Von Patrick Mayer

München – 8,24 Meter. Soweit sprang Markus Rehm bei der deutschen Meisterschaft in Ulm.

Der unterschenkelamputierte Weitspringer übertraf seine Bestweite um 29 Zentimeter, die Norm für die Europameisterschaft in Zürich um 19. Er gewann denn Wettbewerb, nahm die Medaille als Deutscher Meister entgegen.

Sofort entbrannte eine hitzige Diskussion, weil er mit einer Sprungprothese an den Start gegangen war (BERICHT: Ein Märchen, ein Politikum).

Vorteil? Wettbewerbsverzerrung? Oder doch benachteiligt? Diese Fragen hatte der Deutsche Leichtathletikverband (DLV) zu klären. Und, ob der 25-Jährige mit zur EM darf (KOMMENTAR: Zeit zum Umdenken).

Der DLV entschied sich gegen eine Nominierung des Paralympicssiegers von 2012, was nicht minder kritische Reaktionen nach sich rief (INTERVIEW mit Christian Reif: „Das ist sehr unglücklich verlaufen“).

Im Interview mit SPORT1 spricht Rehm über seinen Frust, den Kampf gegen Vorurteile und fordert weitere Untersuchungen.

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SPORT1:Herr Rehm, Norm erfüllt, nicht nominiert – wie fühlt sich das an?

Markus Rehm: Sicherlich bin ich enttäuscht. Ich habe die Norm ganz offiziell gesprungen und damit die Kriterien erfüllt. Es ist schade, wenn man dann zu Hause bleiben muss. Ich bin auf die offizielle und detaillierte Begründung gespannt. Die werde ich mir genau angucken. Tatsächlich habe ich das Ergebnis nicht endgültig vom DLV erfahren.

SPORT1: Sondern?

Rehm: Ich habe mit dem DLV zwar Gespräche geführt, da hieß es dann, sie seien noch nicht komplett durch. Ich hab’s offiziell erst über die Presse und unseren Präsidenten Friedhelm Julius Beuchert (Deutscher Behindertensportbund, Anmerk. d. Red.) erfahren. Er hat mit meiner Trainerin gesprochen, über die ich das Ergebnis erfahren habe.

SPORT1: Und wie wurde die Nichtnominierung Ihnen gegenüber begründet?

Rehm: Mir wurde gesagt, dass man im Sprung Faktoren sehe, die eventuell einen Vorteil bringen könnten und vielleicht etwas außerhalb der Norm seien. Das war die erste Begründung. Ich habe dann darauf hingewiesen, dass mein Nachteil beim Anlauf komplett nicht mit in die Berechnung einbezogen wurde. Sie haben sich ausschließlich auf den Absprung konzentriert. Das ist derselbe Fehler wie bei Oscar Pistorius. In seinem Fall wurden bei einem 400-Meter-Lauf nur die letzten hundert Meter analysiert. Dass da kein vernünftiges Ergebnis bei rauskommt, sollte allen klar sein. Es muss ganzheitlich analysiert werden und nicht in Teilen.

Trost von Konkurrent Christian Reif:

SPORT1: Es wirkt, als habe man Ihnen einen solchen Satz nicht zugetraut?

Rehm: Sicherlich wurden gewisse Dinge zu spät eingeleitet. Ich glaube, dass sie mit der Situation etwas überfordert waren. Ich bin ehrlich, ich habe mit dieser Leistung selbst nicht gerechnet. Der hohe Druck und, dass gewisse Leute einem respektlos gegenübertreten, war aber eine große Motivation für mich. Ich wollte es ihnen zeigen. Jetzt muss aber diskutiert werden, warum eine solch‘ wichtige Entscheidung übers Knie gebrochen werden muss.

SPORT1: Eine Frage bleibt: Dürfen Sie den Meistertitel behalten?

Rehm: Das kann ich noch nicht sagen, darüber muss der DLV noch entscheiden.