Sebastian Polter hat allen Grund zur Freude. Vor dem zweiten Spieltag der aktuellen Saison verpflichtete ihn der VfL Bochum – und diese Liaison passt wie die Faust aufs Auge. In der vergangenen Spielzeit war der Stürmer noch für den niederländischen Erstligisten Fortuna Sittard aktiv. In Bochum erfüllte sich für den 31-Jährigen nochmal der Traum, Bundesliga spielen zu können.
Mit Erfolg: Der Verein belegt Platz zehn, Polter traf bisher fünf Mal. Vor dem Derby gegen Borussia Dortmund (Bundesliga: VfL Bochum – Borussia Dortmund, Sa., 15.30 Uhr im LIVETICKER) spricht der gebürtige Wilhelmshavener im SPORT1-Interview über den VfL, seinen emotionalen Torjubel und BVB-Superstürmer Erling Haaland.
SPORT1: Herr Polter, der VfL steht auf Platz zehn – mit beachtlichen 19 Punkten. Damit liegt Bochum vor Klubs wie Leipzig, Frankfurt und Gladbach. Wie breit ist die Brust? (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
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Sebastian Polter: Sehr breit. Am Anfang der Saison haben wir eine Phase durchlebt, in der wir uns an die Bundesliga anpassen mussten. Der VfL war elf Jahre weg. Die Eingewöhnung an die Liga fiel schwerer als gedacht. Viele Spieler bei uns hatten auch noch keine Erstliga-Erfahrung und vieles war Neuland. Die Bundesliga ist anders als die 2. Liga, wenn du Fehler machst, werden sie eiskalt bestraft. Das haben wir in den ersten Wochen durchlebt. Aber wir sind alle positiv geblieben und haben uns gefunden. Und jetzt freuen wir uns über Platz zehn.
Der Erfolg des VfL Bochum hat gute Gründe
SPORT1: Was ist passiert, dass es plötzlich so gut läuft?
Polter: Wir wissen jetzt, wie wir punkten können und was wir dafür auf dem Platz bringen müssen. Das machen wir in den vergangenen Wochen sehr gut. Die Leidenschaft und die Emotionen, die wir Woche für Woche auf dem Rasen zeigen, tut uns gut und wir sind auch effizient im Umschaltspiel mit unseren Kontern und Chancenauswertungen. Anfangs wurde uns nachgesagt, dass wir nicht so effizient seien, aber auch da haben wir uns weiterentwickelt. Das ist harte Arbeit und kommt nicht von ungefähr.
SPORT1: Ist das ein Märchen für Sie, wieder in der Bundesliga zu spielen?
Polter: Schon. Als ich nach Bochum kam, habe ich für die Bundesliga total gebrannt. Wir stehen auf Platz zehn, ich habe fünf Tore erzielt. Hätte mir das vor meinem ersten Spiel für den VfL jemand gesagt, hätte ich das sofort unterschrieben. Wahrscheinlich dreimal unterschrieben. Persönlich bin ich absolut glücklich, aber ich bin ein Teamplayer und deshalb freue ich mich, dass unsere Arbeit als Mannschaft belohnt wird. Aber es ist nur eine Momentaufnahme.
SPORT1: Haben Sie sich von Anfang an beim VfL am richtigen Platz gefühlt?
Polter: Ja. Die Mitspieler mussten mich kennen lernen und ich sie. In jedem neuen Verein musst du dich als Spieler anpassen. Ich bin mehr als zufrieden mit meinen fünf Toren, vielleicht hätte ich sogar schon die eine oder andere Bude mehr auf dem Konto haben können. Da bin ich selbstkritisch genug. Aber es waren auch wichtige Tore, dadurch habe ich dem VfL zu Siegen verholfen.
Polter fühlt sich wohl beim VfL Bochum
SPORT1: Ist Ihnen die Eingewöhnung leichter gefallen, weil es beim VfL war und das ein Klub ist, bei dem ‚das Herz noch zählt, nicht das große Geld‘? Das jedenfalls singt Herbert Grönemeyer in seiner Hymne ‚Bochum‘.
Polter: Vielleicht. Unterstützung und Vertrauen ist sehr wichtig. Und beides spürte ich vom ersten Tag beim VfL. Ich habe es in unserem Interview vor meinem ersten Spiel gesagt. Ich glaube, dass ich sehr gut zum VfL passe – auch vom Charakter. Ich wusste, dass das funktionieren kann. Es werden auch Tage kommen, an denen es mal nicht so läuft, aber da ist es wichtig dieses Vertrauen zu spüren, dass ich wichtig bin für das Team. Thomas Reis hat mich immer gepusht und auch in Gesprächen wieder stark gemacht. Er hat mir einmal geraten, dass ich einfach wieder öfter auf das Tor schießen soll, und das habe ich beherzigt. Ich war immer einer, der seine Tore geschossen hat, ohne viel nachzudenken. Prompt kamen gegen Freiburg ein Tor und gegen Augsburg zwei Treffer.
SPORT1: Das 0:7 bei den Bayern war ein Nackenschlag. Was ist danach passiert?
Polter: Ich habe nach dem Spiel gedacht, dass es in dieser Runde eng werden kann für uns. Doch richtig gezweifelt habe ich nie. Dennoch tat das natürlich weh. Es war auch das erste Mal, dass ich in dieser Höhe verloren habe. Ich war aber auch schnell wieder zuversichtlich und habe an die Qualität im Kader geglaubt. Wir haben zwar hoch verloren, aber es waren am Ende des Tages auch nur drei Punkte. Wir sind offen, ehrlich und kritisch mit dieser Klatsche umgegangen. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
SPORT1: Wie erleben Sie Thomas Reis in den ersten Wochen? Es ist ja für ihn als Trainer die Premiere-Saison in der Bundesliga. Wurde er von Woche zu Woche sicherer?
Polter: Das weiß ich nicht. Es war auch für ihn eine neue Liga und eine neue Situation, an die er sich gewöhnen musste. Er ist bisher beim VfL sehr erfolgreich und durch diese Phase musste auch das Trainerteam durch. Und deshalb haben wir uns als Team gefestigt. Wir haben uns diese 19 Punkte erarbeitet und können stolz darauf sein. Wir haben immer an uns geglaubt, haben auch in den Wochen, in denen wir verloren haben, immer zusammengehalten. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Sebastian Polter liebt den Kampf auf dem Platz
SPORT1: Sie hatten es in der Anfangsphase der Saison nicht immer leicht. Beim 2:0 gegen Eintracht Frankfurt haben Sie dann wieder getroffen und wurden von Ihren Emotionen übermannt. Warum war das so?
Polter: Das war ein sehr wichtiges Spiel. Zudem war es für mich sehr kraftraubend, weil ich gegen drei Innenverteidiger spielen musste, bei denen ich vor jedem Zweikampf dachte ‚Gleich fällst du um und kannst nicht mehr aufstehen‘. Aber ich liebe es, solch einen Kampf auf dem Platz zu zeigen. Und dann wurde ich in der letzten Minute mit meinem Tor belohnt. Ich hatte beim Torjubel schon Tränen in den Augen. Und hinterher kamen die Emotionen raus.
SPORT1: Sie haben sich vor der Ostkurve auf die Knie fallen lassen, ehe Sie sich bäuchlings auf den Rasen gelassen haben und dort liegen geblieben sind. Wie würden Sie erst ein Tor gegen Ihren Ex-Klub Union Berlin feiern? Das Spiel steht bald an.
Polter: Ich würde einen Treffer gegen Union nicht bejubeln. Ich weiß die viereinhalb Jahre dort sehr zu schätzen und möchte die vielen schönen Momente in Berlin nicht missen. Natürlich will ich das Spiel gewinnen, aber ich werde nicht jubeln. Das Jubeln dürfen dann die anderen zehn Spieler übernehmen. Die Liebe zu Union hat sich entwickelt. Ein Torjubel gegen die Eisernen würde sich nicht richtig anfühlen.
Polter schwärmt von Riemann
SPORT1: Sie haben an sechs Spieltagen nicht getroffen. Wie sehr zehrt das an Ihnen und kriegt das die Familie mit?
Polter: Na klar. Ich hatte schon einige schlechte Tage – gerade nach den Spielen, wenn ich mal nicht getroffen habe. Ich definiere mich selbst aber nicht nur über das Tore schießen. Für mich ist ein Sieg immer wichtig für das Team. Auch über einen Assist oder eine gute Aktion, mit der wir das Spiel gewinnen, freue ich mich. Wenn ich aber mal eine Chance kläglich liegen gelassen habe, trauere ich dieser schon ein, zwei Tage hinterher. Und dann spreche ich mit meiner Familie darüber und sehe sie als wichtigen Rückhalt. Wir sprechen viel über solche Dinge. Am Ende ist für mich das Wichtigste, dass man sich nicht verändert.
SPORT1: Torwart Manuel Riemann ist inzwischen Kult in Bochum. Wie verrückt ist dieser Typ?
Polter: Manu passt wie die Faust aufs Auge zum VfL. Ich habe in der Vergangenheit oft gegen Mannschaften gespielt, bei denen er im Tor stand. Er gibt alles für die Truppe, ist hinten im Kasten sehr lautstark, was unglaublich wichtig ist. Er ist ein Stück weit verrückt. Das ist auch wichtig. Er ist immer ehrlich und direkt, wenn er gewisse Dinge kritisch anspricht. Etwas Negatives anzusprechen, das kann nicht jeder. Manu ist ein Riesentyp und absoluter Rückhalt.
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nCAPTION: Manuel Riemann einer der wenigen Torhüter, der mal einen Elfmeter verschoss
nDESCRIPTION: Mit seinem Elfmeter-Fehlschuss gegen Hoffenheim reiht sich Bochum-Keeper Manuel Riemann in eine Reihe prominenter Vorgänger ein.
SPORT1: Riemann erinnert manchmal an den jungen Oliver Kahn, der auch wie ein Wilder ab und zu aus seinem Kasten stürmte und seine Vorderleute anschrie.
Polter: Da ist etwas dran. Der Vergleich ist nicht ganz falsch. Ich denke immer noch an Kahns Karate-Kid-Grätsche. So etwas hat Manu noch nicht gebracht, aber eine gewisse Ähnlichkeit zu Kahn ist da. Man sagt immer, dass Torhüter und Linkssaußen verrückt sein müssen. Sagen wir mal so: Manu ist ein Kahn light. (lacht)
Bochum hat das Zeug zum Punktgewinn gegen den BVB
SPORT1: Am Samstag geht‘s gegen den BVB mit Superstürmer Erling Haaland. Über ihn spricht ganz Europa…
Polter: Zurecht. Es ist unglaublich, was für eine Athletik, Dynamik und Kaltschnäuzigkeit Haaland mit seiner Größe vor dem Tor hat. Wie er sich richtig entscheidet in schwierigen Situationen, das ist etwas, was wirklich beeindruckend ist. Er und Lewandowski können einfach in jedem Spiel Topleistungen abrufen. Die beiden fallen in kein Loch. Das ist auch eine Qualität. Ich kann mir viel von Haaland abschauen. Wir müssen versuchen, ihn in Schach zu halten. Aber wir spielen gegen Borussia Dortmund und nicht gegen Borussia Haaland. Wir müssen versuchen, unser Spiel durchzukriegen. Ein Punkt wäre toll. Das wird schwer genug.
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SPORT1: Werden Sie hinterher mit Haaland das Trikot tauschen?
Polter: Nein. Das ist mir nicht so wichtig. Doch ich habe schon viele Anfragen von Freunden, die mich darum gebeten haben, ihnen das Trikot von Haaland zu besorgen. Aber ich werde das Trikot nicht mit ihm tauschen.