In der Zeit des modernen Fußballs ist es schon fast ein bisschen komisch, dass noch niemand nachrechnet, wie lange Patrik Schick nicht mehr getroffen hat. Eigentlich ist das Minutenzählen ja längst gang und gäbe geworden. Schießt ein Stürmer eine bestimmte Zeit lang kein Tor mehr, holt immer irgendwo jemand den Taschenrechner aus der Schublade und will es genau wissen. Bei Schick ist das anders – jedenfalls für den Moment.
Das liegt zum einen daran, dass der tschechische Nationalspieler vor nicht allzu langer Zeit eine gefühlt endlose Verletzungspause überstehen musste. Rund ein Jahr lang war Schick wegen anhaltender Adduktorenprobleme nicht spielfähig. Wenig verwunderlich, dass er da noch den optimalen Rhythmus sucht. Zum anderen hängt das damit zusammen, dass der eingeschlagene Weg von Bayer Leverkusen auch ohne die Tore seines Angreifers schnurstracks in die Glückseligkeit führt.
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Zehn Spieltage vor Schluss steht die seit inzwischen 34 Spielen ungeschlagene Werkself mit zehn Punkten Vorsprung an der Spitze der Bundesliga. Im DFB-Pokal hat das Team von Xabi Alonso das Endspiel in Berlin dicht vor Augen und ist auch in der Europa League noch voll im Rennen. Dennoch lässt gerade die Tatsache, dass Bayer scheinbar unaufhaltsam von Sieg zu Sieg eilt, die anhaltende Stürmerflaute umso erstaunlicher wirken – diese umfasst nämlich nicht nur den nach seiner Form suchenden Schick.
Noch kein Stürmer-Tor im Kalenderjahr 2024
In dieser Pflichtspielsaison haben die Rheinländer zwar schon 99 Tore geschossen, ausgerechnet die Mittelstürmer halten sich aber zum größten Teil zurück. Das betrifft in erster Linie das Kalenderjahr 2024, in dem bislang weder Schick noch Borja Iglesias oder der nur eine Nebenrolle spielende Adam Hlozek erfolgreich waren. Wer zur richtigen Einordnung trotz allem eine exakte Angabe haben möchte: Bei Schick sind es nunmehr 529 torlose Minuten.
Geschäftsführer Simon Rolfes erinnerte kürzlich ein weiteres Mal daran, dass Schick „lange verletzt“ gewesen sei. „Da geht nicht alles von heute auf morgen. Er macht auch in dieser Phase gute Fortschritte.“ Mit seiner physischen Präsenz, die der 28-Jährige zweifellos hat, kann er zumindest die gegnerischen Verteidiger auf sich ziehen und dadurch Räume für seine Kollegen öffnen. Trotzdem fehlen ihm derzeit die letzten Abschlussaktionen, die absolute Konsequenz im Sechzehner. Gleiches gilt für Iglesias, der erst im Winter per Leihe von Betis Sevilla kam.
Der Spanier befindet sich nach wie vor in einer Phase der Eingewöhnung, ein Torerfolg blieb Iglesias in bislang vier Einsätzen für Leverkusen noch verwehrt. Unruhig will Rolfes deshalb nicht werden. Schließlich war auch Iglesias stets „ein wichtiger Bestandteil in der Spielentwicklung“. Sollten er und Schick sich weiterhin in dieser Art und Weise bemühen, wird es mit dem Toreschießen automatisch wieder funktionieren, war sich Rolfes sicher. „Beide besitzen diese Torgefährlichkeit, da mache ich mir gar keine Sorgen.“
Kein Team hat mehr verschiedene Torschützen als Leverkusen
Denn die gute Nachricht lautet für Bayer ohnehin: Das Mittelstürmer-Problem fällt aktuell nicht großartig ins Gewicht. Immer wieder springen andere Spieler ein – ganz egal ob Schienenspieler, Innenverteidiger, Sechser oder Zehner. Beim jüngsten Sieg in Köln (2:0) waren es einmal mehr Jeremie Frimpong und Alejandro Grimaldo, die für die entscheidenden Treffer zuständig waren. Alleine in der Liga zählt die Werkself mittlerweile 16 verschiedene Torschützen. Der Bestwert aller Teams.
„Natürlich ist es super für die Stürmer, wenn sie erfolgreich sind. Aber das Wichtigste ist, dass wir gewinnen und so weitermachen“, ordnete Alonso die Situation nach dem Sieg gegen den Lokalrivalen gewohnt sachlich ein. Wenngleich der 42-Jährige selbst wissen wird, dass sich diese Thematik nicht zu einem Dauerzustand entwickeln darf. Treffen die Rheinländer in den kommenden englischen Wochen auf tief stehende Gegner, mit denen sich das Team zuletzt schwertat, benötigt es bestenfalls einen klassischen Vollstrecker in Topform.
Ausfall von Boniface schmerzt
In der Hinrunde war es häufig Victor Boniface, der mit auffallend viel Spielfreude und seiner gefürchteten Explosivität das Bestmögliche aus komplizierten Lagen herausholte. Der Nigerianer fällt allerdings noch bis Anfang April verletzungsbedingt aus. So erwies sich jüngst Amine Adli als vielversprechendste Alternative, der das Angriffsspiel mit seiner Schnelligkeit und Wendigkeit variabler gestalten konnte. Seit seiner Rückkehr vom Afrika-Cup verbucht Adli auch zwei Tore und zwei Vorlagen.
Doch gerade, weil die fehlenden Mittelstürmer-Tore noch kein wirkliches Problem darstellen, werden Schick und Iglesias noch weitere Chancen bekommen, um ihre Durststrecken zu beenden. Vielleicht schon am Donnerstag, wenn Leverkusen im Achtelfinal-Hinspiel der Europa-League auf Qarabag Agdam trifft (ab 18.45 Uhr im LIVETICKER).