München/Tokio – Das erste Aufeinandertreffen dauerte nur wenige Minuten. Als die deutschen Tischtennis-Männer ihre ersten Bälle in der Yoyogi Arena von Tokio spielten, packten die Top-Favoriten aus China bereits ihre Taschen.

Ein kurzer Blickkontakt, eine leise Begrüßung, dann waren die Serien-Weltmeister auch schon verschwunden. Geht es nach Timo Boll und Co. soll die entscheidende Wachablösung erst im Finale der Team-WM, am kommenden Montag (5. Mai), stattfinden.

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Boll und Ovtcharov in den Top-10

Und tatsächlich: Nie zuvor standen die Chancen derart gut, die Tischtennis-Macht aus dem Reich der Mitte vom Thron zu schubsen.

Beim Blick auf die Weltrangliste offenbaren sich beinahe chinesische Verhältnisse in Schwarz-Rot-Gold. Sowohl Rekordeuropameister Boll als auch der Olympiadritte Dimitrij Ovtcharov gehören zu den besten zehn Spielern der Welt.

„Wir haben jetzt die beste Generation, die wir je hatten“, sagt Boll, „aber so langsam läuft uns auch die Zeit davon“.

Seit 14 Jahren müssen nicht nur die Deutschen mitansehen, wie China einen Mannschafts-Titel nach dem anderen gewinnt. Doch Bundestrainer Jörg Roßkopf und seine Schützlinge haben Mut gefasst.

„Irgendwann wird eine andere Hymne gespielt“

„Jede Serie reißt einmal“, sagte Roßkopf bereits vor dem Abflug nach Japan: „China wird nicht die nächsten 30 Jahre die WM gewinnen, irgendwann wird eine andere Hymne gespielt.“

Ob das bereits in diesem Jahr geschehen wird und ob es die deutsche sein wird – so weit wollte der Doppel-Weltmeister von 1989 dann doch nicht gehen.

„China wird auf jeden Fall im Finale stehen. Wir müssen erst dort hinkommen und das ist ein weiter Weg mit vielen kritischen Situationen“, sagte Roßkopf: „Zunächst müssen wir unsere Hausaufgaben machen und gut spielen.“

Fragezeichen Mengel und Baum

Die erste Bewährungsprobe stand in der Nacht zu Montag (3.00 Uhr MESZ) an. Im ersten von fünf Gruppenspielen wartete Singapur auf den Vize-Weltmeister von 2012.

Boll und Ovtcharov scheinen gerüstet für den Angriff auf China – der Routinier hat seine Rückenverletzung auskuriert, sein Thronfolger ist längst in bestechender Form.

Hinter dem Spitzenduo häufen sich allerdings die Fragezeichen. Bastian Steger hatte seine WM-Teilnahme verletzt absagen müssen, für den EM-Dritten nominierte Roßkopf den deutschen Meister von 2013, Steffen Mengel, nach. Patrick Baum reiste wegen körperlicher Probleme später an.

Silbereisen trotz Ausfällen optimistisch

Eine Medaille hat Dirk Schimmelpfennig, Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB), abseits aller Personaldiskussionen als Ziel ausgegeben.

Bei den Frauen soll es das Viertelfinale werden – auch wenn die Top-Spielerinnen Shan Xiaona und Han Ying bei der WM nicht startberechtigt sind.

„Im Vorfeld war das schwierig, weil viele Leute gefragt haben, ob jetzt die zweite Mannschaft spielt“, sagte Irene Ivancan, die zum Team der Bundestrainerin Jie Schöpp gehörte, das im vergangenen Jahr Europameister geworden war: „Man kann jetzt darüber sinnieren, wie gut eine Mannschaft mit Nana und Ying wäre. Fakt ist aber: Wir haben jetzt diese Mannschaft und werden alles rausholen.“

Mannschaftskollegin Kristin Silbereisen ergänzte: „Wir haben auch ohne Ying und Nana eine starke Mannschaft. Ich hoffe, wir können wieder in das Viertelfinale einziehen. Dann ist alles möglich.“