Wie viele Geschichten lassen sich eigentlich in acht Monate packen?

Ich war für SPORT1 auf internationaler Bühne überall mit dabei: Sevilla, Barcelona, London, Helsinki, Marseille und Lissabon hießen die Städte, die Eintracht Frankfurt im Jahr 2022 bereist hat.

Ein Rückblick auf das Jahr des Europa-League-Siegers und Champions-League-Achtelfinalisten, das am 9. März in Sevilla gegen Real Betis begonnen hat. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

Eintrachts „weiße Wand“ in Barcelona

Die Auslosung für das Viertelfinale der Europa League beschert der Eintracht ein Sensationslos: FC Barcelona!

Ein Kindheitstraum geht in Erfüllung – nicht nur für viele Spieler, sondern auch für mich als Reporter. Mit beinahe schon kindlicher Freude reise ich in die Mittelmeer-Metropole. In den Tagen vor dem Aufeinandertreffen zücken die katalanischen Einwohner häufiger das Smartphone, wenn die großen Gruppen Eintracht-Fans durch das Zentrum marschieren.

Die Flaniermeile La Rambla präsentiert sich schon in dieser für den Klub so besonderen Woche im hessischen Gewand. „Ei Gude, wie?!“, tönt es in jeder Ecke, die weißen Trikots und Shirts sind unübersehbar. Präsident Peter Fischer will unbedingt „aus dem Pott saufen“, Eintracht lechzt nach dem großen Triumph.

Am 14. April 2022 ist die Stimmung in der Gästekurve prächtig, die Sensation nimmt minütlich konkrete Formen an. Mit einem 1:1 im Gepäck reisen die Frankfurter in das beeindruckende Camp Nou.

Wie viele Eintracht-Fans bei diesem Spektakel am Ende wirklich dabei sind, lässt sich nur spekulieren. 25.000, 30.000 oder gar 40.000? Kaum zu schätzen. Die Bilder des Fan-Marsches und der Jubelszenen haben sich in das kollektive Gedächtnis des Klubs eingebrannt.

Es sind unfassbare Szenen, die sich vor dem Europa-League-Rückspiel zwischen dem FC Barcelona und Eintracht Frankfurt abspielen. 30.000 SGE-Fans sind mit nach Spanien gereist und sorgen für Gänsehaut-Momente.

Es sind unfassbare Szenen, die sich vor dem Europa-League-Rückspiel zwischen dem FC Barcelona und Eintracht Frankfurt abspielen. 30.000 SGE-Fans sind mit nach Spanien gereist und sorgen für Gänsehaut-Momente.

Bilder für die Ewigkeiten im Camp Nou

„Barcelona hat die Partie am Ticketschalter verloren“, schreiben Zeitungen. Von einer „sozialen Demütigung“ ist später die Rede. Die Niederlage? Sie tut Barcelona sportlich natürlich weh.

Noch frappierender aber sind die Szenen im eigenen Wohnzimmer. Ich erinnere mich noch ganz genau, wie mit Abpfiff den spanischen Reportern die Worte fehlen, einige mit Tränen zu kämpfen haben und zeitgleich die Massenbewegung im weiten Rund einsetzt.

Gegenüber von meinem Platz bildet sich peu à peu eine „weiße Wand“. Die vielen zuvor verteilten weißen Punkte treffen sich unterhalb des Gästeblocks, pompös wirkt die Kurve im Einklang mit dem Team. Jeder nimmt bewusst wahr, wie viele Fans überhaupt dabei sind.

Die Eintracht-Helden Filip Kostic, Martin Hinteregger, Kevin Trapp und Co. werden minutenlang in dem Fußballtempel gefeiert, die Hose von Trainer Oliver Glasner reißt beim Diver, landet später im Museum des Klubs. Momente für die Ewigkeit.

Nach 70 Tagen geht es wieder nach Sevilla

Bei der Pressekonferenz nach dem Spiel darf ich die erste Frage stellen, Glasner und Trapp emotional abholen. „Können Sie persönliche Einblicke geben, wie Sie die Atmosphäre und Ehrenrunden nach Abpfiff wahrgenommen haben?“

Die Stimmung hat bereits etwas von Pokalsieg, dabei stehen noch zwei Runden auf dem Programm. Nach dem Sieg gegen West Ham United heißt es erneut Sevilla. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

Die Rückkehr nach 70 Tagen. Und die Stadt läuft sprichwörtlich voll. Schon im Flugzeug erstrahlt die Farbe Blau, die Fans der Glasgow Rangers geben alles.

„Here we go“ lautet das Motto bei Abflug. An jeder Ecke begegnen meinem SPORT1-Kollegen Thorsten Siegmund und mir Fans der Rangers. Lautstark, fröhlich singend, friedlich.

Eintracht Frankfurt schafft in einem packenden Finale das Europa-Märchen und gewinnt den Europa-League-Titel. Gegen die Glasgow Rangers setzt sich die Eintracht im Elfmeterschießen durch.

Eintracht Frankfurt schafft in einem packenden Finale das Europa-Märchen und gewinnt den Europa-League-Titel. Gegen die Glasgow Rangers setzt sich die Eintracht im Elfmeterschießen durch.

Wassermangel trübt den historischen Triumph

Doch die Eintracht-Anhänger laufen ebenfalls zur Top-Form auf. Einen Gegner wie Frankfurt erleben auch die reiselustigen Schotten nicht jeden Tag.

„Das kennen wir so nicht. Meistens sehen wir nur unsere Farben. Aber die Eintracht-Fans sind Wahnsinn“, sagt mir ein Anhänger der Rangers. Die Atmosphäre in dieser charmanten Stadt mit den vielen kleinen Bistros und dem wunderschönen Altstadtkern ist atemberaubend, die rivalisierenden Gruppen feiern teilweise auch zusammen.

Crunchtime ist am 18. Mai 2022! Beim Fan-Fest auf dem Platz Prado de San Sebastián treffen sich die Eintracht-Anhänger an ihrem großen Tag bei Gluthitze, bei gefühlt 50 Grad im Schatten wird ordentlich geschwitzt.

Verzweifelt ist die Suche nach einem Ticket, 10.000 gibt es bei 100.000 Anfragen. Alle wollen dabei sein, die Eintracht unterstützen. Der letzte Europapokal-Sieg? Er liegt 42 Jahre zurück …

Borré krönt die Eintracht

Schon früh bahnt sich allerdings ein weiteres große Problem an: Neben Tickets suchen Fans auch Wasser!

Im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán des FC Sevilla leidet die Stimmung von Beginn an den Umständen. Kein Wasser, kaum Essen, ein organisatorisches Debakel. Die Pressetribüne meldet vor Beginn der Verlängerung: Hier gibt es nur noch Cerveza. Naja …

Als Rafael Borré den entscheidenden Elfmeter um kurz vor Mitternacht verwandelt und die Eintracht krönt, fällt der Jubel beim historischen Triumph beinahe schon kraftlos aus.

Fans fragen mich verzweifelt, ob sie meinen Rest Wasser haben dürfen. Es ist wie die Suche nach der Oase in der Wüste.

Schon zur Halbzeitpause klingelt das Handy unentwegt mit Bildern von leeren Kioskständen. Die Hitzeschlacht von Sevilla bleibt auch immer eng mit dem Wassermangel verbunden.

Es war die größte Party des Jahres: Eintracht Frankfurt kehrt als Europa-League-Sieger zurück und feiert auf dem Römerberg. Fans und Spieler zünden Pyro.

Es war die größte Party des Jahres: Eintracht Frankfurt kehrt als Europa-League-Sieger zurück und feiert auf dem Römerberg. Fans und Spieler zünden Pyro.

Während die Eintracht am Römer feiert sitze ich im Flieger…

Die Party-Stimmung verdirbt es trotzdem nicht. Champagner-Dusche für Trainer Glasner, Matchwinner Trapp und – etwas unfreiwillig – die erste Journalistenreihe, in der ich sitze.

Das weiße Hemd dankt. Goncalo Paciencia reißt im Pressekonferenzsaal bei einem Versuch, den Ball an die Decke zu köpfen, diese beinahe auch ein. Ausgelassen freuen sich die hessischen Helden.

Vor dem Stadion warten noch 20-30 Anhänger geduldig auf ihre Stars. Sie werden belohnt, Publikumsliebling Kostic gibt ihnen tief in der sommerlichen Nacht lächelnd Autogramme, macht Selfies. Es ist sein letzter großer Auftritt für die Frankfurter, inzwischen kickt er für Juventus Turin.

Und für mich? Nach kurzer Nacht steige ich nach wenigen Stunden Schlaf in das Mietauto, fahre nach Malaga, fliege von dort über Brüssel zurück nach Frankfurt.

Die Feierlichkeiten in der Frankfurter Innenstadt am Römer verfolge ich via Smartphone. Die vielen Strapazen haben sich gelohnt. Champions-League-Reporter! Irre! Ein Privileg. Ich muss mich kneifen.

Reise nach Marseille: Angst übertüncht einen historischen Moment

Und erlebe eine europäische Etage höher weitere verrückte Monate. Die Wahnsinns-Angst in Marseille beim ersten Auswärtsspiel der Vereinsgeschichte in der Königsklasse prägt mich dabei ganz besonders.

Eine Stadt voller „unsichtbarer Feinde“, laute Böllerschläge im Stadion, Pyrotechnik, Feuerwerk, ein schwerverletzter Anhänger. Es sind Bilder der Schande.

Was für uns Reporter schon erschreckend ist, verläuft für die Anhängerschaft aus nächster Nähe noch viel schlimmer. Eine erneute Reise in den Süden Frankreichs nach Marseille?

Fraglich, ob ich diese Fahrt mitmachen würde. Der erste Champions-League-Sieg der Vereinsgeschichte rückt dadurch in den Hintergrund.

Eintracht vollendet historisches Jahr in Lissabon

In Portugal vollendet die Eintracht sechs Wochen später ihr fantastisches Jahr 2022. Die Hürde ist jedoch gewaltig.

Sporting hat frenetische Fans. „Viva Sporting“ singen die erwartungsvollen Anhängern bei ihrer Vereinshymne, eine portugiesische Version von „My Way“ sorgt für Gänsehaut. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)

Das letzte Wort hat jedoch der mitgereiste Frankfurter Anhang. Randal Kolo Muani schießt das Team ins Achtelfinale gegen Neapel. Die europäische Reise geht für den Traditionsverein immer weiter. Es ist eine nicht endend wollende Party in der Mainmetropole!

Und für mich persönlich eine Erlebnisreise, die sich fortsetzt. Mitsamt Europäischem Supercup gegen Real Madrid in Helsinki war ich bei allen 14 Europapokal-Duellen 2022 mit dabei. Dieses Jahr der Superlative begleitet zu haben, erfüllt mich mit großem Stolz. Danke.

Alles zur Bundesliga auf SPORT1:

n

HERE SHOULD BE OZ VIDEO – EMBED IT AGAIN WITH VIDEO ID: 198ECEE5-6B13-4FBA-A5BF-C67F12249594
nCAPTION: SPORT1 Bundesliga Classics: Der Spieltag 1971 sorgt für Elfmeter-Rekord
nDESCRIPTION: Am 23. Oktober 1971 sorgt der Bundesliga-Spieltag für einen Rekord, der bis heute nicht gebrochen wurde. Ganze zwölf Elfmeter gab es an diesem Spieltag.

n