Wenn am Samstag der 1. FC Kaiserslautern den 1. FC Magdeburg (3. Liga, ab 14 Uhr im LIVETICKER) empfängt, kommt es zum Duell der Superlative. Die Pfälzer stellen die beste Defensive, das Team von der Elbe verfügt über den besten Angriff. Es ist das Duell Erster gegen Zweiter. (DATEN: Die Tabelle der 3.Liga)

Magdeburgs Trainer Christian Titz, der von März bis zum Oktober 2018 auch mal Trainer des Hamburger SV war, rettete den FCM in der vergangenen Saison noch vor dem Abstieg. Nun ist er mit seinem Team auf dem besten Weg in die 2. Liga. Vor dem Spiel am Betzenberg spricht der 50-Jährige im SPORT1-Interview.

SPORT1: Herr Titz, wie fühlen Sie sich gerade? Sie rocken seit Saisonstart die 3. Liga und es fühlt sich an wie ein kleines Märchen, oder?

Christian Titz: Ich fühle mich als Trainer in Magdeburg wohl. Das liegt daran, dass ich vom ersten Tag an sehr gut aufgenommen wurde und mit meinem Trainerteam prima arbeiten kann. Ich bin hier auf ein Team gestoßen, das enorm willig ist, mitzieht und Erfolg haben will. Jeder bei uns möchte den maximalen Erfolg.

SPORT1: Aber was ist denn das Erfolgsgeheimnis, dass es so nach vorne geht? Beim HSV und in Essen hatten Sie doch sicher auch gute Leute um sich herum.

Titz: Wir haben kein Geheimnis, sondern versuchen, in der Gruppe gut zusammenzuarbeiten. Dabei sind Faktoren wie Vertrauen und Zuverlässigkeit wichtige Eigenschaften. Das wurde hier vom ersten Tag an gelebt, auch, als die ersten drei Spiele verloren wurden. Da verfiel keiner in Unruhe. Unsere Mannschaft ist eine eingeschworene Gemeinschaft. Wir versuchen den Teambuilding-Gedanken hochzuhalten. Bei uns gibt es keine Grüppchenbildung. Das ist nicht immer einfach, ich weiß das aus Erfahrung. Du brauchst auch mal das Glück, dass die Typen so gut zusammenpassen.

SPORT1: Was ist noch ein Grund für den Erfolg in Magdeburg?

Titz: Wir konnten im vergangenen Sommer den Großteil des Kaders zusammenhalten und mit einigen talentierten Spielern verstärken, die dann direkt eingeschlagen haben. Und es ist eine unglaublich hohe Bereitschaft für das Spiel gegen den Ball vorhanden. Es wird bei uns gerne auf die Offensive geschaut, aber wir haben beim Aufbau der Rest-Verteidigung und im Gegner-Pressing eine hohe Disziplin im Kader. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 3. Liga)

Titz: „Bin ruhiger, gelassener und diplomatischer geworden“

SPORT1: Worin unterscheidet sich der HSV-Trainer Titz vom RWE-Trainer Titz und jetzt vom FCM-Trainer Titz?

Titz: Ich werde jetzt vielleicht anders wahrgenommen, was dann aber auf die Tabellenposition zurückzuführen wäre. Ich bin im Vergleich zu meinen vorherigen Trainer-Stationen grundsätzlich der gleiche Trainer geblieben. Man entwickelt sich als Fußballtrainer aber natürlich immer weiter und mit zunehmendem Alter bin ich ruhiger, gelassener und diplomatischer geworden. In Magdeburg sind wir in eine Konstellation reingekommen, die uns ein Jahr lang sehr konstant punkten lässt. Auch bei meinen anderen Stationen haben meine Teams regelmäßig gut gepunktet.

SPORT1: Spüren Sie etwas Genugtuung gegenüber Ihren Kritikern beim HSV?

Titz: Nein. Im Fußball gibt es mal positive, mal negative Momente. Ich will gar nicht zurückschauen. Ich habe gerne beim HSV und bei RWE gearbeitet. Jetzt aber bin ich in Magdeburg und dieser Aufgabe gilt meine ganze Konzentration.

SPORT1: Als sich damals beim HSV eine Trennung abzeichnete, hatte der mediale Druck erheblichen Anteil an Ihrer Entlassung. Genießen Sie es deshalb jetzt umso mehr?

Titz: Könnte man meinen, es ist aber nicht so. Ich weiß, dass das zum Geschäft dazu gehört. Wenn wir demnächst einige Spiele hintereinander verlieren würden, könnte sich das Echo in den Medien auch verändern, was meine Person angeht. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir an dem eingeschlagenen Weg festhalten.

SPORT1: Gab es aber nicht doch etwas, was Sie bewusst geändert haben an sich?

Titz: Natürlich habe ich nach den Vereinswechseln etwas verändert. Weniger als Person, aber schon von der Art, wie wir Fußball spielen möchten. Da muss ich schauen, welche Spielertypen habe ich zur Verfügung, wie sind die tabellarische Situation und die Zielsetzung des Vereins. Als ich nach Magdeburg kam, ging es nur um den Klassenerhalt, jetzt spielen wir weiter oben mit. Fußball ist ein Prozess, der sich ständig verändert, also muss man sich als Trainer darauf einstellen und anpassen.

Drei Ex-HSV-Profis bei Magdeburg

SPORT1: Mit den Spielern Tatsuya Ito, Tobias Knost und Moritz Kwarteng haben Sie schon beim HSV in der Jugend zusammengearbeitet. Nun spielen die drei in Magdeburg. Warum so viele Ex-HSVer?

Titz: Das ist teilweise auch einer besonderen Situation geschuldet. In der Rückrunde der alten Saison mussten wir einige Spieler aus der U19 nominieren, weil wir die U23-Regelung sonst nicht hätten erfüllen können. Und da war uns zu Saisonbeginn klar, dass wir mehrere Spieler in dieser Alterskategorie holen werden und Tobi Knost ist ein Spieler, der dies erfüllt und zudem auf der Innen- und auf der Außenverteidiger-Position spielen kann. Im Winter Transfers zu machen, ist allerdings schwierig. Außerdem hatten wir ein funktionierendes Mannschaftsgefüge, das wir nicht verändern wollten. Es mussten also Jungs sein, die sich schnell mit unserer Spielweise identifizieren können. Und bei „Tatsu“ und „Momo“ hat es einfach gepasst. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 3. Liga)

SPORT1: Ito wurde damals beim HSV sehr gehypt. Warum hat seine Karriere so eine Delle bekommen?

Titz: Im Fußball ist das leider manchmal so. Da spielen viele Faktoren eine Rolle. „Tatsu“ ist schon ein spezieller Spieler, der in den engen Räumen im Eins gegen eins seine besonderen Momente hat. Es kann aber immer mal sein, dass man nicht so gute Phasen hat. Aber ich wusste um seine Qualitäten und das hat uns dann schnell geholfen. Er hat bei uns neues Selbstbewusstsein bekommen und ist derzeit ein absoluter Gewinn für unser Spiel.

SPORT1: Aber offenbar funktioniert dieser Spieler nur bei Ihnen. Was erhoffen Sie sich weiter von ihm?

Titz: (lacht) Da muss ich widersprechen. „Tatsu“ hat sein Debüt beim HSV unter meinem Vorgänger gegeben. Da hat er auch schon für Furore gesorgt und gezeigt, dass er auch woanders funktioniert. Bei einem Spieler kann es aber wie gesagt auch mal eine Phase geben, die etwas schwieriger ist, sei es durch eine Verletzung oder ein Leistungstief und plötzlich geht die Karriere in eine andere Richtung. Ich kenne ihn und habe eine gute Beziehung zu ihm. Für uns hat der Transfer Sinn ergeben, weil wir Qualität dazu bekommen haben und er einfach zu uns passt.

Der 1. FC Magdeburg konnte Verfolger Saarbrücken in einer sehenswerten Partie mit hohem Tempo auf Abstand halten und feierte den achten Sieg aus zuletzt zehn Spielen.

Der 1. FC Magdeburg konnte Verfolger Saarbrücken in einer sehenswerten Partie mit hohem Tempo auf Abstand halten und feierte den achten Sieg aus zuletzt zehn Spielen.

Titz schwärmt von Atik

SPORT1: Baris Atik ist ein Spieler, der unter Ihnen aufgeblüht ist. Trauen Sie ihm die 2. Liga zu?

Titz: Baris ist ein Spieler, der ein großes Potenzial hat, das auch höherklassig zur Geltung kommen kann, weil er mit seinen Eins-gegen-eins-Situationen, seiner Spielintelligenz, seinem Passspiel und seinem Torabschluss eine Qualität hat, die für die 3. Liga momentan schon außergewöhnlich ist. Er hat auch in der Vergangenheit bereits höherklassig gespielt. Er hatte eine schwere Verletzung, aber er wollte unbedingt. Für uns war dieser Spieler ein Glücksgriff. Baris ist inzwischen zu einer Führungspersönlichkeit gereift.

SPORT1: Hatten Sie eigentlich mal einen Karriereplan?

Titz: Nein. Aber außer dass ich als kleines Kind wie viele andere davon geträumt habe, dass ich mal Spieler und Trainer werden möchte. (lacht) Dass ich die Möglichkeit bekommen habe, mein Hobby zum Beruf machen zu können, macht mich unglaublich zufrieden. Ich bin ein sehr glücklicher Mensch, weil ich das machen darf, was nur wenigen möglich ist. Auch hier braucht man Glück, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein und auf die richtigen Menschen zu treffen. Das hatte ich im Laufe meiner Karriere einige Male, dass die Konstellation eingetreten ist.

SPORT1: Ist es Ihnen eigentlich egal, ob Sie in der ersten, zweiten, dritten Liga arbeiten oder im Jugendbereich tätig sind?

Titz: Von jedem Trainer ist es doch das Ziel, das Höchstmögliche anzustreben. Das ist ein normaler Ehrgeiz. Ich bin mit Leib und Seele Trainer, es hat mir in der Vergangenheit aber ebenso Spaß gemacht, eine Jugendmannschaft zu trainieren, wie in der ersten, zweiten oder dritten Liga.

Titz: „Cruyff war beim FC Barcelona seiner Zeit voraus“

SPORT1: Wer ist für Sie der beste Trainer und an wem haben Sie sich orientiert? In Deutschland oder weltweit…

Titz: Ich kann von einem prägenden Erlebnis erzählen, das bereits weit zurückliegt. Da war ich noch Spieler gewesen, hatte aber bereits mit 15 eine Kindermannschaft trainiert. Ich komme aus einer Fußball-Familie und mein Vater, mein Bruder und mein Onkel haben auch als Trainer gearbeitet. Zu der Zeit war Johan Cruyff Trainer beim FC Barcelona und er war für mich seiner Zeit weit voraus. Er war ein außergewöhnlicher Trainer, wie er den Fußball geprägt hat. Vieles von dem sehen wir in der heutigen Zeit noch viel stärker.

SPORT1: Am Samstag geht es auf den Betzenberg. Wie beeindruckt sind Sie von der Auferstehung des FCK?

Titz: Es freut mich für die Region und für den Verein. Ich bin in der Nähe aufgewachsen und war mit meinem Papa als Kind auch auf dem Betzenberg. Damals sah das Stadion noch etwas anders aus. Aber natürlich kenne ich die Atmosphäre dort. Ich finde es übrigens schade, dass am Samstag nur 10.000 Zuschauer aufgrund der Corona-Regeln erlaubt sind. Wenn man sieht, wie die Mannschaft in die Saison gestartet ist, wie sie sich jetzt stabilisiert hat, wie sie vor allem in der Defensive enorm stark verteidigt, sehr diszipliniert mit ihrer Fünferkette und dem Sechser davor, dann ist das bemerkenswert.

SPORT1: Welchen Spieler vom FCK hätten Sie gerne?

Titz: Ich bin mit meinen Spielern sehr zufrieden, aber der FCK spielt mit seiner Mannschaft bisher eine erfolgreiche Saison. Aber auch in diesem Spiel wollen wir versuchen, an unsere Leistungen der vergangenen Wochen anzuknüpfen.

Reinhard Franke, Jahrgang 1972, gelernter Verlags- und Musikkaufmann. Nach acht Jahren als Musikredakteur beim Axel Springer Verlag in München anschließend von 2008 bis 2014 Freier Mitarbeiter in der...