Von Reinhard Franke und Sebastian Mittag
München – Eine Traumsaison liegt hinter dem FC Augsburg, die neue begann nun aber mit einem Fehlschlag.
Mit 0:1 verlor die Mannschaft von Markus Weinzierl beim Regionalligisten 1. FC Magdeburg (Spielbericht).
Es ist eine Ernüchterung in der Euphorie, die die vergangene Spielzeit ausgelöst hat: Nur um einen Punkt haben die Schwaben da die Europa League verpasst.
Panik wird wegen der Pokalniederlage aber kaum ausbrechen beim FCA: Das gehört nicht zum Wesen dieses Klubs – und es ist einer der Gründe dafür, warum er seine Erfolgsgeschichte schreiben konnte.
SPORT1 hat sich vor dem Saisonstart in Augsburg mit zwei Hauptdarstellern der Erfolgsgeschichte getroffen. Mittelfeldregisseur Daniel Baier und Kapitän Paul Verhaegh sprechen im Interview den Erfolgscode ihres Vereins – und darüber, ob eine Wiederholung der Traumsaison möglich ist.
SPORT1: Herr Baier, Herr Verhaegh, der FCA hat letztes Jahr eine märchenhafte Saison erlebt. Haben Sie sich da mal gezwickt, ob das alles real war?
Daniel Baier: Das haben wir uns Woche für Woche hart erarbeitet und von daher war das alles real. Wir haben 52 Punkte geholt und sind einen Punkt an Europa vorbeigeschrammt. Es war sicher ein Traum, aber wir haben es selber erschaffen. Irgendwann war es wie im Rausch. Du bist aufs Feld gegangen und hast gedacht, dass du das Spiel gewinnen kannst, egal gegen wen. Wir wollten einfach neue Zeichen setzen und das ist uns super gelungen.
Paul Verhaegh: Es war natürlich eine Saison fast nur mit Höhen und kaum Tiefen, die man auch schwer toppen kann. Letztes Jahr hat alles gepasst. Wenn man jetzt zurückschaut, muss man sagen, dass es eigentlich unmöglich ist für den FCA, so eine Saison zu spielen und es fast in die Europa League zu schaffen.
SPORT1: Was macht den FCA in der neuen Saison aus?
Baier: Seit dem Aufstieg in die Bundesliga gab es hier nur gute Stimmung, Ruhe von oben und eine mannschaftliche Geschlossenheit. Und es hat sich nie einer über den anderen gestellt. Das ist bis heute so. Klar, die Spieler kommen und gehen, aber das Konzept ist immer das gleiche.
Verhaegh: Wir sind keine Truppe, die vorher sagt, dass wir keine Ambitionen hätten. Aber natürlich sind wir auch so realistisch zu sagen: Wir wollen erst den Klassenerhalt schaffen.
SPORT1: Kann man das den Fans nach Platz acht zuletzt verkaufen?
Verhaegh: Ich glaube schon, dass viele Fans realistisch sind. Man kann als ‘kleiner Verein’ in der Bundesliga nicht die Erwartungshaltung haben, Europa League zu spielen. Natürlich wollen wir das und wir wollen am liebsten da weitermachen, wo wir letzte Saison aufgehört haben. Aber wir haben jetzt einige Neuzugänge. Das muss auch erst einmal alles zusammenpassen.
SPORT1: Herr Verhaegh, Sie sind der Kapitän im Team. Wie versuchen Sie vor allem auf die Neuen einzuwirken?
Verhaegh: Ich glaube, es ist wichtig, den neuen Spielern mit auf den Weg zu geben, was für eine Stimmung in der Mannschaft herrscht und sie aufzunehmen, dass wir wieder als Team dastehen. Denn das hat uns in den letzten Jahren stark gemacht. Teamgeist, Laufbereitschaft, Zweikämpfe annehmen – davon leben wir doch. Das auf die Jungs zu übertragen, ist das wichtigste für einen Kapitän und die erfahrenen Spieler.
SPORT1: In Augsburg hat man das Gefühl, dass seit Jahren alles zusammenpasst. Warum?
Baier: Weil hier wirklich viel Ruhe im Verein ist. Wir hatten vorletzte Saison unter Weinzierl neun Punkte nach der Hinrunde, da hast du nichts gehört und es gab keine Brandrede und auch keine 20-Kilometer-Waldläufe. Es wurde einfach weiter ruhig gearbeitet. Mit Stefan Reuter kam dann die nötige Erfahrung und der Trainer bekam noch mehr Rückhalt. Dass das so gelaufen ist, wie in den letzten anderthalb Jahren, damit konnte keiner rechnen.
SPORT1: Keine Angst, dass der Erfolgsdruck in der kommenden Saison zu hoch ist?
Baier: Die Leute werden uns auf jeden Fall anders wahrnehmen. Rainer Calmund hat uns letztes Jahr in seiner Analyse vor der Saison mit Braunschweig nur 28 Punkte gegeben, das wird jetzt nicht mehr der Fall sein. Aber die Gegner haben schon letztes Jahr realisiert, dass wir guten Fußball spielen und tolle Spieler in der Truppe haben.
SPORT1: War die letzte Saison die beste in Ihrer Karriere?
Baier: Absolut. Ich spiele auf meiner Lieblingsposition, wir haben ein System, wo ich weiß, was zu tun ist und ich habe sehr viele Ballkontakte. Zudem kriege ich ein unfassbares Vertrauen vom Trainer. Ich bin zudem topfit, habe letztes Jahr jede Minute gespielt und fühle mich in Augsburg und im Verein pudelwohl.
SPORT1: Ist Markus Weinzierl also ein Glücksfall für Sie?
Baier: Auf jeden Fall. Er hat die Position für mich erschaffen und mir zugetragen, wie ich sie spielen soll. Ich habe ein immer besseres Gefühl bekommen und jetzt nach anderthalb Jahren weiß ich genau, was ich machen muss. Das ist alles der Verdienst vom Trainer.
SPORT1: Herr Verhaegh, Sie sind Nationalspieler der Niederlande, haben bei der WM mit Arjen Robben und Robin van Persie zusammen gespielt. Nichts gegen den FCA, aber haben Sie keine Ambitionen, noch mal zu einem großen Verein zu wechseln?
Verhaegh: Natürlich will ich mich weiter verbessern. Aber man muss auch realistisch sein: Ich bin nicht mehr 20. Ich fühle mich wohl bei diesem Verein – nicht nur sportlich sondern auch privat. Deswegen will ich nicht wechseln, nur weil die Möglichkeit besteht. Da muss schon etwas Besseres kommen.
SPORT1: Ihr Ex-Kollege Matthias Ostrzolek wechselte zum HSV. Denken Sie da zurück an Ihre verpasste Chance beim VfL Wolfsburg?
Baier: Der HSV ist natürlich ein überragender Verein. Wir wünschen Matze alles Gute. So ein Abgang schmerzt, weil er ein überragender Linksverteidiger ist. Ich hatte meine Chance in Wolfsburg, die ich aus verschiedenen Gründen nicht genutzt habe. Ich schließe es aus, dass ich nochmal in Deutschland zu einem anderen Verein wechsle.
SPORT1: Mit welchen Gedanken blicken Sie auf den Saisonstart bei 1899 Hoffenheim (Sa., ab 15 Uhr LIVE auf SPORT1.fm und im LIVE-TICKER)?
Verhaegh: Es wird nicht einfach. Wir fahren erst nach Hoffenheim und dann spielen wir zu Hause gegen Dortmund. Wir wollen unbedingt Punkte holen in den zwei Spielen.
Baier: Hoffenheim hat eine unfassbare Qualität. Sie haben sich super verstärkt. Schwegler und Szalai sind für mich zwei Top-Spieler in der Bundesliga. Man konnte zudem Volland und Firmino halten. Auch wenn da vielleicht viel Geld dahinter steckt, aber Hoffenheim hat sich das erarbeitet. Das wird ein sehr schweres Spiel.
SPORT1: War das Pokal-Aus ein Warnschuss zur rechten Zeit?
Baier: Es ist ein Warnschuss für uns alle. Es ist uns klar, dass wir uns gegen Hoffenheim erheblich steigern müssen.