Wenn Oliver Kreuzer am Samstag mit dem Mannschaftsbus des Karlsruher SC zum Volksparkstadion fährt, dürfte er durchaus ein gewisses Kribbeln spüren.

Der 56 Jahre alte Sportdirektor der Badener ist seit 2016 im Amt, doch in der Saison 2013/2014 arbeitete er auch mal für den Hamburger SV. Und die Rothosen hat er immer noch im Herzen.

Vor dem Spiel spricht Kreuzer im SPORT1-Interview über das Duell, seine Zeit beim HSV und seinen umworbenen Stürmer. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)

SPORT1: Herr Kreuzer, der KSC als Tabellenneunter beim sechstplatzierten HSV. Gibt es die Revanche für das Pokal-Aus? (2. Bundesliga: Hamburger SV – Karlsruher SC ab 20.30 Uhr im LIVETICKER)

Oliver Kreuzer: Wir reden von zwei verschiedenen Wettbewerben. Das eine war Pokal, jetzt geht es um Punkte in der Meisterschaft. Im Pokal hätten wir nicht unbedingt ausscheiden müssen, es war eine bittere Niederlage im Elfmeterschießen. Aber das ist Vergangenheit. So wie der letzte Spieltag verlaufen ist, sollten wir eigentlich unser Saisonziel, den Klassenerhalt erreicht haben.

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nCAPTION: Hamburger SV – Karlsruher SC (5:4): Tore und Highlights | DFB-Pokal
nDESCRIPTION: Gegen den Karlsruher SC kam der HSV nach einem 0:2 zurück und erreichte über Verlängerung und Elfmeterschießen das Halbfinale im DFB-Pokal.

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SPORT1: Der KSC ist im gesicherten Mittelfeld. Nach unten und oben geht nichts mehr. Fällt es da schwer, sich zu motivieren?

Kreuzer: Nein. Die Motivation muss immer vorhanden sein.. Wenn Profis nicht motiviert sind, sind sie fehl am Platz. Es gibt positiven und negativen Druck. Würden wir als Tabellen-15. nach Hamburg fahren und müssten unbedingt gewinnen, wäre das eine andere Geschichte. Für uns ist das jetzt positiver Druck. Die elf Punkte Vorsprung auf Dresden werden am Ende reichen, um nicht mehr in die gefährliche Zone zu rutschen. Aber trotzdem verlange ich von den Jungs, dass sie diesen positiven Druck entwickeln. Wir wollen weiter Punkte sammeln. Es geht um Siegprämien, Tabellenplätze und für den Klub um Geld. Wir machen keine Klassenfahrt nach Hamburg, sondern wollen beim HSV drei Punkte holen.

Kreuzer „Immer etwas Besonderes“

SPORT1: Wie emotional ist das Duell mit dem HSV für Sie? Sie waren in der Saison 2013/2014 dort Sportdirektor.

Kreuzer: Die Spiele gegen den HSV sind immer etwas Besonderes. Nicht nur, weil es da mehrere Personen gibt, die auf beiden Seiten gearbeitet haben. Ich freue mich sehr auf Samstag. Der HSV hat sich in der Vergangenheit gegen uns immer schwergetan. Wir fahren nach Hamburg, um das Spiel zu gewinnen. Für den HSV ist es die allerletzte Chance, nochmal im Aufstiegsrennen einzugreifen.

SPORT1: Glauben Sie das wirklich?

Kreuzer: Natürlich muss viel zusammen passen, aber es ist nun mal rechnerisch noch möglich. Ich weiß, Fußball-Deutschland sagt: ‚Das wird nichts mehr.‘ Aber die Hamburger glauben sicher noch daran. Für den HSV ist es ein Endspiel. Und wir müssen uns darauf gefasst machen, dass uns da einiges erwartet.

SPORT1: Sie sind 2016 in der 2. Liga zum KSC zurückgekehrt. Erst gab es den Rückschlag und es folgte der Abstieg in die 3. Liga, doch seit 2019 geht es in die richtige Richtung.

Kreuzer: Absolut. Es war elementar wichtig, dass sich im Verein ein Veränderungsprozess vollzogen hat. Vor drei Jahren die Rückkehr in die 2. Bundesliga, durch die Ausgliederung in eine Kapitalgesellschaft konnten wir uns größtenteils entschulden und eine drohende Insolvenz abwenden. Wir werden trotz Corona in diesem Jahr voraussichtlich auch ein positives Ergebnis erzielen. Dazu kommt der Stadion-Neubau. Da machen wir den nächsten Schritt. Es soll zudem ein neues Funktionsgebäude für Profis und NLZ entstehen.

Kreuzer: „Es war damals eine verrückte Zeit“

SPORT1: Haben Sie inzwischen Ihr Glück im Wildpark gefunden?

Kreuzer: Ich kam mit 20 nach Karlsruhe und wurde zum Bundesligaspieler. Ich habe sieben Jahre für den Verein gespielt. 2011 bis 2013 war ich schonmal in gleicher Funktion, dann kam das Angebot des HSV. Und 2016 bin ich zurück nach Karlsruhe. Es war damals eine verrückte Zeit, mein Einstieg war im Dezember und nicht im Sommer. Zwei Ehrenrunden in der 3. Liga, dann mit Alois Schwartz der Aufstieg in die 2. Bundesliga. Seit zweieinhalb Jahren nun mit Christian (Eichner, d. Red.) auf der Kommandobrücke. Ich ziehe den Hut vor ihm und seinem Trainerteam, er macht einen überragenden Job. Es macht Spaß, mit ihm und seinem Team zu arbeiten. Ich würde mir wünschen, dass das noch eine Weile so bleibt. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 2. Bundesliga)

SPORT1: Auch die KSC-Jugend wird weiter gefördert…

Kreuzer: Absolut. Wir sehen uns weiterhin als Ausbildungsverein. Unser Ziel ist es, regelmäßig unsere Top Talente an die Profis heranzuführen und am Ende dann auch immer wieder Transfereinnahmen zu erzielen. Zuletzt war es Florent Muslija, den wir 2018 nach Hannover verkauft haben. Mit Tim Breithaupt hat sich der nächste Spieler aus dem eigenen Nachwuchs etabliert und mit Efe Siharoglu klopft der nächste an.

SPORT1: Gibt es einen Klub, an dem Sie sich ein Beispiel nehmen? Vielleicht der SC Freiburg?

Kreuzer: Ich tu mich damit schwer, weil Freiburg eine Oase der Glückseligkeit ist. Ich vergleiche mich ungern mit dem SC Freiburg. Bei allem Respekt, die Personen da machen einen super Job. Bei Vereinen wie dem VFB Stuttgart, wo auch Sven Mislintat sich den SC Freiburg zum Vorbild genommen hat, oder auch dem KSC geht es immer etwas aufgeregter zu. Wir wollen unseren eigenen Weg gehen. (DATEN: Die Tabelle der 2. Bundesliga)

SPORT1: Was macht Christian Eichner so wertvoll für den KSC?

Kreuzer: Christian war Spieler, Nachwuchstrainer, Assistent von Alois Schwartz. Er identifiziert sich total mir dem KSC. Er hat zusammen mit Zlatan Bajramovic dem KSC wieder eine Identität verpasst. Er arbeitet sehr akribisch, ist sehr kommunikativ und hat eine klasse Zugang zur Mannschaft. Er ist Freund der Spieler, aber auch gleichzeitig Autoritätsperson.

Kreuzer schwärmt vom HSV

SPORT1: Sie waren Sportdirektor beim HSV in der Bundesliga. Würden Sie dieses eine nicht so schöne Jahr gerne aus Ihrer Vita streichen?

Kreuzer: Nein. Ich würde diese Entscheidung genauso wieder treffen. Natürlich war es ein schwieriges Jahr, aber wenn du ein Angebot vom HSV bekommst, musst du zusagen. Das war und ist immer noch ein richtig großer Traditionsverein mit einer enormen Wucht. Es war kein erfolgreiches Jahr, aber am Ende haben wir die Klasse gehalten. Nach der Ausgliederung 2014 war der zwölfköpfige Aufsichtsrat Geschichte. Die Personen, die mich zum HSV holten, gab es nicht mehr. Didi Beiersdorfer kam als neuer Vorstandsboss und wollte etwas anderes machen. Hier hätte ich mir etwas mehr Vertrauen gewünscht, da wir ja noch zwei Monate die Kaderplanung gemeinsam gestaltet haben. Eventuell sieht es Didi heute auch etwas anders.

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nCAPTION: 9PLUS1: Alle Infos vor Hamburger SV gegen Karlsruher SC
nDESCRIPTION: News, Hintergründe und Fakten zum Bundesliga-Wochenende. Alle wichtigen Infos im Vorfeld der Spiele gibt es hier bei "9PLUS1".

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Kreuzer: „Der HSV ist ein geiler Verein“

SPORT1: Welche Fehler haben Sie damals gemacht?

Kreuzer: Die Verpflichtung von Bert van Marwijk war unglücklich. Ein Top-Trainer und Mensch, aber letztendlich konnten wir mit ihm keine Ergebnisse erzielen. Mirko Slomka hat es schließlich geschafft, den HSV in der Bundesliga zu halten. Am Ende hinterfragt man sich immer, ob Trainer- oder Spielerentscheidungen richtig oder falsch waren. Trotzdem bleibe ich dabei: Um einen Verein wie den HSV wieder auf Kurs zu bringen und zu stabilisieren, reichen keine zwölf Monate oder eine Transferperiode. Das ist ein längerer Prozess, wie ja auch aktuell wieder zu sehen ist.

SPORT1: Spüren Sie da Genugtuung?

Kreuzer: Überhaupt nicht. So bin ich nicht. Ich bin heute noch großer HSV-Fan, wenn es auch einige KSC-Fans nicht gerne hören. Aber wenn du mal bei diesem Verein gearbeitet hast, dann magst du diesen Klub und die Menschen in Hamburg einfach. Der HSV ist ein geiler Verein.

SPORT1: Warum schafft es der HSV nicht aufzusteigen?

Kreuzer: Es wird immer erzählt, dass da jeder sein eigenes Süppchen kocht. Aber das ist nicht so. Im Prinzip hätte man schon zweimal aufsteigen müssen In Heidenheim 2020 mit Dieter Hecking war der HSV schon fast aufgestiegen und trotzdem hat es nicht geklappt. Die Mannschaft hat Qualität und in den vergangenen Jahren ist im Vergleich zu meiner Zeit auch eine gewisse Ruhe eingekehrt. Man hat es auch mit allen möglichen verschiedenen Trainer versucht. Die Heimspiele sollten eigentlich ein Faustpfand sein, aber in den vergangenen Jahren war dies in den entscheidenden Momenten eher eine Belastung. Zu meiner Zeit hat man immer gesagt: ‚Die Stadt ist zu schön und der HSV steigt nicht auf, weil es den Spielern zu gut geht.‘ Irgendwie liegt ein böser Fluch über dem HSV.

Verlässt Hofmann den KSC?

SPORT1: Philipp Hofmann bekam vor den vergangenen beiden Spielzeiten keine Freigabe von Ihnen. Sein Vertrag läuft aus und er wird von vielen Erstligisten umworben. Ist er überhaupt zu halten?

Kreuzer: Ich habe bis jetzt nichts vernommen, dass ein Verein Philipp verpflichtet hat. Ich habe mit Hoffi ein richtig enges Verhältnis und wir sind so verblieben, dass er mich vorher informiert, wenn sich da etwas anbahnt mit einer Vertragsunterschrift. Natürlich würden wir ihn gerne behalten. Es hat sich gezeigt, dass es richtig war, ihn nicht gehen zu lassen, denn er hat in 100 Pflichtspielen für den KSC 50 Tore erzielt. So einen Spieler bekommst du nicht einfach wieder so. Jetzt aber haben wir das Heft des Handelns nicht mehr in der Hand. Er kann nun entscheiden, was er machen will. Ich weiß, dass die Bundesliga sein großer Wunsch ist. Das hat er mir oft gesagt. Und es gibt auch Anfragen.

SPORT1: Der VfL Bochum will ihn unbedingt haben.

Kreuzer: Anscheinend. Es sieht nach einem möglichen Abschied aus. Aber noch hat kein Verein eine Einigung mit Hoffi verkündet. Einen Funken Resthoffnung verliere ich nie. Es sieht aber alles nach einem Wechsel aus.

SPORT1: Wie geht‘s aus am Samstag?

Kreuzer: Es wird eine ganz enge Kiste. Auch wenn wir einige Ausfälle zu beklagen haben, werden wir hochmotiviert sein, um dieses Spiel zu gewinnen. Für den HSV geht es wirklich um die allerletzte Chance.

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Reinhard Franke, Jahrgang 1972, gelernter Verlags- und Musikkaufmann. Nach acht Jahren als Musikredakteur beim Axel Springer Verlag in München anschließend von 2008 bis 2014 Freier Mitarbeiter in der...