Toto Wolff versuchte verzweifelt, die Emotionen abzukühlen.

Dem Österreicher war deutlich anzumerken, wie sehr ihn das neue Kapitel im Mercedes-Zoff gegen den Strich ging. Doch der Motorsportchef kann die Brände bei Mercedes im Moment gar nicht so schnell löschen, wie sie entstehen.

Lewis Hamilton hatte wenige Stunden nach dem Großen Preis von Belgien schwere Vorwürfe gegen Nico Rosberg erhoben und Interna der Krisensitzung ausgeplaudert. Während Rosberg um Deeskalation bemüht war und von dem hitzigen Meeting keine Details mitteilen wollte, hielt sich Hamilton nicht zurück.

Rosberg reagiert

Der Brite unterstellte Rosberg mehr oder weniger, dass der die Kollision in der zweiten Runde absichtlich heraufbeschworen habe (BERICHT: Der Zoff bei Mercedes eskaliert).

Rosberg reagierte in seinem Video-Blog mit Unverständnis: „Ich habe jetzt mitbekommen, was Lewis der Weltpresse erzählt hat, wie er unsere Diskussion dargestellt hat. Was ich sagen kann ist, dass ich die Darstellung sehr, sehr anders sehe. Des Weiteren würde es jetzt aber keinen Sinn machen, ins zu Detail zu gehen. Es ist wichtig, dass wir das intern halten.“

Wolff musste mal wieder einschreiten. Und relativieren.

„Es war keine Absicht!“

Denn auf die Feinheiten kommt es an. Rosberg habe Hamilton nicht mit Absicht die Reifen aufgeschlitzt. Sondern absichtlich nicht zurückgezogen, um ein Ausrufezeichen zu setzen. „Er dachte, dass Lewis ihm Platz lassen müsste und dass Lewis ihm letztendlich keinen Raum gegeben habe. Nico hatte das Gefühl, seine Linie halten zu müssen. Sie waren sich einig, dass sie sich nicht einig sind. Es war aber keine Absicht! Das ist Unsinn!“, so Wolff.

Ob nun Absicht oder nicht, das Ergebnis ist unter dem Strich dasselbe. Die Punkte sind weg. Und der Krieg der Sterne ist endgültig eskaliert.

Wolff werden nun auch die eigenen Aussagen um die Ohren gehauen.

Denn noch am Samstag hatte er in Belgien in entspannter Runde über das Dauerduell der Teamkollegen philosophiert. „Wir müssen die Wörter in der Hitze des Gefechts besser wählen. Es war vielleicht nicht das letzte Mal, dass es eine Kontroverse geben wird. Und auch nicht das letzte Mal, dass wir etwas lernen müssen. Es bleibt spannend für uns“, hatte Wolff erklärt.

Nur noch Makulatur

Keine 24 Stunden später war das alles nur noch Makulatur.

Denn mit der harschen Kritik an Rosberg hatten Wolff und auch Aufsichtsratschef Niki Lauda („Harakiri, total inakzeptabel“) öffentlich Position bezogen und den Stein erst ins Rollen gebracht. Die Schadensbegrenzung im Anschluss? Es blieb bei einem vergeblichen Versuch.

Dafür soll nun auf der Strecke eine Wiederholung der Vorkommnisse ausgeschlossen werden. Die Folge? Offenbar ist die verhasste Teamorder die einzige Alternative, um die beiden Titelrivalen einzubremsen.

Freies Fahren war ein Fehler

Hamilton wird die Kollision nicht stillschweigend auf sich sitzen lassen. Eine Retourkutsche des Briten ist nicht ausgeschlossen. Die erste gab es ja bereits am Sonntag.

Denn durch Hamiltons Plauderei könnte Rosberg theoretisch nachträglich eine Strafe drohen, da neue Fakten vorliegen, die den bislang als normalen Rennunfall gewerteten Zwischenfall in einem neuen Licht erscheinen lassen. Der Weltverband FIA hat theoretisch die Möglichkeit, den Fall neu zu öffnen. Ob er diese nutzt? Noch unklar.

Wolff übte dann auch Selbstkritik, räumte ein, dass es wohl ein Fehler gewesen sei, freies Fahren unter den Piloten zu erlauben.

Teamorder steht zur Diskussion

„Wir hassen das Wort Teamorder. Das steht jetzt aber zur Diskussion“, kündigte er an. Heißt das also, dass der Zweite den Führenden in Zukunft nicht mehr attackieren darf? „Leider kann das sein, ja.“ Was bedeuten würde, dass die Vorentscheidung zukünftig im Qualifying fällt. Und Überholmanöver unter den Teamkollegen wohl nur noch in der Boxengasse stattfinden werden.

Bei den Bemühungen der Formel 1, den Fans eine gute Show zu bieten, ist das ein Schlag ins Gesicht.

Angst nicht unberechtigt

Doch natürlich ist die Angst von Mercedes inzwischen nicht mehr ganz unberechtigt. Denn der Streit bei den Silberpfeilen wirft in erster Linie ein schlechtes Licht auf Mercedes selbst. Und auch die Verantwortlichen geraten so immer mehr unter Druck.

Denn auch sportlich droht der Worst Case. Wenn die Silberpfeile schwächeln, ist bislang immer einer zur Stelle: Daniel Ricciardo.

In Kanada, Ungarn und nun Spa gewann der Australier in seinem Red Bull und liegt nach dem zwölften Saisonrennen mit 156 Punkten immer mehr in Schlagdistanz zu Hamilton (191) und Rosberg (220). Nicht zu vergessen, dass es beim Saisonfinale in Abu Dhabi erstmals die doppelte Punktzahl gibt.

„Dann bin ich im WM-Kampf“

„Wenn ich den Rückstand bis Abu Dhabi auf unter 50 Punkte drücken kann, dann bin ich im WM-Kampf – klar“, sagte Ricciardo und zog sein breitestes Grinsen auf. Der Australier hat gut lachen. Wie sagt man so schön? „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“.

Für Mercedes ein Horrorszenario. Seit Spa sogar wieder ein realistisches.