Die WM-Qualifikation startet für die deutsche Nationalmannschaft am Donnerstag mit einem Auswärtsspiel in der Slowakei (ab 20.45 Uhr im Liveticker).
Dort fungiert Ex-Profi Marek Hamšík als Teammanager. Die slowakische Legende hofft, der DFB-Elf gefährlich werden zu können. Im SPORT1-Interview spricht der 38-Jährige über die anstehende Begegnung, den Aufschwung im slowakischen Fußball und schätzt die deutschen Chancen bei der WM 2026 ein.
„Im Fußball ist alles möglich“
SPORT1: Herr Hamšík, bei allem Respekt für die slowakische Mannschaft, halten Sie eine direkte Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2026 vor Deutschland für realistisch?
Marek Hamšík: Im Fußball sagt man, dass alles möglich ist. (lacht) Aber…
SPORT1: Aber?
Hamšík: Man muss realistisch sein und zugeben, dass Deutschland der Favorit der Gruppe ist. Vor allem, nachdem Trainer Julian Nagelsmann verkündet hat, dass sie mit voller Punktzahl den Gruppensieg einfahren wollen. Ich denke, jeder Punkt, den wir ihnen abnehmen können, ist Gold wert.
„Habe Deutschland immer als Turniermannschaft angesehen“
SPORT1: Ist es für die Slowakei besser oder schlechter, dass sie direkt gegen den Favoriten der Gruppe antritt?
Hamšík: Das kann sowohl ein Vorteil als auch ein Nachteil sein. Wir haben nach drei Monaten, in denen sich die Spieler lange nicht gesehen und nicht zusammen gespielt haben, wieder ein Länderspiel vor uns und jetzt bleibt wirklich wenig Zeit für die Vorbereitung. Aber da wir gegen eine der besten Mannschaften der Welt spielen, ist das immer ein Nachteil. (lacht)
SPORT1: Sehen Sie das wirklich so? Schließlich sind die Deutschen bei den letzten beiden Weltmeisterschaften bereits in der Gruppenphase ausgeschieden.
Hamšík: Ich habe Deutschland immer als Turniermannschaft angesehen, aber… Ja, vielleicht haben sie gerade eine kleine Krise, aber wenn man sich ihren Kader ansieht und was sie eigentlich nominieren können, welche Stars sie haben, dann denke ich immer noch, dass sie zu den Top 5 in Europa und zu den Top 10 der Welt gehören.
Hamsik kennt die deutschen Stärken
SPORT1: Wie aufmerksam haben Sie und Trainer Francesco Calzona die Spiele der Nations League im Juni verfolgt, als Deutschland zweimal verloren hat?
Hamšík: Sehr aufmerksam. Als wir die Spiele gegen Portugal und Frankreich gesehen haben, haben wir sofort angefangen zu arbeiten, um alles zu schneiden und für die taktischen Besprechungen vorzubereiten. Wir wissen, dass uns eine starke Mannschaft erwartet, die sich Chancen erspielen kann, gefährlich im Umschaltspiel ist und viel Ballbesitz hat. Wir müssen uns richtig ins Zeug legen, und das wird uns viel Kraft kosten.
„Wir können überraschen“
SPORT1: Haben Sie ein Rezept gefunden, wie man Deutschland schlagen kann?
Hamšík: Bei jedem Gegner gibt es etwas zu entdecken. Deshalb ist Fußball so schön und interessant. Mit Videos kann man sich auf jeden Gegner vorbereiten, aber die Realität auf dem Platz sieht dann oft anders aus. Wir geben den Spielern Anweisungen, wie sie den Gegner überwinden können, ob über das Mittelfeld oder auf andere Weise, wie sie ihm unter die Haut gehen können, aber letztendlich sind es nur die Spieler, die entscheiden, ob das gelingt. Manchmal kommt es auf einen einzigen Moment an, auf eine Entscheidung innerhalb von Sekunden.
SPORT1: Womit könnten Sie die Deutschen überraschen?
Hamšík: Das würde mich auch interessieren. Bei ähnlich starken Gegnern handelt es sich immer um spezielle Spiele, aber auch zuletzt in der Qualifikation zur EM 2024 im Doppelpack gegen Portugal haben wir bewiesen, dass wir solche Gegner mit unserem Teamkonzept, unserem Zusammenhalt und unserer Unnachgiebigkeit überraschen können. Und wenn uns die Zuschauer zu Hause mit einer fantastischen Atmosphäre unterstützen, können wir es mit jedem aufnehmen. Die Slowakei ist immer stark, wenn ihre elf Spieler eine überdurchschnittliche Leistung bringen. Wenn gegen die Deutschen auch nur zwei oder drei dies nicht tun, wird es sehr schwer für uns. Wirklich. Die Deutschen sind sehr stark, schießen viele Tore…
„Musiala ist der größte deutsche Star“
SPORT1: Welcher Spieler der deutschen Mannschaft hat Sie am meisten beeindruckt?
Hamšík: Ich bin sicher nicht der Einzige, der sagt, dass Jamal Musiala derzeit der größte deutsche Star ist. Natürlich wünschen wir niemandem etwas Schlimmes, schon gar nicht eine so schwere Verletzung, aber für uns ist es gut, dass er nicht gegen uns spielen wird. Er ist ein unglaubliches Talent, das auch den Deutschen fehlen wird. Wir bereiten uns jedoch auf jeden Gegner umfassend und nicht individuell vor. Aber natürlich haben wir für jeden unserer Spieler individuelle Videos über jeden deutschen Fußballer vorbereitet, in denen wir einiges gezeigt haben. Wir haben uns einfach auf jedes Detail vorbereitet.
SPORT1: Worauf weisen Sie also hin?
Hamšík: Dass die Deutschen mit Tah und Rüdiger ein hervorragendes Innenverteidiger-Duo haben, das körperlich stark und schnell ist und gegen das es sehr schwer sein wird, sich durchzusetzen. Auch im Mittelfeld sind sie sehr stark, man denke nur an Kimmich oder Goretzka. Und dann erwarten wir noch den größten Star der U21-EM 2025, Woltemade. Er hat gezeigt, dass er den Ball gut abdecken kann, und trotz seiner Größe und Physis ist er auch fußballerisch stark.
Nagelsmann? „Ein guter Trainer“
SPORT1: Umgekehrt, auf welchen Spieler kann die aktuelle slowakische Mannschaft nicht verzichten, wer sind ihre Führungsspieler?
Hamšík: Ich würde Kapitän Milan Skriniar hervorheben und sicherlich auch Stanislav Lobotka, der sowohl spielerisch als auch technisch und taktisch schwer zu ersetzen ist. Meiner Meinung nach gibt es nur wenige solche Spieler, und er gehört derzeit zu den fünf besten defensiven Mittelfeldspielern der Welt.
„Das ist wie bei Nagelsmann“
SPORT1: Sie sind inzwischen als Teammanager und Assistent der Nationalmannschaft tätig. Vom Alter her sind Sie mit 38 Jahren den Spielern nahe
Hamšík: … das ist wie bei Nagelsmann. (lacht) Wir sind schließlich im selben Jahrgang geboren, sogar im selben Monat (Nagelsmann ist vier Tage älter; Anm. d. Red.) Das hilft mir. Nachdem ich mit dem Fußball aufgehört habe, erfüllt mich die Rolle des Trainers. Auch wenn es derzeit nur in den Jugendkategorien ist. Aber in Zukunft würde ich mich gerne auch im großen Fußball sehen.
SPORT1: Wenn Calzona also einmal aufhört, sind Sie als Nachfolger bereit?
Hamšík: (lacht) Das würde ich noch nicht sagen, denn alles muss sich erst entwickeln. Im Moment bin ich kein Trainer, der bereit wäre, eine große Mannschaft zu übernehmen.