Von Reinhard Franke
München – Thomas Schaaf ist wieder da.
14 Jahre war der gebürtige Mannheimer Trainer bei Werder Bremen. Er formte an der Weser ein Team, das jahrelang auf hohem Niveau spielte und zeitweise ein ernstzunehmender Gegner von Bayern München um die Meisterschaft war.
In der Saison 2012/2013 steckten die Bremer allerdings erstmals im Abstiegskampf. Der Klassenerhalt gelang zwar, doch im März 2013 wurde Schaaf beurlaubt.
Ein Jahr Pause vom Fußball
Ein Jahr tauchte er danach völlig ab und wollte vom Fußball nichts hören und nichts sehen. Bis zuletzt, als Eintracht Frankfurt den 53-Jährigen als neuen Cheftrainer verpflichtete.
Im SPORT1-Interview spricht Schaaf über seinen Neustart, die Eintracht, die Ziele – und beendet endgültig das Kapitel Werder Bremen.
SPORT1: Herr Schaaf, wie fühlt es sich an, wieder den Rasen zu riechen?
Thomas Schaaf: Es ist einfach schön. Wirklich sehr angenehm. Wir haben bisher in der Vorbereitung sehr gut gearbeitet, die Mannschaft zieht prima mit und es macht uns allen unheimlich viel Spaß. Wir wissen, dass wir einiges an Arbeit vor uns haben und deshalb sind wir auch sehr intensiv dabei. Es macht mir große Freude, wieder täglich mit Spielern auf dem Platz zu stehen.
SPORT1: Sie wirken euphorisch. Sie haben wieder richtig Lust auf Bundesliga, oder?
Schaaf: Ja. Es ist aber immer wieder die Frage, in welcher Situation man sich befindet. Ich glaube, dass man nicht immer laut und aktiv sein kann, sondern es ist auch mal ganz gut, ruhig an der Seite zu stehen, um zu beobachten. Man muss alles zum richtigen Zeitpunkt umsetzen. Jetzt in den Anfangstagen war es wichtig, die Truppe mitzureißen, ihr die Hilfestellung zu geben und das möglichst nah. Das wird auch gut angenommen von den Spielern. Man merkt, dass immer mehr dazukommt.
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SPORT1: War es nach dem einen Jahr Pause schwer für Sie, wieder reinzukommen?
Schaaf: Natürlich ist es nicht so leicht, wenn man in eine neue Umgebung kommt. Dann sind viele Dinge anders. Eben anders, als man sie jahrelang erlebt hat. Aber das liegt an der Umgebung.
SPORT1: Was haben Sie letztes Jahr im Sommer gemacht?
Schaaf:(lacht) Urlaub. Ich habe damals die Zeit genutzt, mich auf andere Dinge zu konzentrieren und habe mich wenig mit Fußball beschäftigt. Familie und Freunde war das Hauptthema. Sie bekamen die meiste Zeit, die früher nicht für sie reserviert war. Man knapst meistens an denen ab, die einem ganz nah sind. Das ist ja so ungerecht. Die Menschen, die es mit dir am besten meinen, werden immer um Verständnis gebeten. Und den Menschen wollte ich etwas zurückgeben. Es war für mich auch gut, eine gewisse Distanz zu bekommen. Aber die Liebe zu diesem Beruf ist geblieben.
SPORT1: War Ihre Frau nicht traurig, als Sie ihr sagten, dass die Zweisamkeit bald wieder weniger werden würde?
Schaaf: Zuerst dachte sie wohl: ‚Hoffentlich geht er bald wieder arbeiten‘ (lacht laut). Wenn man sonst Abläufe drin hat, wo der Mann den ganzen Tag weg ist und plötzlich immer dazwischen funkt, dann ist das nicht so einfach. Natürlich war das eine oder andere gewöhnungsbedürftig, aber es war klar, dass ich mich dann wieder dem Beruf widme.
SPORT1: Haben Sie bewusst auf ein Bundesliga-Angebot gewartet oder war das Ausland auch ein Thema?
Schaaf: Es gab genug Möglichkeiten, in alle Bereiche wieder einzusteigen. Für mich war klar, dass ich lange Zeit erst mal alles abblocken wollte. Ich war komplett raus und jetzt bin ich wieder komplett da.
SPORT1: Mit Lucas Piazon und Nelson Valdez konnten zwei neue Stürmer verpflichtet werden. Zufrieden?
Schaaf: Mit Lucas Piazon konnten wir einen Neuzugang vermelden, nachdem bei den Medien und im Umfeld Ungeduld aufkam. Ich denke, wir können uns auf Lucas freuen, Er ist ein technisch starker Spieler, der den Abschluss sucht und eine gute Schnelligkeit besitzt. Er wird unser Offensivspiel beleben. Wir sind zudem sehr zufrieden, dass wir Nelson Valdez verpflichten konnten. Ich bin sehr gut informiert über seine Qualitäten, weil ich schon mit ihm in Bremen zusammenarbeiten konnte. Es war eine sehr erfolgreiche Zeit und ich freue mich, dass er hier ist.
SPORT1: Bremens damaliger Manager Klaus Allofs lag zumeist richtig mit Top-Einkäufen. In Frankfurt wurden zuletzt auch Spieler für ein Jahr ausgeliehen, die nach einem starken Jahr wieder weg sind. Sie sind ein Freund von Kontinuität. Wie gehen Sie damit um?
Schaaf: Man muss mal wegkommen von Werder Bremen. Das Kapitel ist vorbei und da wird auch nicht mehr verglichen. Man muss sich nur die letzten Jahre anschauen wie bei Eintracht gearbeitet wurde. Der Verein ist seriös und solide aufgestellt worden. Die handelnden Personen haben einen sehr guten Ruf. Der Klub steht toll da, und das ist ein Verdienst dieser Personen, die in den letzten Jahren intensiv gearbeitet haben. Es wurde sehr viel richtig gemacht. Man kann Bedingungen nicht umsetzen, die in Bremen herrschten. Eintracht hat gewisse Möglichkeiten und damit muss man auskommen.
SPORT1: Mit Schwegler, Rode und Jung hat die Eintracht aber Publikumslieblinge und das Herzstück verloren. Wie sehr schmerzt das?
Schaaf: Natürlich haben wir Qualität verloren, aber man kann jetzt nicht immer rumjammern, dass diese Spieler nicht mehr da sind. Man muss nach vorne schauen. Die Spieler, die jetzt da sind, können genauso interessant werden wie die, die wir verloren haben. Vielleicht werden sie sogar noch besser. Wenn jemand weg geht, ist das die Chance für einen anderen, sich hervor zu tun. Wir haben sehr interessante Spieler im Kader. Und besondere Spieler hervorzubringen, das macht viel Spaß.
SPORT1: Wo wollen Sie mit der Eintracht hin?
Schaaf: Man hat gesehen, wie schwer man sich letztes Jahr in der Liga getan hat durch die Doppelbelastung mit der Europa League. Für uns ist das primäre Ziel, in der Liga eine gute Position einzunehmen, dass man mit dem Abstieg nichts zu tun hat. Ich hoffe, dass wir einen Platz erreichen, wo ein gesundes Klima herrscht, um die Mannschaft weiterzuentwickeln und zu versuchen, Stück für Stück eine Konstante zu erreichen. Das wird unser Ziel sein.