München – Eine kurze Nacht, keine Klage, aber jede Menge Überzeugungsarbeit.

Markus Rehm hat am Tag nach seiner Nicht-Nominierung für die EM in Zürich (12. bis 17. August) den Kampf gegen Vorurteile und um mehr Aufklärung intensiviert.

Um nicht noch mehr Unruhe reinzubringen, verzichtet der Leverkusener allerdings auf juristische Schritte gegen den DLV. „Das ist gar nicht meine Art. Ich versuche, nicht zu sehr emotional darauf zu reagieren.

Nur, wenn uns Athleten ein Vorteil nachgesagt wird, werde ich emotional“, begründete Rehm im Gespräch mit SPORT1.

Verzicht auf Medaille möglich

Der Prothesen-Weitspringer will weitere Messungen durchführen lassen und unter Umständen auch auf seinen am vergangenen Wochenende in Ulm gewonnenen deutschen Meistertitel verzichten.

„Wenn mir ein Vorteil nachgewiesen wird, lass‘ ich mich aus allen Listen streichen und gebe die Medaille zurück“, sagte der 25-jährige Rehm am Donnerstag im Trainingslager in Kienbaum: „Ich will keinen Sieg haben, den ich nicht verdiene.“

„Ich werde mich mit der jetzigen Analyse nicht zufrieden geben. Wenn man jetzt das Buch schließt, werde ich es so sicherlich nicht akzeptieren. Ich fordere weitere Untersuchungen, um Vorurteile abzubauen“, so Rehm weiter.

„Es steckt mehr dahinter“

Er möchte mit zusätzlicher Aufklärung einem seiner Meinung nach weitverbreiteten Irrglauben entgegenwirken.

Wenn in den Köpfen drinbleibe, dass es nur an den Prothesen liege, „dann ist das ein falsches Bild“, meinte der Paralympics-Sieger von 2012.

„Wenn einer sagt, du bist nur so gut, weil du eine Prothese hast, finde ich das eine extreme Frechheit. Es steckt mehr dahinter“, sagte er bei SPORT1 (INTERVIEW: „Derselbe Fehler wie bei Pistorius“).

Rehm fordert weiter Untersuchungen

Für Rehm sind die Analysen, auf die sich der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) bei der Nicht-Nominierung stützte, längst noch nicht abgeschlossen.

„Nur die Hälfte der Messungen sind gemacht worden. Es werden noch weitere stattfinden, ich werde das vorantreiben“, kündigte Rehm an und hofft auf eine faire Lösung für den olympischen und den paralympischen Sport sowie den Leichtathletik-Nachwuchs.

Cheftrainer verteidigt Entscheidung

DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska untermauerte am Donnerstag die Entscheidung des Verbandes. „Ein Absprung mit einem Sprunggelenk ist nicht mit dem mit einer Karbon-Prothese vergleichbar“, erklärte Gonschinska dem „SID“.

Der 45-Jährige glaubt nicht an eine erhellende Aufklärung: „Selbst wenn wir eine Studie haben, bleibt die Aussage die gleiche. Dann wissen wir, wieviel Differenz es gibt. Aber es ist eben nicht vergleichbar.“

Nerius kritisiert DLV

Rehm-Trainerin Steffi Nerius warf dem DLV erhebliche Versäumnisse vor.

„Ich finde es schade, dass Markus dafür bestraft wird, dass der DLV es vor einem dreiviertel Jahr nicht geschafft hat, die Untersuchungen einzuleiten“, sagte die frühere Speerwurf-Weltmeisterin bei „Sky“.

Titel unter Vorbehalt

Der unterschenkelamputierte Rehm hatte in Ulm Geschichte geschrieben und als erster Springer mit Handicap den deutschen Meistertitel bei den Nicht-Behinderten „unter Vorbehalt“ gewonnen.

Im Vorfeld der Nominierung hatte es um seine Teilnahme kontroverse Diskussionen gegeben. Ob er den Titel behalten darf, ist nach eigener Aussage noch unklar.