Noch im August will der DHB einen neuen Handball-Bundestrainer präsentieren.
Ljubomir Vranjes, der dem Verband abgesagt hat, und Dagur Sigurdsson wurden bereits als Top-Kandidaten gehandelt – SPORT1-Experte Stefan Kretzschmar schätzt aber auch Markus Baur, den Weltmeister von 2007, hoch ein.
Der bewies zuletzt eindrucksvoll sein Können als Trainer, als er die deutsche U 20 zum EM-Titel führte.
Im SPORT1-Interview bekundet der 43-Jährige großes Interesse am Bundestrainer-Posten.
Baur, zugleich Coach des Schweizer Double-Siegers Kadetten Schaffhausen, äußert sich zudem über die Problematik einer Doppelfunktion als Vereins- und Bundestrainer und spricht über die Perspektiven seiner Gold-Junioren.
SPORT1: Herr Baur, Glückwunsch zum EM-Titel mit Ihrer U 20. Wie haben Sie die Nacht nach dem Titelgewinn verbracht?
Markus Baur: Das Trainerteam natürlich ein bisschen anders als die Spieler (lacht). Wir haben uns ein bisschen zurückgezogen und im Hotel die EM Revue passieren lassen. Die Spieler sind natürlich noch losgezogen.
SPORT1: Und haben es krachen lassen?
Baur: Das hoffe ich doch.
SPORT1: Was war für Sie der Schlüssel zum Erfolg – gegen Schweden und für die ganze EM?
Baur: Wir hatten eine sehr homogene Truppe mit sehr viel Qualität. Und wir haben es in fast allen Spielen auch geschafft, diese Qualität abzurufen.
SPORT1: Mit Paul Drux (Füchse) und Yves Kunkel (GWD Minden) sind zwei Ihrer Spieler ins All-Star-Team berufen worden. Was trauen Sie ihnen in den nächsten Jahren zu?
Baur: Einiges. Sie haben in der nächsten Saison schon wieder die Chance, sich in der Bundesliga zu etablieren und mehr Spielanteile zu bekommen. Das ist wichtig für die Entwicklung. Meiner Meinung nach hätte in dieses All-Star-Team noch der eine oder andere Deutsche mehr gehört. Aber es ist eben so, dass man in der Regel nicht mehr als zwei Spieler einer Nation nimmt.
SPORT1: In den letzten Jahren war es schwer, den Sprung vom Junioren- in den Erwachsenenbereich zu schaffen. Was muss nach dem Erfolg bei der EM dieses Mal besser laufen?
Baur: Das hat mit dem EM-Titel nichts zu tun. Die Voraussetzungen in der Truppe sind etwas anders als in den letzten Jahren. Fast die komplette erste Sechs hat Verträge in der ersten Liga und berechtigte Chancen, viele Spielanteile zu bekommen.
Wir haben mit Jonas Maier (Kadetten Schaffhausen/Schweiz, Anm. d. Red.) und Christopher Rudeck (SG Flensburg-Handewitt, ausgeliehen an Mors-Thy Handball/Dänemark, Anm. d.Red.) zwei Torhüter, die in der Schweiz bzw. Dänemark bei ihren Klubs feste Bestandteile sind, dort viele Spielanteile haben und teilweise internationale Einsätze bekommen.
Sie werden um ihre Einsätze kämpfen müssen, so ist es bei den anderen auch. Sie haben berechtigte Chancen auf Einsatzzeiten, aber die müssen sie nutzen und mit Leistung im Training dafür sorgen, dass die Trainer gar nicht anders können. So können sie eine bessere Entwicklung nehmen als die vorherigen Jahrgänge.
SPORT1: Kommen wir zu einem anderen Thema: Stefan Kretzschmar nennt Sie als einen von drei Kandidaten für den Bundestrainer-Job. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?
Baur: Es freut mich natürlich, wenn Kretzsche als absoluter Handball-Fachmann mich als Kandidaten nennt. Fakt ist, dass der Bundestrainerjob eine superinteressante Stelle ist, auch eine Riesen-Chance und eine Riesen-Herausforderung. Aber das entscheidet das DHB-Präsidium, und wir werden jetzt sehen, welchen Weg dieses einschlagen möchte.
SPORT1: Aber es hat Gespräche mit Ihnen über die Nachfolge von Martin Heuberger als Bundestrainer gegeben?
Baur: Nein.
SPORT1: Wirklich keine Gespräche zwischen Ihnen und dem DHB zu diesem Thema?
Baur: Genau. Es gab viele Gespräche, aber nicht zu diesem Thema.
SPORT1: Aber Sie wären am Bundestrainerjob interessiert?
Baur: Wie gesagt: Das ist eine große Herausforderung. Ich bin einer, der Herausforderungen liebt. Wenn es in die Rahmenbedingungen passt, ist das sicher eine interessante Aufgabe. Letztendlich beschäftige ich mich aber nur mit Dingen, über die es sich lohnt nachzudenken. Und momentan lohnt sich das nicht, weil ich mit den Junioren und den Kadetten Schaffhausen super Aufgabe habe. Insofern ist alles in Ordnung.
SPORT1: Kretzschmar sagt auch, dass der Bundestrainerjob in der jetzigen Lage ein Full-Time-Job ist. Andere halten eine Übergangslösung in Doppelfunktion für richtig. Wie stehen Sie zu dem Thema?
Baur: Der DHB hat ein Konzept aufgestellt, und jetzt sucht man den besten Mann dafür aus. Bundestrainer ist grundsätzlich ein Full-Time-Job, keine Frage. Wenn es jemanden gibt, der das als Full-Time-Job machen kann: Super. Aber wenn es eben momentan keinen gibt, dann brauchen wir trotzdem einen Bundestrainer.