Viel größer hätte der Druck sein können. Drei der ersten vier Duelle hatten die Dallas Stars bereits verloren und durften sich gegen die Edmonton Oilers um Leon Draisaitl keine weitere Pleite mehr leisten. Doch dann dieser Start. Wie ein Albtraum. Zweimal schossen die Oilers in der Anfangsphase auf das Tor der Stars. Zweimal schlug der Puck ein.
Nach rund zweieinhalb Minuten fälschte Corey Perry einen Pass von Connor McDavid ab und brachte Edmonton in Führung. Keine fünf Minuten später war es Mattias Janmark, der nach einem schlechten Wechsel der Stars auf und davon war, und das 2:0 markierte. Dallas-Coach Pete DeBoer hatte zu diesem Zeitpunkt bereits genug gesehen. Er nahm eine Auszeit und traf eine viel diskutierte Entscheidung.
Und zwar eine, die Jake Oettinger betraf. DeBoer holte den Goalie vom Eis. Sieben Minuten und neun Sekunden nach Spielbeginn. Es musste sich wie die Höchststrafe anfühlen. Dabei trug der 26-Jährige bei beiden Gegentoren längst nicht die Hauptschuld. Dennoch musste er seinen Platz für den deutlich erfahreneren Casey DeSmith räumen und sich im Anschluss eine sehr deutliche öffentliche Ansage seines Trainers gefallen lassen.
Hartes Urteil von Dallas-Coach
„Ich habe nicht alles auf Jake geschoben, aber die Realität ist, dass er sechs von sieben Spielen gegen Edmonton verloren hat, wenn man bis zu den letztjährigen Playoffs zurückgeht“, sagte DeBoer hinterher. „Der Tausch hatte zwei Gründe: Zum einen wollten wir unser Team wachrütteln und aufwecken. Zum anderen wussten wir, dass der Status quo nicht funktioniert hat. Das ist eine ziemlich große Stichprobe.“ Rumms!
Blöd nur für DeBoer, dass sein Wechsel keinen großen Effekt erzielte. Denn 58 Sekunden, nachdem DeSmith die Eisfläche betrat, musste auch der 33-Jährige schon das erste Mal hinter sich greifen. Jeffrey Skinner netzte ein. 3:0 für die Oilers – die endgültige Vorentscheidung. Am Ende gewann Edmonton 6:3 und zog erneut in das Finale um den Stanley Cup ein.
Aus Sicht der Stars nicht weniger ärgerlich: Bereits im vergangenen Jahr war für Dallas kurz vor dem Finale Endstation. Der Gegner hieß damals wie heute: Edmonton Oilers.
„Inakzeptabel, dass wir ihn so hängen lassen“
Bemerkenswert: Oettingers Teamkollegen nahmen ihren Goalie mehr in Schutz als ihr Coach.
„Es ist inakzeptabel, dass wir ihn so hängen lassen“, sagte Robertson nach dem Spiel und kritisierte stattdessen das viel zu schwache Defensivverhalten seiner Mannschaft: „Die ganzen Playoffs über, die ganze Saison über war er unser Mann. Das ist einfach vollkommen inakzeptabel von uns.“
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Oettingers Statistiken in der Playoff-Serie gegen die Oilers tatsächlich nicht die besten waren. Während er in den gesamten Playoffs auf eine Fangquote von knapp über 90 Prozent kam, waren es gegen Edmonton nur etwa 87 Prozent.
„Er hat ihn mit einem riesigen Bus überfahren“
Nichtsdestotrotz hinterließ DeBoer viel Befremden mit der Art und Weise, wie er seinen Goalie im Ergebnis unter dem Brennglas größtmöglicher öffentlicher Aufmerksamkeit an den Pranger stellte statt ihn zu schützen und damit womöglich nachhaltig demontiert hat.
„Unabhängig von Oettingers Geschichte gegen Edmonton, muss Dallas auf ihn zählen, solche Spiele zu gewinnen“, kommentierte CBS: „Bezahlen tun sie ihn in jedem Fall entsprechend (Oettingers 8-Jahres-Vertrag bringt ihm insgesamt 66 Millionen Dollar ein, d. Red.) und er hätte die Chance bekommen sollen, sich zu fangen.“
Auch in den sozialen Medien wird der Umgang mit Oettinger heiß diskutiert – und die Frage aufgeworfen, ob sich die Stars nach den Geschehnissen nicht entweder von Oettinger oder von DeBoer trennen müssen: „Die Zahlen lügen zwar nicht, aber DeBoer hat Oettinger gerade unter einen riesigen Bus geworfen“, kritisierte ein Nutzer auf X – die drastische Redewendung fiel viele Male.
Ein anderer Fan stellte sarkastisch fest: „Er hat Jake ja nicht die ganze Schuld gegeben. Nur 98 Prozent.“