Nach dem Abpfiff entluden sich endgültig die Emotionen. Im Anschluss an die bittere 0:6-Niederlage des Aufsteigers Darmstadt 98 zu Hause gegen den FC Augsburg am Samstag wollten sich die Fans nicht beruhigen. Einer der Ultras der Lilien, der auch regelmäßig als Capo fungiert, trat unmittelbar nach dem Schlusspfiff vor die Mannschaft und Trainer Torsten Lieberknecht, um seinen Frust mit einer Standpauke loszuwerden.
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Nach SPORT1-Informationen war die Aktion mit dem Verein und dem Ordnungsdienst abgesprochen. Zu Beginn der zweiten Halbzeit, als klar war, dass eine herbe Niederlage nicht mehr abzuwenden war, wurde sich abgesprochen.
Capo informierte Fanclubs
In der Halbzeitpause wurde auf der Südtribüne, wo die Ultras stehen, beraten, wie man nach der Partie mit diesem Ergebnis umgeht. Der Capo, der später seinen Unmut äußerte, ging während der zweiten Halbzeit zu verschiedenen Fanclubs, um diese zu informieren und sich auch Meinungen einzuholen.
Wie SPORT1 erfuhr, wurde im zweiten Durchgang von der Gegentribüne ein Becher auf Darmstadts Stürmer Gerrit Holtmann geworfen.
Die Aktion nach dem Spiel, als der Capo zu den Spielern und Lieberknecht sprach, sollte deeskalierend sein, bevor andere Fans versuchten, auf das Spielfeld zu gelangen. Der Verein verkauft dies nun als eine Sicherheitsmaßnahme. Zehn Minuten vor dem Abpfiff wussten auch schon der Ordnungsdienst und die sportliche Leitung Bescheid.
Der Capo hatte während des Spiels die Möglichkeit genutzt, die Südtribüne über das Mikrofon anzusprechen. Die Fans auf der Gegentribüne wussten jedoch nichts von der Aktion. Dies soll jetzt aufgearbeitet werden.
Kehl: „Zu was soll das führen?“
Ganz so unspektakulär, wie es vom Verein jetzt verkauft wird, fand es Sebastian Kehl allerdings nicht. Eine „bemerkenswerte“ Szene, wie der Sportdirektor von Borussia Dortmund im STAHLWERK Doppelpass auf SPORT1 einschätzte.
„Ich finde, dass so etwas öffentlich im Stadion zu machen, zu was soll das führen?“, fragte Kehl. „Führt das nächste Woche jetzt dazu, dass es in jedem Stadion passiert? Ich kann die Enttäuschung der Fans nachvollziehen, das war eine sehr bittere Niederlage. Ich fand das schon bemerkenswert, was da passiert ist (…). Auf Dauer kann das nicht das Mittel sein.“
SPORT1-Experte Stefan Effenberg hingegen sah die Szene in Darmstadt nicht so dramatisch. Für den ehemaligen Bayern-Kapitän war die Ansprache noch im Rahmen.
„Das war in Ordnung für mich. Es war voller Emotionen, er hat eine klare Ansage gemacht. Wir haben in der Vergangenheit schon andere Szenen gehabt, denken wir an Berlin oder Schalke 04, wo die Grenze überschritten wurde. Die Spieler und auch Lieberknecht haben darauf reagiert, haben gesagt, dass alles in Ordnung war“, so Effenberg. „Es war mit Respekt, es war eine Ansprache.“
Die Darmstädter bleiben nach der 0:6-Niederlage weiterhin das Schlusslicht in der Bundesliga.