Yann Sommer hat derzeit alle Hände voll zu tun.
Autogrammwünsche hier, Erinnerungsfotos dort. Gespräche mit den Fans. Alles immer mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht. Dazu das Einspielen mit den Teamkollegen. Und ganz nebenbei die Vorschusslorbeeren bestätigen, die ihm vorausgeeilt waren.
Als die Frage nach dem zweiten Gegentreffer bei der 1:3-Niederlage im letzten Testspiel gegen Athletic Bilbao kam, verschwand das Lächeln kurzzeitig. Sommer zuckte mit den Schultern und schaute ein wenig hilflos drein. Eine kurze Kritik konnte er sich schließlich nicht verkneifen.
“Er stand ja alleine da”
“Er stand ja alleine da. Er stand dreimal alleine da. Dann ist es schwierig. Das sind Szenen, die wir uns noch ganz genau anschauen müssen. Es ist aber besser, es passiert uns diese Woche als nächste”, sagte der neue Torhüter von Borussia Mönchengladbach nach der verpatzten Generalprobe.
Nun, Sommer sah beim zweiten Gegentreffer in der Tat nicht gut aus. Wie schon bei seinem ersten Testspiel in Enschede (4:1), als sein Fehlpass zum Gegentreffer führte.
Ein völlig misslungener Einstand vielleicht nicht, aber zumindest ein unglücklicher.
Denn immerhin sind besagte Vorschusslorbeeren ähnlich groß wie die Fußstapfen, in die er tritt. In Marc-Andre ter Stegen war ein waschechtes Eigengewächs sein Vorgänger. Publikumsliebling. Identifikationsfigur. Ein Leistungsträger, der mit seinem Torwartspiel perfekt in das System von Trainer Lucien Favre passte.
Ein ähnlicher Typ
Sommer ist vom Typ her ähnlich. Auch er ist wie ter Stegen eher ein zurückhaltender Mensch. Freundlich, mit einer starken Ausstrahlung, aber reserviert. Trotz des Torhüterjobs nicht übermäßig verrückt. Ohne große Spleens.
Doch auf dem Platz sieht das anders aus. Gegen Bilbao dirigierte und gestikulierte er. Sprach immer wieder mit seinen Vorderleuten. Versuchte, die Abwehr zu ordnen.
Sommer interpretiert sein Torwartspiel ähnlich wie sein Vorgänger. Ist als technisch starke Anspielstation und erster Aufbauspieler fest in Favres System eingebunden, versucht dabei auch immer wieder, lange Bälle einzustreuen. Man merkte dem 25-Jährigen deutlich an, wie motiviert er bei seinem Debüt vor eigenem Publikum war.
Er hatte es sich unter dem Strich sicher anders vorgestellt.
Drei Ecken, drei Tore
Drei Gegentore jeweils nach einer Ecke nach nur 24 Minuten, sein zweiter Patzer im zweiten Spiel und keine Möglichkeit, sich besonders auszuzeichnen.
Doch Sommer sieht das (noch) locker. “Es ist nicht mein Ziel, mich in jedem Spiel zu beweisen. Mein Ziel ist es, jedes Spiel zu gewinnen. Es ist mir im Endeffekt wurscht, ob ich nun mehr oder weniger zu tun habe”, so der Acht-Millionen-Neuzugang vom FC Basel.
Seit die Nummer zwei der Schweiz nach dem WM-Urlaub vor gut zwei Wochen ins Training einstieg, hat er eher mehr zu tun.
Die Zeit für Feinabstimmungen vor dem ersten Pflichtspiel im DFB-Pokal am Samstag beim Regionalligisten FC Homburg war nur kurz. Unter Wettbewerbsbedingungen gerade einmal 180 Minuten. Doch Sommer ist zufrieden.
“Für mich läuft es sehr gut, ich fühle mich mit allen Abwehrspielern wohl. Wir probieren, im Spiel so viel wie möglich miteinander zu sprechen, damit wir uns so schnell wie möglich kennenlernen und finden”, sagte er.
Man müsse immer abwägen, mit wie viel Risiko man spiele: “Wir haben sehr viel Qualität im Team, die Spieler wollen die Bälle und sind sehr sicher. Das ist für einen Torhüter das Schönste: Wenn du weißt, dass du die Spieler auch unter Druck anspielen kannst”, so Sommer.
Eine neue Ära?
Für zusätzlichen Druck sorgen auch die zahlreichen Lobeshymnen. Die ja schließlich noch bestätigt werden müssen.
“Yann ist ein gestandener Torwart mit viel Erfahrung, wir sind froh, dass wir ihn haben”, sagte Trainer Lucien Favre. Sein Landsmann habe bereits in den ersten Tagen angedeutet, dass er eine starke Nummer eins werden könne, so der Schweizer. Ex-Nationalcoach Ottmar Hitzfeld lobte Sommers Reflexe, seine Beweglichkeit und Robustheit.
Sportdirektor Max Eberl möchte mit ihm eine neue Ära im Gladbacher Tor einläuten. Und für Gladbachs Ex-Keeper Jörg Stiel ist er der “kompletteste Torhüter, den die Schweiz je gehabt hat”. Stiel meinte auch: “Yann hat das Potenzial, Gladbachs neue Identifikationsfigur zu werden.”
Bis dahin ist es freilich noch ein weiter Weg”
Denn klar ist auch: Sommer wird auch aufgrund seines Vorgängers noch mehr unter Beobachtung stehen. Und möglicherweise auch noch öfter mit ihm verglichen werden. “Ich möchte ihn hier nicht vergessen machen, sondern meine eigene Geschichte schreiben”, erklärte Sommer dazu.
Das erste Kapitel beginnt bereits am Samstag.