ibrahimovic, schwärmt von Erling Haaland, verrät, welcher BVB-Profi ihn in die Werbebande checken würde und wie Apfelstrudel ihm beim Deutschlernen half.

SPORT1: Herr Hauge, Sie haben zu Ihrer Frankfurt-Zeit fleißig Deutsch gelernt. Wie steht es nun damit?

Jens Petter Hauge: Es ist okay. Ich verstehe es gut, aber das Sprechen ist ausbaufähig. Mein Englisch ist deutlich besser.

SPORT1: Haben Sie ein deutsches Lieblingswort?

Hauge: Ganz klar „Apfelstrudel“ (lacht). Das war eines der ersten Wörter, die ich in der Schule gelernt habe. Mit „Apfelstrudel“ habe ich dann alle möglichen Sätze gebildet. Das hat mir beim Deutschlernen geholfen.

SPORT1: Die Saison ist bei Ihnen seit vorletztem Wochenende zu Ende. Glückwunsch zur Vizemeisterschaft! Kann man sich nach zwei Meisterschaften in Folge und vier in den letzten sechs Jahren überhaupt darüber freuen?

Hauge: Natürlich sind wir ein bisschen enttäuscht, dass wir nur Zweiter geworden sind. Aber wir haben so viele Punkte geholt wie noch nie, waren deutlich stabiler. Letztes Jahr sind wir am Ende eingebrochen, dieses Jahr nicht. Wir können stolz sein, auch wenn es ein bisschen ärgerlich ist, dass wir keine Trophäe gewonnen haben.

SPORT1: Sie sind in Bodö geboren, Bodö/Glimt ist Ihr Klub. Wie fühlt es sich an, wieder dort zu spielen – gerade bei dieser Entwicklung? Vor wenigen Jahren war es noch eine Fahrstuhlmannschaft, jetzt haben Sie den Topteams wie Molde FK oder Rosenborg Trondheim den Rang abgelaufen, spielen Champions League

Hauge: Es ist unglaublich. Als wir als Kinder hier gespielt haben, dachten wir immer, dass wir zu irgendeinem anderen Verein in Europa, in die Niederlande oder nach Belgien gehen müssen, um uns zu entwickeln. Dass das jetzt hier möglich ist, ist großartig.

SPORT1-Reporter Manfred Sedlbauer gibt Einblicke in die Vorbereitung vom BVB-Gegner in der Champions League, Bodo/Glimt.

SPORT1-Reporter Manfred Sedlbauer gibt Einblicke in die Vorbereitung vom BVB-Gegner in der Champions League, Bodo/Glimt.

Hauge: „Der erste Klub, in den ich mich verliebt habe“

SPORT1: Was bedeutet es für Sie persönlich, für Ihren Heimatklub zu spielen?

Hauge: Es ist der erste Klub, in den ich mich verliebt habe. Jetzt bin ich Teil davon und spiele gegen die besten Mannschaften der Welt. Die Stadt ist so klein. Keiner dachte, dass dieser Klub einmal das erreichen kann. Jetzt hat jeder hier gesehen, dass alles möglich ist. Das motiviert uns und lässt uns von noch Größerem träumen.

SPORT1: Insgesamt drei Spieler aus Ihrem Team sind ebenfalls in Bodö geboren und aufgewachsen: Kapitän Patrick Berg, Fredrik André Björkan und Sie. Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass hier nur rund 45.000 Menschen leben. Was ist das Geheimnis? Apfelstrudel?

SPORT1: (lacht) Nein, kein besonderes Essen. Harte Arbeit – und natürlich gehört auch immer etwas Glück dazu. Aber es ist schon verrückt. Drei Spieler von uns haben es bereits bis in die Nationalmannschaft geschafft. Wir sind in den Jahren 1999, 1998 und 1997 geboren. Das heißt, wir sind zusammen aufgewachsen, sind gemeinsam auf die Akademie gegangen. Wir sind gute Freunde und dass man so eine Entwicklung mit Freunden schafft, macht das Ganze einmalig.

Patrick Berg (l.) und Jens Petter Hauge sind gute Teamkollegen
Patrick Berg (l.) und Jens Petter Hauge sind gute TeamkollegenPatrick Berg (l.) und Jens Petter Hauge sind gute Teamkollegen

SPORT1: Wie lebt es sich als Profi in Bodö, besonders im dunklen Winter?

Hauge: Für mich ist das normal, ich bin dort aufgewachsen. Ich mache mir da keine großen Gedanken mehr. Für Leute, die hier hinziehen, ist es oft deprimierend. Die beschweren sich über das schlechte Wetter und die Dunkelheit, aber ich bin es gewohnt.

SPORT1: Haben Sie neben dem Fußball noch andere Hobbys?

Hauge: Im Sommer gehe ich viel angeln, oft mit Teamkollegen. Und ich spiele gerne Schach – nicht gut, aber okay. Ich bin nicht Magnus Carlsen (lacht).

SPORT1: Was gefällt Ihnen daran?

Hauge: Dass man vorausschauend denken und handeln muss. Du musst Züge vorhersehen, immer einen Schritt weiter sein als dein Gegner. Fast wie im Fußball.

SPORT1: Ihr habt bislang zwei Punkte in der Gruppenphase der Königsklasse geholt, gegen Sparta Prag und Tottenham Hotspur remis gespielt. Was erwarten Sie in den drei kommenden Spielen gegen Dortmund, Manchester City und Atlético Madrid?

Hauge: Das ist das allerhöchste Niveau. Für mich gehören alle drei zur Top 10 auf der Welt. Ich freue mich darauf. Natürlich brauchen wir einen perfekten Tag. Jeder muss an seine Top-Leistung kommen. Aber wir können konkurrenzfähig sein. Das haben wir schon bewiesen.

Hauge: Bodös X-Faktor – auch gegen den BVB?

SPORT1: Sie haben im laufenden Wettbewerb schon zweimal getroffen, in der Qualifikation sogar viermal. Dazu acht Tore und fünf Vorlagen in der abgelaufenen Liga-Saison. Sind Sie aktuell Ihre beste Version?

Hauge: Ja, würde ich sagen. Ich fühle mich gerade richtig gut und genieße es einfach, Fußball zu spielen, vor allem natürlich auch in der Champions League.

SPORT1: Ihr sportlicher Leiter Havard Sakariassen meinte, Sie hätten eine besondere Gabe, den X-Faktor. Stimmen Sie zu?

Hauge: (lacht) Er ist ein schlauer Kerl. Er weiß, wovon er spricht.

Besondere erste Begegnung mit Ibrahimovic

SPORT1: Sie sind im Alter von 20 Jahren aus Bodö zur AC Mailand gewechselt. Wichtigste Frage: Wie war Zlatan Ibrahimovic?

Hauge: Das war richtig cool. Es war eine komplett neue Welt: riesiger Klub, so viele Superstars. Zlatan ist für mich einer der Besten, der dieses Spiel jemals gespielt hat. Zu sehen, wie er sich verhält, auch vor und nach den Spielen und vor allem wie professionell er ist, hat mich beeindruckt. Ich habe gesehen, wie viel man für das allerhöchste Niveau geben muss. Auch in seinem damals fortgeschrittenen Alter war er eine absolute Maschine. Sein Körper war für alles bereit. Ich habe alles aufgesaugt und genossen. Dass wir die gleiche Sprache sprechen konnten, war natürlich cool. Wir haben uns gut verstanden.

Jens Petter Hauge (l.) spielte mit Zlatan Ibrahimovic bei der AC Mailand
Jens Petter Hauge (l.) spielte mit Zlatan Ibrahimovic bei der AC MailandJens Petter Hauge (l.) spielte mit Zlatan Ibrahimovic bei der AC Mailand

SPORT1: Wie war Ihre erste Begegnung mit Zlatan?

Hauge: Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Ich kam in die Kabine, er stand mit dem Rücken zu mir, ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Ich wusste nicht, ob ich ihn antippen oder warten soll, bis er sich umdreht. Am Ende habe ich ihn mit einem „Guten Morgen“ auf Schwedisch begrüßt.

In Frankfurt war es „sehr emotional“ für Hauge

SPORT1: Nach einem Jahr in Mailand sind Sie nach Frankfurt gewechselt. Im Verein schwärmen noch heute alle von Ihnen. Egal, ob Fans, ehemalige Mitspieler oder Mitarbeiter der SGE. Alle loben Sie als extrem guten Typen – auf und neben dem Platz. Es muss eine emotionale Station für Sie gewesen sein …

Hauge: Sehr emotional. Ich habe dort viele gute Leute kennengelernt, viele tolle Erinnerungen gesammelt und die Fans sind einmalig. Die Europa-League-Reise war unglaublich. Als ich mich im Vorfeld mit Markus Krösche und Oliver Glasner unterhalten habe, wusste ich sofort, dass ich das machen will. Ich bin dem Verein sehr dankbar. Auch wenn ich gerne mehr gespielt hätte, aber so ist der Fußball eben. Ich bereue nichts.

SPORT1: Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie an die magische Nacht in Sevilla denken, als ihr die Europa League gewonnen habt?

Hauge: Pure Freude. Die Gesichter der Fans, der Mitspieler und vor allem auch der Menschen, die schon so lange für den Klub arbeiten, zu sehen, war einfach unglaublich. Wir sind in einem Autokorso vom Flughafen in die Innenstadt gefahren. 200.000 Menschen und Fans haben uns zugejubelt. Das werde ich nie vergessen. Absolute Gänsehaut!

Jens Petter Hauge (r.) gewann mit Frankfurt 2022 die Europa League
Jens Petter Hauge (r.) gewann mit Frankfurt 2022 die Europa LeagueJens Petter Hauge (r.) gewann mit Frankfurt 2022 die Europa League

„Ich war einfach nur geschockt“

SPORT1: Was ist mit dem legendären 3:2-Viertelfinalsieg im Camp Nou gegen den FC Barcelona, als euch knapp 30.000 Fans nach Spanien begleitet haben?

Hauge: Wahnsinn. Ich war einfach nur geschockt. Wir haben über den Tag hinweg schon immer wieder gehört, dass viele Fans mitgereist waren – auch ohne Tickets. Als wir zum Aufwärmen auf den Platz sind, haben wir dann zum ersten Mal diese unfassbare Menge an Fans in Weiß gesehen. Die haben das Stadion erobert. Auch die Barcelona-Spieler konnten es nicht glauben, was hier gerade passiert. Teil davon gewesen sein und das mit meinen eigenen Augen gesehen zu haben, werde ich nie vergessen.

SPORT1: Sie waren in Mailand, zweimal bei Frankfurt, zwischenzeitlich in Gent. So richtig durchgestartet sind Sie gefühlt aber erst jetzt. Kam der Schritt zu einem anderen Klub vielleicht zu früh?

Hauge: Vielleicht. Kann sein, dass mir kleinere Schritte gutgetan hätten. Aber ich war gerade einmal 20 Jahre jung, die AC Mailand wollte mich. Wenn man die Chance dazu hat, wie könnte man da Nein sagen? Ich musste das einfach machen. Auch wenn es nicht so erfolgreich war, wie ich es mir gewünscht hätte, bereue ich nichts. Ich habe trotzdem viel gelernt. Auch in Deutschland, in immer vollen Stadien zu spielen, egal was ist, war Wahnsinn: Die deutschen Fans sind für mich die besten auf der Welt. Ich würde nichts an meinem Werdegang ändern wollen.

SPORT1: Heute sind Sie 26 Jahre alt, eigentlich im besten Fußballeralter. Ist Ihr Heimatklub Bodö/Glimt Ihre letzte Station als Fußballer oder wollen Sie es nochmal wissen? Die Premier League steht in Norwegen hoch im Kurs – wäre das nochmal ein Traum von Ihnen?

Hauge: Als ich klein war, war es immer mein Traum in der Premier League zu spielen. Das hat sich aber ein bisschen geändert. Heute wäre es mir egal, ob Bundesliga, LaLiga oder Serie A. Es muss nicht mehr die Premier League sein. Ich habe es bei meiner Rückkehr nach Bodö schon gesagt: Ich bin nicht hier, um meine Karriere zu beenden. Sondern ich will es allen nochmal zeigen, dass ich auf dem Top-Level mithalten kann. Und genau das tun wir jetzt mit dem Team. Aber wer weiß? Vielleicht bin ich nächstes Jahr bereit für ein neues Abenteuer.

Haaland? „Er war unerreichbar – und ist es noch heute“

SPORT1: Schauen wir mal auf Mittwoch: Sie müssten gute Erinnerungen an den Signal-Iduna-Park haben. Sie haben im August 2021 in Ihrem ersten Spiel für die SGE auch direkt Ihr erstes Tor erzielt. Erinnern Sie sich?

Hauge: Ja. Ich war gerade einmal eine Woche da. Am Tag, als ich nach Frankfurt gewechselt bin, sind sie gerade im Pokal ausgeschieden (0:2 gegen Waldhof Mannheim; Anm. d. Red.). Ich hatte gerade einmal zwei oder drei Trainingseinheiten auf dem Buckel, kam dann in der Halbzeit rein. Ich sollte es einfach nur genießen. Ich erinnere mich an eine unfassbare Atmosphäre im Stadion. Und dann habe ich auch noch ein Tor, zum Endstand, erzielt. Das war schön, richtig freuen konnte ich mich über die 2:5-Niederlage aber natürlich nicht. Ach ja: Und ich erinnere mich an Erling (lacht).

SPORT1: Haaland steuerte zwei Tore und drei Vorlagen bei …

Hauge: Er war so gut in diesem Spiel. Er war unerreichbar – und ist es noch heute.

SPORT1: Am Mittwoch kommt es gegen den BVB auch zum Wiedersehen mit einem anderen Landsmann von Ihnen: Mit Julian Ryerson. Er könnte sogar Ihr direkter Gegenspieler sein. Worauf stellen Sie sich ein?

Hauge: Ein super Typ, sehr witzig und eigen. Er ist nicht wie jeder andere Spieler. Wenn er auf dem Platz steht, gibt er immer 100 Prozent. Er haut immer alles rein. Das lieben die Fans an ihm. Er kann auch einiges am Ball. Wir kennen und schätzen uns sehr, das wird ihm am Mittwoch aber egal sein. Wenn er die Chance hat, mich in die Werbebande fliegen zu lassen, wird er das tun. Es wird ein großartiger Kampf.

Hauge träumt von der WM gegen Messi

SPORT1: Haaland und auch Ryerson kennen Sie von der Nationalmannschaft. Viele sprechen gerade von einer goldenen Generation, die es so vermutlich noch nie zuvor in Ihrem Land gab …

Hauge: Es ist eine sehr spezielle Mannschaft. Wir haben die Qualifikation für die WM dominiert. Darauf können wir aufbauen. Wir haben noch ein halbes Jahr bis zur WM. Wenn wir alle fit sind und unser volles Potenzial ausschöpfen, können wir für eine Überraschung sorgen.

SPORT1: Ende März waren Sie das letzte Mal für die Nationalmannschaft nominiert. Wie sehen Sie Ihre persönlichen Chancen auf die WM im kommenden Jahr und was würde Ihnen das bedeuten?

Hauge: Es würde mir unglaublich viel bedeuten. Ich wurde zuletzt nicht nominiert, aber der Traum ist erreichbar. Ich werde in den nächsten Monaten alles geben und hoffen, dass es klappt.

SPORT1: Frankreich und der Senegal wurden euch schon zugelost. Gibt es weitere Wunschgegner?

Hauge: Argentinien wäre unglaublich.

SPORT1: Wieso?

Hauge: Sie sind amtierender Weltmeister und natürlich wegen Lionel Messi. Wenn du die Chance hast, noch einmal gegen Messi zu spielen, musst du sie ergreifen. So jemanden wie ihn gibt es nur einmal.

Manfred "Manni" Sedlbauer, Jahrgang 1994, geboren und aufgewachsen in Dachau bei München. Während seines Sportökonomie-Studiums schrieb er für die Regionalzeitung des Münchner Merkur. Nach diversen...