Wenn man in Deutschland den Namen Frank Mill hört, denkt man zuallererst an einen Fußballer, der auf ein leeres Tor zuläuft und nur den Pfosten trifft.

Von diesem einen Fauxpas abgesehen, war Mill übrigens ein hervorragender Torjäger. Und dieser Tage könnte er in die Geschichte eingehen als der Mann, der entscheidenden Anteil daran hat, dass der deutsche Fußball ein neues Kapitel bei Olympia schreibt.

Ein Punkt im letzten Gruppenspiel der U21-EM gegen Gastgeber Tschechien (ab 20.45 im LIVETICKER, Highlights ab 23 Uhr im TV auf SPORT1) reicht dem Team von Horst Hrubesch, um die Qualifikation für Rio 2016 perfekt zu machen (So kommt Deutschland weiter: die Lage in Gruppe A).

Mill schwärmt Hrubesch von Olympia vor

Und dass Hrubesch nach dem EM-Titel 2009 vor einem weiteren großen Erfolg mit den DFB-Junioren steht, ist zu großen Teilen Mill zu verdanken.

„Nach dem, was ich alles gehört habe von vielen Sportlern, auch von Frank Mill, der Olympia gespielt hat, hat mich das einfach fasziniert“, sagte Hrubesch am Montag in Prag und erklärte, dass die Aussicht auf Olympia „der ausschlaggebende Grund“ für seine Rückkehr zur U21 gewesen sei.

Bei SPORT1 erzählt Mill, wovon er seinem einstigen Mitspieler und Vorgänger als Torjäger bei Rot-Weiss Essen so vorgeschwärmt hat.

„Starke Truppe“ mit Häßler, Klinsmann und Co.

„Das war eine schöne Zeit“, sagt Mill über seine Olympia-Erfahrungen: „Wir hatten eine gute Mannschaft, vor allem 1988. Icke Häßler war dabei, Jürgen Klinsmann, Kalle Riedle. Uwe Kamps stand im Tor. Da hatten wir eine richtig starke Truppe zusammen.“

1984 und 1988 nahm er mit Deutschland an den Olympischen Spielen in Los Angeles und Seoul teil. Mit zehn Toren für die Olympia-Auswahl und neun Einsätzen bei Olympia-Endrunden ist der 56-Jährige bis heute deutscher Rekordspieler. 1988 führte er die Mannschaft von Trainer Hannes Löhr als Kapitän zur Bronzemedaille.

Vier Jahre zuvor waren Mill und Co. von den anderen Sportlern dagegen noch belächelt worden.

Brasilien mit Taffarel und Romario

„Da kam das so ein bisschen rüber, als wenn die Teilnahme nicht so wichtig sei“, meint Mill. Nicht so wichtig? „Da haben uns die deutschen Handballer das Gefühl gegeben: ‚Ihr habt hier eigentlich nichts zu suchen.‘ 1988 war das aber schon besser, da hatten wir dann auch sechs A-Nationalspieler dabei.“

Beim Turnier 1988, erinnert sich Mill, „war Brasilien dabei, gegen die wir im Halbfinale verloren hatten, die hatten Spieler wie Claudio Taffarel und Romario in ihren Reihen. Später waren da sechs oder sieben Jungs im Team, die 1994 Weltmeister geworden sind.“

Bei einer möglichen deutschen Olympia-Auswahl 2016 könnte es genau andersherum laufen. Erst Weltmeister, dann Olympische Spiele: Diesen Plan sollen angeblich Philipp Lahm und Per Mertesacker ausgeheckt haben.

Comeback von Mertesacker und Lahm?

Der Hintergrund: Das Olympische Fußballturnier ist als U23-Wettbewerb ausgeschrieben, Stichtag für das Geburtsdatum aller Spieler in Rio ist der 1. Januar 1993. Jede Nation darf allerdings drei Spieler nominieren, die dieses Kriterium nicht erfüllen.

Brazil v Germany: Semi Final - 2014 FIFA World Cup Brazil
Brazil v Germany: Semi Final – 2014 FIFA World Cup Brazil

Das Schlupfloch für Mertesacker und Lahm – und Mill könnte sich eine Rückkehr der beiden Defensivspieler an die Stätte ihres größten Erfolges gut vorstellen: „Wenn die zwei Spaß daran haben, dann ist das doch okay. Ich habe da nichts dagegen.“

Er glaubt auch, den Grund für das Umdenken bei den beiden Weltmeistern zu wissen.

Konkurrenz aus der U21

„Olympia ist natürlich ein Turnier, das die beiden noch nicht gewonnen haben. Das ist etwas ganz anderes als eine Welt- oder Europameisterschaft“, erklärt Mill. Bei Olympia gebe es „fast alle Sportarten, und das ist schon ein tolles Erlebnis. Das kann der Reiz sein für die beiden, da noch mal teilzunehmen.“

Jonas Nohe vor Ort bei der U21-EM in Tschechien
Jonas Nohe vor Ort bei der U21-EM in Tschechien

In einem möglichen Ringen um die drei Extraplätze für Rio würden Mertesacker und Lahm allerdings starke Konkurrenz bekommen – denn auch acht aktuelle Mitglieder des U21-EM-Kaders erfüllen die Alterskriterien für Olympia nicht.

Marc-Andre ter Stegen, Bernd Leno, Julian Korb, Robin Knoche, Moritz Leitner, Yunus Malli, Felix Klaus und Kevin Volland sind allesamt vor dem 1. Januar 1993 geboren.

Endspiel um Olympia gegen Tschechien

Vor allem die Torwartrivalen ter Stegen und Leno sowie Kapitän Volland sind absolute Stützen des Teams – und hätten zudem das Argument auf ihrer Seite, mit einer erfolgreichen EM selbst zur erfolgreichen Olympia-Qualifikation beigetragen zu haben.

Noch sind all diese Gedankenspiele aber Zukunftsmusik. Am Dienstag wartet erst einmal Tschechien.

„Die Jungs müssen jetzt erst mal ins Halbfinale kommen. In der Gruppe ist noch alles möglich“, meint Mill: „Einen Punkt brauchen sie noch, und ich hoffe, dass es endlich mal wieder eine deutsche Mannschaft nach fast 30 Jahren schafft, bei Olympia dabei zu sein. Das wäre großartig. Sie sind jetzt ganz nah dran.“

Reinhard Franke, Jahrgang 1972, gelernter Verlags- und Musikkaufmann. Nach acht Jahren als Musikredakteur beim Axel Springer Verlag in München anschließend von 2008 bis 2014 Freier Mitarbeiter in der...