Sie gilt als eine der aufregendsten Versprechungen im Ski-Sport und lässt Deutschland bereits jetzt vom ganz großen Wurf träumen. Mit 22 Jahren steht Emma Aicher erst am Anfang ihrer Karriere, doch ihr Talent und ihr Selbstverständnis auf höchstem Niveau sind unverkennbar.
Am Samstag stellte Aicher in der Abfahrt von St. Moritz den alpinen Ski-Sport auf den Kopf und fuhr den dritten Weltcupsieg ihrer Karriere ein.
Dabei ließ das deutsche Juwel auf einen Schlag die Olympiasiegerinnen Lindsey Vonn und Sofia Goggia hinter sich.
Aicher startet als einzige Athletin in allen Disziplinen
„Sie hat einen super Touch und fährt einfach ganz sauber“, sagte Vonn bei der ARD anschließend über das große Talent von Aicher, das im Wintersport längst einen großen Hype losgetreten hat.
Als einzige Athletin im gesamten Weltcup fährt Aicher alle Disziplinen. In Kombination mit ihrem Talent und den bisherigen Leistungen macht dies die Ski-Sensation nahezu automatisch zu einer Anwärterin auf den Gesamtweltcup.
Mit Felix Neureuther geriet auch Deutschlands erfolgreichster alpiner Skifahrer nach dem Coup ins Schwärmen. „Sie hat etwas, was man nicht lernen kann. Sie hat den Willen und unfassbar viel Spaß am Ski-Fahren. Das Pensum, das diese Frau abspult, kann man schwer beschreiben“, erklärte Neureuther.
Durch ihre Teilnahme an allen Disziplinen im Weltcup tritt Aicher unter anderem in die Fußstapfen von Vonn, Tina Maze und Maria Höfl-Riesch. Echte Größen des Sports, die in ihrer Karriere alle den Gesamtweltcup gewinnen konnten.
Neureuther: „Das Niveau ist unfassbar“
„Sie stand schon in drei Disziplinen auf dem Podest. Das Niveau ist schon jetzt unfassbar bei ihr und sie hat zudem noch so viel Potenzial. Es macht einfach unfassbar viel Spaß, ihr beim Skifahren zuzuschauen“, schwärmte Neureuther weiter.
Nach Höfl-Riesch (2010/11), Katja Seizinger (1997/98 und 1995/96) sowie Rosi Mittermaier (1975/76) könnte sich Aicher zukünftig in eine Reihe legendärer Namen einreihen und erst als vierte Deutsche den Gesamtweltcup für sich entscheiden.
DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier wies den Hype um Aicher vor dem Saisonstart jedoch zurück und bremste die Euphorie. „Den Hype machen ja nicht wir, das macht schon ihr, indem ihr das medial so hochschießt und das Mädel als mögliche Gesamtweltcupsiegerin einfach in völlig verkehrte Kategorien einordnet“, kritisierte Maier mit Blick auf die Berichterstattung.
DSV-Direktor bremst Hype um Aicher: „Wen kümmert es?“
Auf SPORT1-Nachfrage erklärte Maier, der als Trainer unter anderem Höfl-Riesch zu ihrem Gesamtweltcupsieg brachte, zudem: „Wir sagen immer: runter vom Gas, lasst sie sich erst entwickeln. Sie hat noch viele Baustellen, aber die Experten wissen natürlich – und das ist ein Teil des Geschäfts – dass die Emma Aicher Gesamtweltcupsiegerin werden kann. Ja okay, wen kümmert es? Man wird es sehen.“
Zwar erkenne man auch beim DSV eindeutig an, dass die gebürtige Schwedin ein herausragendes Talent besitze, dennoch liege der Fokus zunächst darauf, in Ruhe an ihren Schwächen zu arbeiten, damit Aicher wirklich einmal das erreichen könne, was schon heute prognostiziert werde.
Ohnehin scheint die 22-Jährige der Hype um ihre Person nicht aus der Ruhe zu bringen. In ihrer gewohnt unaufgeregten Art sagte Aicher vor der Saison über ihre Ziele im Weltcup und mit Blick auf die Olympischen Spiele 2026: „Erstmal muss ich mich qualifizieren. Ich will einfach nur gut Ski fahren, Spaß haben und Gesund bleiben und dann schaue ich im Februar, wo ich bin.“
Gesamtweltcup als Ziel? „Jo“
Auch wenn Aicher vor der Saison erklärte: „Ich bin halt so, ich rede nicht viel“, ließ sie sich zu einer knappen Antwort bezüglich ihrer Gesamtweltcup-Ambitionen hinreißen. Auf die Frage, ob das Ziel ihrer harten Arbeit tatsächlich der Sieg im Gesamtweltcup wäre, bestätigte Aicher: „Jo.“
Mit ihrem ersten Sieg in einer technischen Disziplin beim Slalom von Levi hatte die Saison für Aicher äußerst vielversprechend begonnen. Und doch ließ sie nur knapp 24 Stunden nach dem Abfahrtscoup in St. Moritz auch eine ihrer bestehenden „Baustellen“ erkennen.
Bei einem Sprung im Super-G hatte Aicher noch vor der ersten Zwischenzeit die Kontrolle verloren und stürzte. Nachdem sie auf dem Bauch ein Stück den Hang hinuntergerutscht war, blieb die Hoffnungsträgerin glücklicherweise verletzungsfrei.
„Ich habe die Sprungbewegung einfach nicht gescheit gemacht und habe hinten dringesessen. Dumm einfach“, ärgerte sich Aicher.
Ist Aicher schon reif für die Kristallkugel?
Trotz des Abflugs am Sonntag ist es möglich, dass Aicher schon in dieser Saison im Rennen um die Kristallkugel mitmischen kann. Doch die Konkurrenz ist in diesem Winter groß.
Aufgrund der Dominanz von Mikaela Shiffrin im Slalom und den starken Leistungen von Alice Robinson in zwei Disziplinen muss Aicher wohl in drei Disziplinen auf dem Podest landen, um für den ersten deutschen Gesamtsieg seit 15 Jahren zu sorgen.
Aktuell liegt Aicher hinter Slalom-Expertin Lena Dürr auf Rang acht der Gesamtwertung. Ihr bisher bestes Gesamtergebnis war der 15. Platz in der vergangenen Saison.