Von Adrian Geiler
München – Emir Mutapcic hat frischen Wind in den deutschen Basketball gebracht – und sich für mehr als eine Übergangslösung auf dem Posten als Bundestrainer empfohlen.
Der 54 Jahre alte Bosnier führte die deutsche Nationalmannschaft zum Sieg im Supercup und einer erfolgreichen Generalprobe für die EM-Qualifikation, nach der sein Vertrag eigentlich ausläuft. (ANALYSE: Bereit für die Quali – trotz Defiziten)
„Die EM ist schon mein Ziel“, gab er in Bamberg auf SPORT1-Nachfrage zu.
Mutapcic ist ein Mann klarer Worte. Auch öffentliche Kritik scheut er nicht. Vor dem Supercup kritisierte er die aus seiner Sicht unrealistischen Ambitionen einiger Spieler, die die NBA Summer League der Nationalmannschaft vorzogen.
Währenddessen bezeichnete er Robin Benzing und Heiko Schaffartzik als „total außer Form“ – zwei Spieler, die auch in seinem anderen Job als Co-Trainer des FC Bayern seine Schützlinge sind.
Auch im SPORT1-Interview redet Mutapcic Klartext: Er erklärt, warum der frühere NBA-Profi Tim Ohlbrecht kein Thema für ihn ist, warum Heiko Schaffartzik und Daniel Theis Punkte bei ihm gesammelt haben und warum ein mögliches EM-Comeback von Dirk Nowitzki kein Allheilmittel ist.
SPORT1: Herr Mutapcic, Deutschland ist Supercup-Sieger. Wie ordnen Sie diesen Erfolg ein?
Emir Mutapcic: Wir haben den Supercup meiner Meinung nach verdient gewonnen und das wird uns helfen. Für das Spiel gegen Polen ist das sehr wichtig. In der Vorbereitung haben wir viele Probleme gehabt. Dank des Sieges gegen Russland fahren wir aber mit Selbstvertrauen nach Torun.
SPORT1: Eines dieser Probleme in der Vorbereitung war Tibor Pleiß. Aufgrund seiner vertraglichen Situation kann er weder spielen noch mit der Mannschaft trainieren. Vorerst ist er nicht im Kader. Werden Sie ihn zu einem späteren Zeitpunkt nachnominieren?
Mutapcic: Das mit Tibor ist kompliziert. Wir haben alle Hoffnung gehabt, dass alle vertraglichen Unklarheiten aus dem Weg geräumt sind. Aber leider ist es jetzt so gekommen. Er war mit in Bamberg. Er muss den Vertrag unterschreiben, den Medizincheck machen – das braucht seine Zeit. Tibor hat bei der Nationalmannschaft immer Willen gezeigt. Er hat aber zwei Monate kein Spiel gemacht und nicht ordentlich trainiert. Er ist nicht in guter Form was das Spielerische betrifft. Deswegen habe ich entschieden, dass wir in die EM-Qualifikation mit dem nominierten Kader gehen.
SPORT1: Das heißt, Tibor Pleiß ist für die gesamte EM-Qualifikation raus?
Mutapcic: Das ist noch nicht ganz sicher, wir warten natürlich weiter ab. Es wäre ein großer Verlust. Tibor war die letzten fünf Jahre immer da. Aber er kann uns im Moment nicht helfen.
SPORT1: Tim Ohlbrecht könnte vielleicht helfen. Am Montag hat er in der Beko BBL bei ratiopharm Ulm unterschrieben (News). Die haben ihn prompt als zweitbesten deutschen Center angepriesen. Warum fehlt er eigentlich im Kader?
Mutapcic: Lassen Sie mich Folgendes sagen: Wir haben viele Kompromisse gemacht in der Vorbereitung. Diese Mannschaft verdient Respekt. Zum Beispiel Heiko Schaffartzik. Der hat nie gefragt: „Wer ist Trainer?“. Sondern er hat gesagt: „Coach, ich brauche noch etwas Zeit. Aber wenn ich erholt bin, bin ich da.“ Zu Tim Ohlbrecht: Er hat in der NBA Summer League gespielt. Dann hat er zwei, drei Tage trainiert und ich war nicht mit seiner Leistung zufrieden.
SPORT1: Daniel Theis hat den Supercup verletzt verpasst, ist aber nominiert. Das heißt, er ist fit und kann hundert Prozent geben, oder?
Mutapcic: Mit Daniel habe ich von seinem ersten Tag in der Summer League an kommuniziert. Er hat Willen gezeigt, dass er in der Nationalmannschaft spielen möchte – vor der Summer League und währenddessen. Das ist der Unterschied zu Tim Ohlbrecht. Den habe ich 15 Mal angerufen und er hat nicht geantwortet. Daniel Theis ist okay und kommt zurück.
SPORT1: In der Gruppe C der EM-Qualifikation müssen Sie sich gegen Österreich, Luxemburg und Polen durchsetzen. Wie schätzen Sie die Gegner ein?
Mutapcic: Die Gruppe ist nicht leicht, wenn man weiß, was für eine Vorbereitung wir hatten. Wir müssen uns richtig konzentrieren und alles geben. Dann haben wir die Möglichkeit uns zu qualifizieren. Unser Hauptkonkurrent wird Polen sein. (DATENCENTER: Der Spielplan der EM-Qualifikation)
SPORT1: Innerhalb von nur 17 Tagen wird die EM-Qualifikation mit ihren sechs Spielen ausgespielt. Zum Vergleich: Im Fußball sind das 399 Tage. Stört Sie das?
Mutapcic: Das ist ein Thema der FIBA (Basketball-Weltverband, Anm. d. Red.). Wir haben das 2012 schon so gespielt und müssen das akzeptieren.
SPORT1: Aber Sie sind kein Fan.
Mutapcic: Das ist ein FIBA-Problem. Zur EM 2017 wird der Modus geändert.
SPORT1: Die EM 2015 findet aufgrund der politischen Lage bekanntlich doch nicht in der Ukraine statt. Deutschland bietet sich als Aushilfs-Ausrichter an. Erleben wir nächstes Jahr eine Heim-EM?
Mutapcic: Ich habe nur noch einen Monat Vertrag. Deswegen müssen Sie sich an die dafür zuständigen Personen wenden. Grundsätzlich: Für Deutschland wäre es gut, mal wieder ein Turnier hier zu haben.
SPORT1: Für den Fall der Fälle hat NBA-Superstar Dirk Nowitzki bereits seine Rückkehr ins Nationalteam angedeutet (News). Ist das realistisch?
Mutapcic: Dirk Nowitzki hat viel für Basketball-Deutschland geleistet. Aber wir müssen einige Sachen beachten. Dirk ist 2015 37 Jahre alt. Er braucht auch die Hilfe der anderen Spieler. Und der Nationaltrainer muss bis dahin auch neue Jungs bringen. Die jetzige Mannschaft verdient Respekt. Klar ist, dass wir viel, viel besser mit Nowitzki sind. Viel, viel wichtiger ist aber, dass Nowitzki in eine gute Mannschaft kommt.
SPORT1: Sie haben die aktuelle Mannschaft geformt, u.a. 2008 beim EM-Titel mit den U-20-Junioren wie Robin Benzing oder Tibor Pleiß. Eigentlich macht es Sinn, mit Ihnen bei einer erfolgreichen Qualifikation weiterzumachen. Gab es in diese Richtung schon Gespräche?
Mutapcic: Im Moment gilt meine Konzentration der Nationalmannschaft und der Qualifikation für die Europameisterschaft. Mein Vertrag läuft noch bis Ende des Monats. Ich kann nur sagen: Ich habe 2014/15 einen Co-Trainer-Vertrag bei Bayern München. Den Rest werden wir sehen.
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