Es ist immer so eine Sache mit den Ansprüchen und der Wirklichkeit. Bei Hannover 96 klaffte beides in den vergangenen drei Spielzeiten weit auseinander.
Nach dem Abstieg in die Zweite Liga 2019 sollte es für die Niedersachsen schnellstmöglich wieder zurückgehen in die Bundesliga. Doch in jedem Jahr wurde das Ziel aufs Neue verpasst, egal welcher Trainer an der Seitenlinie stand. Kontinuität Fehlanzeige! In dieser Saison macht 96 nun wieder einen neuen Anlauf und gilt als Geheimfavorit. Am Samstagabend kommt der FC St. Pauli zum Topspiel nach Hannover (2. Bundesliga: Hannover 96 – St. Pauli, 20.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1).
„96 hat in den zurückliegenden Jahren leider nicht oben mitspielen können. Nach vielen Jahren in der Bundesliga sind die Ambitionen in Hannover immer hoch geblieben, den Verein dort irgendwann wieder hinzuführen“, sagt Daniel Stendel im Gespräch mit SPORT1. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)
„Vielleicht war das in den letzten Jahren ein zu großer Rucksack für den Klub. Wenn man aber ein bisschen weiter nördlich schaut, dann sieht man, dass es auch für den großen HSV nicht so einfach ist aufzusteigen, auch wenn sie in den vergangenen Jahren regelmäßig nah dran waren.“
Stendel ist zurück
Stendel ist eine 96-Ikone, spielte von 1999 bis 2006 und in der Saison 2007/2008 für den Verein. 2002 stieg er mit den Roten in die Bundesliga auf. In der Spielzeit 2006/2007 stand er auch mal beim FC St. Pauli unter Vertrag und stieg mit den Kiezkickern in die 2. Liga auf. Zwischen 2007 und 2017 war Stendel in verschiedenen Funktionen als Trainer bei 96 tätig. Mit der U19 gewann Stendel 2019 den DFB-Juniorenpokal. In der Bundesliga war er der Chefcoach.
Ab der neuen Runde ist er wieder zurück, wird dann die U23 der Hannoveraner trainieren. Die vergangenen Jahre arbeitete er als Fußballlehrer im Ausland – beim FC Barnsley in England, beim schottischen Traditionsklub Heart of Midlothian und in Frankreich bei der AS Nancy.
„Seit dem Aus im Oktober in Nancy war ich ohne Job und da bei mir in den vergangenen Monaten die Entscheidung gereift war, dass ich wieder in Deutschland arbeiten wollte, kam das Interesse von 96 gerade recht“, erzählt Stendel.
Der 48-Jährige ist glücklich, wieder bei 96 zu sein. „Ich habe auch das eine oder andere Angebot aus dem Ausland ausgeschlagen. Ich komme aus Hannover, habe lange hier gespielt und als Trainer gearbeitet. Nun freue ich mich, wieder zu Hause zu sein und in deutscher Sprache trainieren zu können.“
Hannover als Lebensmittelpunkt
Auch als Trainer im Ausland war Hannover immer der Lebensmittelpunkt von ihm und seiner Familie. Und er hat seinen Herzensverein natürlich auf dem Radar gehabt, wie das aus der Ferne nur möglich ist.
„Ich habe 96 nicht so konkret verfolgt, wie wenn ich in Deutschland gearbeitet hätte, aber natürlich habe ich immer geschaut, wie der Verein gespielt hat. Bei Heart of Midlothian war Jörg (Jörg Sievers war von 1989 bis 2003 Torwart und von 2003 bis 2019 Torwarttrainer bei 96, d. Red.) mein Co-Trainer und da war die Hannover-Connection natürlich komplett.“
An der neuen Saison ist Stendel zusammen mit dem früheren Profi Dirk Lottner (Co-Trainer) und Achim Sarstedt (Leiter der Nachwuchsabteilung) – einst langjähriger Assistent von Volker Finke beim SC Freiburg – für den Nachwuchs zuständig. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 2. Bundesliga)
„In der Kürze der Zeit konnten wir noch nicht so viel bewegen, aber wir sind top motiviert“, erzählt Stendel. „Bei Achim und mir besteht natürlich eine emotionale Bindung zu 96″, erzählt Stendel. Achim Sarstedt war zu Beginn seiner Trainerkarriere Assistenzcoach beim TSV Havelse, später dann beim VfL Wolfsburg Co-Trainer und Leiter der Nachwuchsabteilung. Er ist ein Kind der Region. Jetzt endlich hat es geklappt mit einer Tätigkeit bei 96. „Die Arbeit am NLZ ist hoch spannend und wir wollen positiv an die Sache rangehen“, sagt Stendel.
Er macht sich natürlich seine Gedanken, warum 96 in der Vergangenheit in der Grauzone der 2. Liga abdriftet – und er glaubt einen Hauptgrund gefunden zu haben. „In der Vergangenheit hat 96 mit Mirko Slomka, Kenan Kocak, Jan Zimmermann und Christoph Dabrowski einige Trainer gehabt, es gab also viele Veränderungen.“ (DATEN: Die Tabelle der 2. Bundesliga)
Stendel lobt Leitl
In diesem Sommer wurde erneut der Trainer gewechselt. Und hier ist Stendel zuversichtlich. „Mit Stefan Leitl wurde viel Qualität in der sportlichen Leitung geholt, da kann man zurecht zuversichtlich sein.“ Der Verein sei also auf einem guten Weg. Jetzt gelte es das umzusetzen, „was die beiden sich vorstellen“. Wichtig sei es, dass „dauerhaft gut und ruhig“ gearbeitet werden kann, „dann ist in Hannover eine Menge möglich“.
Und weiter: „Ich hoffe, dass das ganze Umfeld und die Stadt an einem Strang ziehen werden. Nur gemeinsam kann 96 wieder eine Macht werden. Das Riesenpotenzial muss wieder geweckt werden. Es kann in zwei Wochen nicht gleich alles top funktionieren, aber es ist eine kleine Aufbruchstimmung entstanden.“
Von Leitl hat Stendel eine gute Meinung. „Stefan Leitl hat in Fürth einen guten Job gemacht und dort viele junge Spieler integriert. Mit diesen Jungs wurde erfolgreicher Fußball gespielt. Das wünschen sich auch alle in Hannover.“
Niederlage am Betzenberg
Der Auftakt ging allerdings in die Hose. Das Leitl-Team verlor beim Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern 1:2. „Natürlich hat man sich bei 96 den Saisonstart anders vorgestellt. Aber man muss sich nur die ersten Spiele der alten Saison anschauen, da sind selbst die späteren Aufsteiger Werder Bremen und Schalke nicht sofort durchgestartet“, findet Stendel.
Am Anfang sei es immer schwer reinzukommen und es gebe „leichtere Aufgaben als am Betzenberg vor 40.000 zu spielen“. 96 habe aber schon gezeigt, „dass man die Qualität hat, um eine gute Saison zu spielen. Das Ergebnis war eine kleine Enttäuschung, es ist aber kein Rückschlag“.
Die Mannschaft wurde deutlich verändert, es gibt „viele interessante, junge Spieler, aber auch erfahrene Akteure“.
Klappt es am Ende mit dem Aufstieg? „Es gibt nicht den erklärten Topfavoriten wie in der vergangenen Runde. Wo 96 am Ende landet, kann man jetzt noch sehr schwer sagen“, meint Stendel.
„Ich bin davon überzeugt, dass hier etwas entstehen kann. Das Potenzial bei 96 ist groß. Eine Rückkehr in die Bundesliga wäre ein absoluter Traum, aber erst einmal muss sich die neue Konstellation finden.“
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