Michel Dinzey denkt gerne an den 21. Dezember 2005 zurück. Da besiegte der FC St. Pauli in einem echten Pokalkrimi im Viertelfinale Hertha BSC mit 4:3 nach Verlängerung. „Dieses Pokalspiel bleibt für mich unvergessen. Jedes Krimi-Drehbuch hätte nicht besser sein können. Das war schon sehr emotional und wird immer in meiner Erinnerung bleiben“, sagt Dinzey im Gespräch mit SPORT1.
Am Samstagabend kommt es in der 2. Bundesliga im Berliner Olympiastadion zum Duell zwischen der Hertha und St. Pauli (Zweite Liga: Hertha BSC – FC St. Pauli, ab 19.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1). Und natürlich wird Dinzey gespannt zuschauen.
Dinzeys Herz schlägt für Hertha und St. Pauli
In der Saison 1995/96 und von 2004 bis 2007 spielte er für den Kiezklub, von 1996 bis 1998 trug er das Trikot der Alten Dame.
„Als Berliner Junge habe ich die Hertha natürlich immer im Blick. Nach den beiden letzten Siegen ist die Situation nach einem holprigen Start wieder positiver, aber es bleibt dennoch ein fortlaufender Prozess. Mein Herz schlägt jedoch für beide Vereine, denn auch bei St. Pauli hatte ich eine großartige Zeit“, meint der 51-Jährige, der 2019/20 Nationaltrainer von Antigua und Barbuda war und zuletzt die U20 des Kongo trainierte.
„St. Pauli hatte damals schwierige Zeiten. Es gab noch kein schönes Stadion, und wirtschaftliche Probleme waren auch präsent“, erinnert sich Dinzey. „Bei Hertha denke ich natürlich an zwei besondere Erlebnisse: den Bundesliga-Aufstieg in Unterhaching und den Klassenerhalt in der Bundesliga. Diese Momente werde ich nie vergessen.“
Big City Club „hängt Hertha noch nach“
Beide Vereine hatten stets unterschiedliche Ansprüche. Während man bei den Berlinern von größeren Ambitionen träumte, entwickelte sich die Professionalität am Millerntor stetig weiter. Lange Zeit wurde Hertha als der „Big City Club“ bezeichnet. Ein Name, der nicht jedem passte und der dem Klub wie ein Klotz am Bein hing.
„‚Big City Club‘ hat eine gewisse Person (der ehemalige Investor Lars Windhorst, Anm. d. Red.) gesagt, aber intern wurde das Wort nie in den Mund genommen. Das hängt dem Verein immer nach. Die handelnden Personen wissen, was die Hertha hinter sich hat. Da wird nicht von einem großen Klub geredet“, weiß Dinzey. Momentan sieht das „ganz ordentlich aus“, aber man ist „noch lange nicht da, wo man hin will“. Und der Ex-Profi stellt klar: „‚Big City Club‘ war nie mehr als eine Floskel.“
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Beim FC St. Pauli ging die Entwicklung in den vergangenen Jahren immer nach vorne – sportlich und wirtschaftlich.
St. Pauli „ist größer geworden“
„Das ganze Umfeld ist viel professioneller geworden. Es gibt zwar immer noch diejenigen, die den FC St. Pauli von früher wieder haben wollen, aber die Uhr dreht sich nunmal“, erklärt Dinzey. „Die Fanbase und die Mitgliederzahl sind größer geworden. Der Klub macht es richtig gut. Es gibt auch weiterhin sehr viel Kult im Verein.“
Auch dank vieler sozialer Projekte, die gestemmt werden. „Für mich ist der FC St. Pauli immer noch der etwas andere Klub“, sagt Dinzey. „Und das wird auch so bleiben. Es ist so schön zu sehen, wie ein Wandel entstanden ist, doch der Kult bleibt. Die Fans leben den Klub, das sieht man immer wieder im Block.“
Dass der FCSP ein anderer Klub ist, konnte man jetzt wieder sehen. Der Verein hat in der vergangenen Woche offiziell verkündet, dass es im Nachwuchsleistungszentrum künftig keine Zusammenarbeit mehr mit Beratern, Agenturen und kommerziellen Individualtrainern geben wird.
Dinzey schwärmt von St.-Pauli-Entscheidung
„Wenn man sich die U15-, U16-, U17-Mannschaften anschaut, dann laufen die Spieler da schon mit Beratern rum. Welche Gewalt hat der Spieler noch? Der Klub ist am Ende des Tages die ärmste Sau. Ich finde es gut, dass da jetzt ein Riegel vorgeschoben wird“, betont Dinzey.
„Ich glaube aber, dass es schwer umsetzbar sein wird. Aktuell gibt es sehr viele Jugendspieler, die Berater haben. Die Berater sind mächtiger geworden. Jungen Spielern werden ohnehin leider viele Persönlichkeitsrechte genommen.“
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Bei der Hertha vertraute man nach dem bitteren Abstieg auf Pal Dardai als neuen, alten Trainer. Für Dinzey die richtige Wahl. „Man muss sich auch immer die finanzielle Situation des Klubs sich anschauen. Es gab nicht viel Spielraum, um nach dem Abstieg einen neuen Trainer zu verpflichten. Die wollen nicht mit Nüssen bezahlt werden.“
Dardai? „Er ist die beste Lösung“
Dardai ist schon lange im Verein. „Er liebt die Hertha, ist die beste Lösung. Wenn ein neuer Trainer gekommen und dann wieder entlassen worden wäre, hätte man ihn sicher auch noch weiter bezahlen müssen. Pal steht für den Berliner Weg, denn im Kader sind einige Berliner Jungs. So viel Berlin steckte schon ewig nicht mehr in der Hertha.“
Als da wären die Söhne des Trainers Bence Dárdai, Márton Dárdai, Palkó Dárdai sowie Linus Gechter und Marius Gersbeck. Bei St. Pauli steht mit Fabian Hürzeler einer der interessantesten Trainer im deutschen Fußball an der Seitenlinie.
Seit dem 21. April (nun schon seit zwölf Spielen) ist er mit seinem Team ungeschlagen. In diesem Kalenderjahr gab es nur zwei Niederlagen. „Er macht einen top Job, man sieht, wie die Mannschaft füreinander arbeitet und sich in den Spielen präsentiert. Da ist zu 100 Prozent Hürzelers Handschrift zu erkennen“, lobt Dinzey.
Sicher sei es ein Vorteil gewesen, „dass er als Co-Trainer erstmal in die Seelen der Spieler reinschauen konnte. Es herrscht eine tolle Kombination zwischen dem Team und Hürzeler. Er macht das richtig gut“.
Und wer macht es im Topspiel am Samstag richtig gut? Dinzey sieht keinen Favoriten. „St. Pauli spielt auswärts ein bisschen anders. Hertha wird zu Hause offensiver agieren. Es wird ein ausgeglichenes Spiel.“