Nadine Angerer hatte gute Laune am Sonntag. Das Elfmeter-Drama im Viertelfinale gegen Frankreich war weit genug weg, das Halbfinale gegen die USA (Mittwoch, ab 1 Uhr im LIVETICKER) noch nicht zu nah gerückt, weshalb die deutsche Nationaltorhüterin mal ein bisschen aus dem Nähkästchen plauderte.
Beispielsweise über den „Battle“ (Wettkampf), den sie vor einigen Monaten spaßeshalber mit der amerikanischen Nationalspielerin Alex Morgan veranstaltet hatte, als beide noch gemeinsam bei den Portland Thorns trainierten.
„Sie hat mir nach dem Training häufiger einige Bälle aufs Tor geschossen, und wir haben gesagt, wir imitieren das WM-Finale, 90. Minute. Jetzt ist es aber das WM-Halbfinale geworden.“
Angerer schwärmt vom Schnellzug USA
Angerer kennt sich aus den mit den US-Amerikanerinnen. „Eine sehr erfahrene Mannschaft, da hat ja kaum eine weniger als 100 Länderspiele. Sie sind spielerisch gut, haben enorm Power, kommen sehr über die Physis – im athletischen Bereich sind sie seit Jahren die führende Nation“, erzählt die 36-Jährige. „Und wenn ich mir die Offensive anschaue: Da kommt ein geballter ICE auf uns zugerast.“
Die USA spielen immer auf Angriff. Aber ganz anders als Frankreich, die mit flinken Spielerinnen und flotten Kombinationen zum Erfolg kommen wollen. Die USA versuchen es mit wuchtigen Protagonisten, mit scharfen Flanken.
Eine Art Dauerbeschuss, bei der sich vor allem die kopfballstarke Abby Wambach (35 Jahre), die athletische Megan Rapinoe (29) oder die schussstarke Alex Morgan (25) in Szene setzen.
Angerer zählt sofort drei, vier weitere Namen auf, „die sind individuell in der Offensive extrem gut besetzt.“ Und so schlecht steht die Defensive ja auch nicht, sonst wäre Gegenüber Hope Solo nicht seit 423 Minuten ohne Gegentor.
Nadine Angerer glänzt im Viertelfinale gegen Frankreich mit mehreren Paraden und wird nach dem Elferschießen gefeiert. Zwei Offensivkräfte schwächeln. Die Einzelkritik.
Neid beschwört Ende von Solos Serie
Silvia Neid war das gar nicht so bewusst. „Dann wird Zeit, dass sie mal wieder ein Gegentor bekommt. Das wünschen wir uns.“ Die Bundestrainerin spricht von „dem nächsten harten Brocken“, der auf dem Weg ins Finale in Vancouver im Weg liegt.
Ganz in der Nähe des Teamhotels, in dem die deutsche und amerikanische Frauen-Nationalmannschaft gemeinsam untergebracht sind, parkt das vom Sponsor Allianz gestellte Wohnmobil mit der Aufschrift „Titeltraum“ – der Slogan lebt weiter.
Denn demütig geben sich die Deutschen nicht. !Die USA sind sehr von sich überzeugt. Ich glaube aber, ihnen ist auch nicht recht, dass sie gegen uns antreten müssen“, sagt Neid mit einem verschmitzten Grinsen.
„Die Amis sind laut“
Deren weiträumig aufgezogener Powerstil „liegt uns vielleicht besser als Frankreich“, mutmaßt die 51-Jährige, die sich nach einer Demonstration deutscher Stärke auch deshalb sehnt, weil ihr einiges am amerikanischen Auftreten nicht gefällt.
„Die Amis sind grundsätzlich laut. Sie werden wieder so tun, als hätten sie schon gewonnen.“ Für Angerer haben die US-Frauen „ein eingebautes optimistisches Gen, die glaube bis zum Schluss an sich.“
30.000 Zuschauer erwartet
Es ist das Duell der Giganten, das nun im baufälligen, schrecklich gesichtslosen Betonmonstrum des Olympiastadions von Montreal ausgetragen wird. Gut möglich, dass tatsächlich annähernd 30.000 Zuschauer kommen, um den Vergleich zwischen dem Weltranglistenersten (Deutschland) und -zweiten (USA) zu sehen.
Viel mehr passen gar nicht rein – der ganze Oberrang ist aus Sicherheitsgründen gesperrt. Eigentlich hatten viele diesen Vergleich bereits im Endspiel der letzten WM 2011 in Deutschland erwartet, doch dann verabschiedete sich der Gastgeber bereits im Viertelfinale.
Angerer und Neid vor Abschied
Auch deshalb ist Neid heilfroh, bei den schwierigen Bedingungen in Kanada auf dem weiter äußerst ungeliebten Kunstrasen überhaupt das Halbfinale erreicht zu haben. Damit sei sie „total zufrieden“, sagt sie, „das ist ein richtig großer Erfolg.“ Das Finale wäre eine Zugabe. Aber es wäre allemal eine lohnende Bühne.
Und der beste Ort, um nicht nur die Bundestrainerin von ihrer letzten WM zu verabschieden, sondern auch die Karriere der Torhüterin zu beenden. Nadine Angerer macht bekanntlich bald Schluss.
Alternative für die Abschiedstour wäre ansonsten beim Spiel um den dritten Platz nämlich das Commonwealth Stadium in Edmonton, das nicht annähernd mit dem Charme von Vancouver mithalten kann. Da gibt es doppelten Grund, das zu umgehen.