Es ist das Nervenkitzel-Spiel an diesem Wochenende. Hertha BSC als Tabellensechzehnter empfängt Borussia Mönchengladbach auf Platz 13 zum Krisenduell. Bundesliga: Borussia Mönchengladbach – Hertha BSC, Sa., ab 18.30 Uhr im LIVETICKER).
Zur völlig verkorksten Saison seiner beiden Ex-Klubs spricht Thorben Marx bei SPORT1 Klartext. Der gebürtige Berliner spielte 1999 bis 2006 als Profi bei Hertha, von 2009 bis 2015 in Gladbach und ärgert sich vor allem über die vielen Egoisten in beiden Teams.
SPORT1: Herr Marx, wie entscheidend ist der Krisengipfel zwischen Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach am Samstag? (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Thorben Marx: Es ist das wohl wichtigste Spiel in dieser Saison für beide Mannschaften. Beide Klubs stehen in der Tabelle dort, wo sie nicht stehen wollen und auch nicht stehen dürfen. Beide spielen eine komplett schlechte Saison. Für Hertha ist das Spiel noch wichtiger als für die Gladbacher. Die Borussia könnte sich mit einem Sieg etwas Luft im Tabellenkeller verschaffen. Hertha braucht jeden Punkt.
Korkut ein Fehlgriff? „Nichts rausgeholt“
SPORT1: Tayfun Korkut hat es nicht hinbekommen die Hertha in die Spur zu kriegen. Wie denken Sie über ihn?
Marx: Tayfun Korkut hat mich überhaupt nicht überzeugt. Er hat aus der Mannschaft nichts rausgeholt. Das sieht man auch an der Punkteausbeute, daran muss er sich messen lassen. Der Trainerwechsel von Pál Dardai zu Korkut hat einfach nicht funktioniert. Die Mannschaft hat sich nicht weiterentwickelt. Unter Dardai war die Hertha sogar noch etwas stabiler. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
SPORT1: Der frühere Bundesliga-Profi Steffen Freund sagte im STAHLWERK Doppelpass, dass Korkut noch nie gezeigt hat, dass er es draufhat. Sehen Sie das ähnlich?
Marx: Mich hat es schon gewundert, dass Korkut Trainer bei der Hertha geworden ist. Ich habe immer wieder gehört, dass er ein gutes Fachwissen hat und dass er gute Ansprachen hält, aber davon sieht man bei der Hertha bisher nichts. Er hat bei seinen früheren Vereinen nie über längere Zeit Erfolg gehabt.
SPORT1: Können Sie nachvollziehen, dass Fredi Bobic an ihm festhält?
Marx: Bobic und Korkut kennen sich schon lange aus der Stuttgarter Zeit, da wird sich Bobic schon etwas gedacht haben. Aber das mit Korkut funktioniert einfach nicht.
SPORT1: Ist Bobic gescheitert?
Marx: Bobic ist noch nicht gescheitert. Er hat leider einen Kader vorgefunden, der sehr schlecht zusammengestellt war. Da ist kein Potenzial vorhanden, um in der Liga weiter oben zu spielen. Bobic braucht noch etwas Zeit. Es war sicher für ihn verdammt schwer, da reinzukommen, wo es nicht harmoniert. Ein Kader-Umbruch wird im Sommer stattfinden. Ich würde mir wünschen, dass Bobic Zeit bekommt.
Korkut-Ausraster? „Wortwahl war grenzwertig“
SPORT1: Korkut ist am Dienstag im Training ausgerastet. Er schrie seine Spieler an: „Scheißt auf mich! Scheißt auf mich! Ich will, dass ihr gewinnt. Es ist eure Zukunft, nicht meine Zukunft!“ Ist das die Lösung?
Marx: Ich kann es nachvollziehen, dass Korkut im Training auch mal eine andere Ansprache hält, mit der keiner gerechnet hat. Die Wortwahl war grenzwertig, das kann man auch in der Kabine machen. Das war der letzte Versuch, die Mannschaft nochmal wachzurütteln. Aber Korkut muss alles versuchen, will nochmal andere Reize setzen.
SPORT1: Oder sieht man, dass er mit seinem Latein am Ende ist?
Marx: Das weiß ich nicht, aber als Trainer hast du es sehr schwer, wenn du spürst, dass es einfach nicht klappt und wenn viele Egoisten im Team sind. Die Mannschaft ist auch das Problem. Es wurden schon mehrere Trainer verschlissen. Jetzt müssen die Jungs zeigen, dass sie ein Team sind. Gegen Gladbach ist es für Korkut das entscheidende Spiel. Wenn die Hertha nicht gewinnen sollte, wird Korkut danach nicht mehr Trainer sein. Er ist dann nicht mehr tragbar. Die Stimmung in Berlin um den Verein ist sehr schlecht. Es wird die letzte Chance für Korkut sein. Ich weiß nur nicht, wer gerade auf dem Markt ist, der die Hertha voranbringen könnte.
SPORT1: Der Ton zwischen Hertha und Investor Lars Windhorst wird jedenfalls rauer. Dessen Sprecher stellte jetzt recht unverhohlen die Machtfrage im Verein.
Marx: Für die Außendarstellung ist es eine Katastrophe und sorgt für noch mehr Unruhe im Verein. Es ist gerade eine sehr kritische Situation für die Hertha. Sie müssen aufpassen, dass der Klub nicht auseinanderfällt. Das Problem ist auch, dass dem Verein im Abstiegsfall Generationen verloren gehen. Und der Mannschaft werden mit solchen Sachen immer wieder Alibis gegeben. Der Investor sieht gerade nur sein Investment und nicht das Wohl der Hertha.
Marx zu Gladbach: „Tödlich für eine Mannschaft“
SPORT1: Wie sehen Sie Gladbach?
Marx: Ähnlich wie die Hertha. Es stimmt nicht im Team. Da denken viele Spieler mehr an sich als an den Klub. Bei einigen läuft der Vertrag aus. Dann denken Profis noch mehr nur noch an sich. Das ist tödlich für eine Mannschaft. Es entstehen schnell Grüppchen. Im Kader schlummert viel Potenzial, wenn man die einzelnen Spieler betrachtet, aber innerhalb der Truppe ist es zuletzt immer schwieriger geworden. Borussia Mönchengladbach lebte immer von seinem tollen Teamgeist und Zusammenhalt im gesamten Klub. Davon ist nichts mehr zu sehen.
SPORT1: Adi Hütter hat es auch nicht geschafft die Wende zu schaffen. Warum hat er solche Probleme?
Marx: Ich bin überrascht, dass das mit Adi Hütter bisher noch nicht funktioniert hat. Aber auch in Gladbach ist das größere Problem, dass es im Team nicht stimmt. Dafür ist natürlich Hütter verantwortlich, aber man kann nicht in die Köpfe der Spieler schauen. Bei ungeklärten Vertragssituationen wird es für jeden Trainer schwierig. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
SPORT1: Was macht Hütter falsch?
Marx: Viele Spieler bei Borussia rufen nicht ihr komplettes Potenzial ab. Da kann man immer dem Trainer die Schuld geben, bei gewissen Dingen stimme ich dem auch zu. Man hat es bei Flo Neuhaus gesehen, der von einer auf die andere Position geschoben wurde, obwohl er vorher sehr gut gespielt hat. So etwas verunsichert einen Spieler. Hütter hat immer noch nicht seine taktische Ausrichtung gefunden, was aber auch daran liegen kann, dass einige Spieler unter ihrem Niveau spielen. Wie bei der Hertha gibt es auch bei der Borussia viele Typen, die sehr egoistisch sind. Damit umzugehen, ist immer schwierig. Im Sommer muss man sich bei Borussia von einigen Spielern trennen.
„In Gladbach liegen die Nerven blank“
SPORT1: Ohne Max Eberl wurde es nicht einfacher für Hütter, aber Christoph Kramer fand nach der Pleite beim VfB auch deutliche Worte, sprach von Grüppchen-Bildung und dass es tausend Baustellen gibt. Liegen auch hier die Nerven blank?
Marx: Max Eberl fehlt. Es ist sicherlich für die Klub-Bosse nicht einfacher geworden ohne ihn. Wie Max mit Spielern gesprochen hat und wie er mit ihnen umgegangen ist, das hat sich schon sehr auf die Mannschaft und jeden Einzelnen ausgewirkt. Allerdings war Max in dieser Saison auch da und es lief trotzdem nicht. Ich stimme Chris Kramer zu. Bei Borussia gibt es Grüppchen-Bildung. Viele konzentrieren sich nicht auf den Verein. In Gladbach liegen die Nerven blank. Sie dürfen sich nicht mehr viele Ausrutscher erlauben. Diese Saison ist verdammt gefährlich für Gladbach und Hertha.
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Gladbach-Trainer Adi Hütter fällt nach einem positiven Corona-Test für das Spiel am Samstag gegen Hertha BSC aus. Sportdirektor Roland Virkus blickt dennoch positiv auf die Partie.
SPORT1: Steigt der Verlierer des Keller-Duells ab?
Marx: Ich glaube nicht, dass Gladbach absteigt. Dafür ist zu viel Potenzial da, auch wenn sie das bisher nicht abgerufen haben. Ich traue ihnen aber den Klassenerhalt eher zu als der Hertha. Die Borussia ist besser als drei andere Mannschaften. Für Hertha wird es sehr schwer. Für die Alte Dame geht es bis zum letzten Spieltag um alles.
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