Das Wörtchen eklig hat ja nicht unbedingt den allerbesten Leumund. Eklig halt. Im Zusammenhang mit Fußball verfügt das Attribut eklig aber auch über eine wohlwollende Bedeutung. Eine eklige, unangenehme Spielweise hat durchaus ihren Reiz.
Wenn also Bayerns Torhüter Manuel Neuer davon spricht, dass Atletico Madrid, der Halbfinalgegner des FC Bayern am Mittwoch in der Champions League (LIVE und kostenlos in voller Länge in unserem Sportradio SPORT1.fm und im LIVETICKER), „eklig zu spielen“ sei, dann ist das vor allem ein Kompliment für die Mannschaft um Trainer Diego Simeone, dem schwarzen Magier des Weltfußballs.
Elf Simeones müsst ihr sein
Der Argentinier – besondere Kennzeichen: schwarzes Hemd, schwarze Hose, schwarzer Mantel, reichlich Gel in der schwarzen Betonfrisur – hat bei Atletico seit 2011 eine Mannschaft nach seinem Antlitz geformt: Ein Team aus eigentlich feinen Fußballern, das aber trotzdem grätscht, kratzt, beißt und ein so engmaschiges Defensivnetz aufbaut, dass es den Gegnern jegliche Lust aufs Zaubern verleidet.
Atletico unter Simeone, das ist die ganz große Fußballkunst italienisch-argentinischer Prägung: notorisch destruktiv, total stabil und nervenstark – gegen PSV Eindhoven kam Atletico im Achtelfinale im Elfmeterschießen erst nach dem 16. Versuch weiter. Dazu ist die Mannschaft immer in der Lage, die Gegner durch irrwitzige Tempowechsel zu überrumpeln.
Die Offensive hat künstlerisches Talent
Doch Atletico ist eben keine Mannschaft von Rumpelfüßern. Die jungen Flügelspieler Koke (24) und Saul Niguez (21) und die beiden Stürmer Antoine Griezmann und Philipp-Lahm-Schreck Fernando Torres (EM-Finale 2008!) haben künstlerisches Talent – und wehe, wenn sie losgelassen! Aber auch sie machen klaglos mit bei Simeones aggressiver Einschnürtaktik.
Gelbe Karten sammelt die Mannschaft gerne. 111 waren es bisher, fast doppelt so viele wie Bayern (64) kassierte. Simeones Jünger gehen durchaus rabiat, aber selten wirklich unfair zu Werke. Nur eine Rote Karte für Linksverteidiger Filipe Luis steht in dieser Saison bisher in der Statistik. Dazu kommen noch drei Gelb-Rote Karten – absolut im Maß.
Schmutzige Tricks sind Chefsache
Richtig dreckig agieren die Spieler auch nicht, die meisten Fouls sind taktischer Natur. Die schmutzigen Tricks hat Simeone, das spricht für ihn, zur Chefsache erklärt.
Für unfaire Aktionen sind vor allem er und sein Co-Trainer und Bruder im Geiste German Burgos zuständig. Wenn die beiden nicht gerade lamentieren, fangen sie Streit an – mit jedem, der sonst noch so an der Seitenlinie herumsteht. Oder sie sorgen für Unvorhersehbares.
Ob Simeone letztes Wochenende beim Sieg gegen Malaga einen Balljungen dazu anstachelte, einen zweiten Ball aufs Spielfeld zu werfen, um einen Konter zu unterbinden, darüber diskutiert gerade halb Spanien.
Simeone musste jedenfalls auf die Tribüne, ihm droht eine Sperre von drei Spielen. Für die Aktion entschuldigt hat er sich nicht. Anders als er 2014 im Supercup dem Vierten Offiziellen eine Ohrfeige verpasste und sogar für acht Spiele gesperrt wurde.
Co-Trainer beschimpfte Roger Schmidt
Simeones Co-Trainer Burgos steht seinem Chef da in nichts nach. Burgos war mal ein ganz ordentlicher Torwart, brachte es in der argentinischen Nationalmannschaft auf 35 Einsätze, erreichte aber in seiner Heimat noch größere Popularität mit seiner Rockband, die den schönen Namen „Simpatia“ trägt.
Leverkusens Trainer Roger Schmidt kennt Burgos vor allem als jenen Mann, der ihn an der Seitenlinie als „Stricher“ beschimpft hat. 2015 war das, beim 1:0-Sieg Leverkusens im Achtelfinale. Drei Jahre zuvor drohte Burgos dem damaligen Real-Trainer Jose Mourinho: „Ich reiße dir den Kopf ab!“
Eklig? Unbedingt. Ganz ohne positive Konnotation.