Die Generalprobe ist geglückt.
Im letzten Härtetest vor der so wichtigen EM-Qualifikation schlugen die deutschen Basketballer den dreimaligen Weltmeister Russland mit 84:75.
Damit holte sich das DBB-Team zum dritten Mal nach 2004 und 2012 den Titel beim Supercup.
„Sind bereit für die Quali-Spiele“
„Ich denke es tut uns enorm gut, dass wir hier als Sieger aus dem Turnier gehen. Wir haben Selbstvertrauen und sind bereit für die Quali-Spiele“, sagte Lucca Staiger nach der Partie.
Doch der Sieg beim Vorbereitungsturnier, bei dem es das deutsche Team auch noch mit Lettland (Sieg) und Israel (Niederlage) zu tun bekam, darf nicht komplett darüber hinwegtäuschen, dass es sechs Tage vor dem Auftakt gegen Polen noch einige Baustellen gibt.
SPORT1 zeigt, was gut läuft und wo noch Nachholbedarf besteht.
Das macht Sorgen:
– Fall Tibor Pleiß
Nach wie vor ist der Einsatz von Tibor Pleiß in der EM-Qualifikation völlig offen.
Die Vertragssituation des 24-Jährigen, der offenbar für eine Ablöse von 900.000 Euro vom Laboral Kutxa Baskonia zum FC Barcelona wechselt, ist nach wie vor nicht abschließend geklärt.
Von Seiten des DBB ist zwar alles geregelt, doch solange der 2,15 Meter große Center in Verhandlungen mit seinem zukünftigen Verein steht, darf er aus versicherungstechnischen Gründen nicht für das Nationalteam auflaufen.
Erst wenn er den Medizincheck bei seinem neuen Klub über die Bühne gegangen ist, ist er spielberechtigt. „Das liegt nicht in unseren Händen. Hoffentlich ist das bis Mittwoch geklärt“, sagte Bundestrainer Emir Mutapcic. Dann startet das DBB-Team ins letzte Trainingslager vor der Qualifikation.
– Defense
Ausgerechnet die Verteidigung, auf die Mutapcic so viel Wert legt, ist das größte Sorgenkind. Zum Start gegen Lettland fand die erste Fünf überhaupt keinen Zugriff, das DBB-Team ließ viele einfache Punkte zu.
Gegen Israel waren es vor allem die Fastbreak- und Second-Chance-Punkte, die Deutschland das Genick brachen. Zum Abschluss gegen Russland zeigte sich das Team zwar verbessert, dennoch wurde gerade im letzten Viertel deutlich, dass die Abstimmung noch sehr ausbaufähig ist.
Ohne Pleiß fehlt ein defensivstarker Center am Brett, der die Verteidigung organisiert. Maik Zirbes, aktuell „die Option Nummer eins“ für Mutapcic, fehlt ein schneller erster Schritt, zudem gerät er zu oft in Foulprobleme.
Mutapcic hat daher angekündigt, in der kommenden Woche vor allem an der Verteidigung des Pick-and-Roll und der Help-Defense arbeiten zu wollen.
– Mangelnde Erfahrung
Der Altersdurchschnitt des deutschen Teams liegt bei 24,2 Jahren. Fünf Spieler aus dem Kader haben weniger als zehn Länderspiele absolviert. Dies führt dazu, dass ihnen in entscheidenden Phasen Fehler passieren.
„Wir waren in der Offensive zu ungeduldig“, beklagte der Bundestrainer am Samstag. „Wenn du die Nerven verlierst, verlierst du auch die Balance und dann kassiert du Fastbreak-Punkte.“
Dies gelte auch für NBA-Profi Dennis Schröder, der „zwar weiterhin attackieren soll, aber noch lernen muss, wann es sinnvoller ist, raus zu passen“.
– Fitnesslevel/Konstanz
Gegen die Letten nahm sich das deutsche Team das gesamte Spiel über immer wieder Auszeiten, gegen Israel ging im Schlussviertel die Luft aus. Und auch zum Abschluss gegen die Russen brach das DBB-Team im letzten Viertel ein und verspielte fast noch den Turniersieg.
„Wir zeigen immer wieder sehr gute Ansätze, können das aber noch nicht über 40 Minuten durchziehen“, analysierte Kapitän Heiko Schaffartzik.
Auch Mutapcic sieht in Sachen Fitness noch Nachholbedarf. „Einige Spieler spielen gut, haben aber noch nicht das nötige Fitnesslevel. Ich muss sie dann rausnehmen, obwohl sie gerade einen Lauf haben.“
Das macht Hoffnung:
– Trainer Emir Mutapcic
Mutapcic‘ Vertrag als Bundestrainer läuft eigentlich nur bis nach der EM-Quali, doch der Bosnier hat bereits jetzt Lust auf mehr. „Die EM ist schon mein Ziel“, gab er in Bamberg auf SPORT1-Nachfrage zu.
Seinen Elan und seine Energie überträgt er auf die Spieler, bei denen er gut ankommt.
„Muki hat eine tolle Autorität als Trainer uns Spielern gegenüber. Er ist sehr positiv, auch wenn er bei groben Fehlern natürlich auch mal laut werden kann“, sagte Maximilian Kleber im Gespräch mit SPORT1.
– Teamgeist
Ob Summer League, Vertragsverhandlungen oder Privates: Wochenlang fehlten Mutapcic wichtige Stützen, erst am Wochenende in Bamberg hatte er seine Mannschaft erstmals komplett beisamme
Dennoch herrscht im Team eine gute Stimmung, wie Kleber im Gespräch mit SPORT1 bestätigt: „Wir verstehen uns alle sehr gut, von daher ist es gar kein Problem, dass wir zusammengewürfelt sind.“
Obwohl es auch um die letzten Plätze im Kader geht, stellen die Spieler ihre eigenen Interessen zugunsten der Mannschaft hintenan.
„Jeder versucht zu zeigen, was er kann, ohne dabei Dinge zu versuchen, die er eigentlich nicht kann“, zog Forward Elias Harris bei SPORT1 ein positives Fazit.
– Dennis Schröder
Mit Schröder, hat das DBB-Team einen Faktor im Spiel hinzugewonnen, den es in dieser Form seit längerer Zeit nicht mehr gab.
Geprägt durch das Spiel in den USA zieht der Point Guard immer wieder mit aller Macht zum Korb und reißt so Lücken für seine Mitspieler.
„Er kann uns dadurch viele Vorteile verschaffen. Er muss aber noch lernen, wann es besser ist, den Ball rauszupassen“, sagte Mutapcic.
Auch wenn er manchmal noch zu ungeduldig agiert, ist Schröder, der sich nach Aussage von Kapitän Schaffartzik „hervorragend“ ins Team integriert hat, eine Bereicherung für die deutsche Mannschaft.
– Variabilität
Das Team von Trainer Mutapcic verfügt in der Offensive über mehrere Varianten. Mit Zirbes und Harris verfügt die Mannschaft über potente Lowpost-Scorer, auch Andreas Seiferth und Kleber haben in Bamberg einen guten Eindruck hinterlassen.
Zudem kann das Team auch jederzeit von jenseits der Dreierlinien heiß laufe. Mit Schaffartzik, Staiger und Robin Benzing sind hier an erster Stelle die Spieler des FC Bayern München zu nennen. Zudem kann Schröder wie oben angesprochen immer wieder in die Zone penetrieren und am Ring abschließen.
Das DBB-Team dürfte für die Gegner so nur schwer ausrechenbar sein, zumal Mutapcic angekündigt hat, seinem Offensiv-Spiel in den nächsten Tagen noch einen weiteren Aspekt hinzufügen zu wollen.