Es war zur Mittagszeit am Montag bei der obligatorischen Medienrunde, als Philipp Bargfrede ein schöner Satz rausrutschte. „Wir wollen den HSV wegputzen!“ Das hört jeder Fan des SV Werder Bremen gerne.
Am Samstag (ab 15 Uhr LIVE in unserem Sportradio SPORT1.fm und im LIVETICKER) steigt das Nordderby beim Tabellenletzten Hamburger SV, der nur drei Punkte aufweist. Dumm nur: Nach vier Niederlagen in Folge hat der Drittletzte Werder nur vier Zähler mehr.
Und Bremen könnte in den folgenden Kellerduellen gegen den HSV und Ingolstadt weiter abrutschen. „Wichtige Spiele, in denen wir punkten müssen“, sagt der nach neunmonatiger Zwangspause zurückgekehrte Bargfrede.
Druck auf Nouri wächst
Der aus dem Landkreis Rotenburg an der Wümme – eine niedersächsische Region, die sich in Werder- und HSV-Anhänger teilt – stammende Fußballer weiß, was am Wochenende auf dem Spiel steht. Nichts würde seinen Verein mehr in seinen Grundfesten erschüttern als eine Derby-Niederlage. Damit würden auch die Zweifel am zuletzt erfolglosen Trainer Alexander Nouri („ich bin verantwortlich“) wachsen.
„Das letzte Spiel hatte nix mit dem Trainer zu tun“, hat Bargfrede noch gesagt. Aber es ist immer ein Alarmzeichen, wenn Spieler sich schützend vor ihren direkten Vorgesetzten stellen müssen.
Auch der anfangs noch für seine Motivationskünste gefeierte Nachfolger von Viktor Skripnik macht sich mehr und mehr angreifbar.
Am Sonntag gegen Eintracht Frankfurt (1:2) wirkten der von den Länderspielen geschlauchte Serge Gnabry müde, die lange verletzten Rückkehrer Max Kruse und Claudio Pizarro matt – viel zu spät wechselte Nouri aus. Vor dem 1:2 verschlampte prompt Kruse die Kugel. Der 37-jährige Coach aber stellte sich vor seine Stars: „Wir müssen Geduld mit ihnen haben und sollten kein überzogenes Maß anlegen.“
Werder mal wieder Schießbude der Liga
Insgesamt fehlt Werder vor allem wieder die Balance zwischen Defensive und Offensive. Wie früher unter Thomas Schaaf, wie danach unter Skripnik. Kein Erstligist wirkt annähernd so instabil: Mit 29 Gegentoren nach einem Saisondrittel steuert der Verein auf den Negativrekord aus der Abstiegssaison 1979/80 (93) zu.
Warum bekommt kein Trainer an der Weser die Schotten dicht? „Gute Frage, schwer zu beantworten“, meint Bargfrede, „anscheinend ist das bei uns drin.“ Implantiert bei Werder wie die Raute im Wappen? Das wäre kein gutes Signal für den Abstiegskampf.
Kurios: So prekär die sportliche Lage ist, so positiv hat sich das wirtschaftliche Ergebnis entwickelt.
Erstmals seit vier Jahren schwarze Zahlen
Am Montagabend vermeldete der Verein offiziell: Bei einem auf 108,1 Millionen Euro gesteigerten Konzernumsatz blieben 2,8 Millionen Gewinn übrig. Zuvor hatten die Grün-Weißen vier Jahre lang tiefrote Zahlen geschrieben, fast 38 Millionen Verluste gemacht und ihr Eigenkapital aufgebraucht.
Vorstandschef Klaus Filbry sieht die Ziellinie der Konsolidierung erreicht und stellt heraus, dass „wir nie unsere Balance aus sportlicher Wettbewerbsfähigkeit, gesellschaftlicher Verantwortung und wirtschaftlicher Vernunft aus den Augen verloren haben“.
In der Tat unterscheidet sich Werder hier erheblich vom HSV – es wurden keine Schulden gemacht, keine Anteile verkauft oder keine Abhängigkeit von einem Investor hergestellt. Filbry verkündet: „Wir können darauf aufbauend auch bei sportlich schwierigem Fahrwasser mutig die Segel setzen.“
Wohin aber Werder mit seinem neuen Vereinsmotto „Kurs Grün-Weiß“ diese Saison wirklich steuert, scheint derzeit ziemlich ungewiss.
Die Indizien sind erdrückend, dass der Abstiegskampf mindestens bis ins neue Jahr weitergeht. Selbst wenn es gelänge, den HSV wegzuputzen.