Wenn Maik Franz über seinen Herzensverein, den Karlsruher SC, spricht, sprudelt es nur so aus ihm heraus. „Iron Maik“ – diesen Spitznamen bekam er zu seiner Zeit bei den Badenern – spielte von 2006 bis 2009 für den Klub. Am Samstag empfängt Hertha BSC im Zweitliga-Topspiel den KSC (Zweite Liga: Hertha BSC – Karlsruher SC, ab 19.30 Uhr live im TV auf SPORT1). Für die Alte Dame, seinen anderen Lieblingsklub, stand Franz von 2011 bis 2014 auf dem Rasen. Im SPORT1-Interview spricht der 42-Jährige über seine früheren Klubs, einen „neuen Maik Franz“ und Bayern-Trainer Thomas Tuchel.
„Voller Vorfreude“ vor dem Duell seiner Herzensvereine Karlsruhe und Hertha BSC
SPORT1: Herr Franz, Hertha gegen den KSC – was macht das mit Ihnen?
Maik Franz: Ich bin voller Vorfreude. Ich bin oft mit meinen Kids auf den Amateurplätzen unterwegs und freue mich dann immer, wenn ich für SPORT1 im Einsatz bin. Das am Samstag ist natürlich ein ganz besonderes Spiel für mich. Der KSC ist mein absoluter Herzensverein und die Hertha einer meiner Lieblingsklubs. Es gibt die Fanfreundschaft und es ist auch eine besondere Aktion geplant. Die Anhänger des KSC stehen neben dem Hertha-Block. Das gab es so noch nie. Es werden fast 55.000 Leute erwartet, also ein würdiger Rahmen für solch ein Abendspiel. Pal Dardai (Herthas Trainer, d. Red.) hat ja mal gesagt, dass das Stadion ab 40.000 Zuschauern lebt. Das wird einfach ein Riesen-Ding. Der KSC ist in einer ganz schwierigen Phase und die Hertha befindet sich in einem Transformationsprozess. Für beide wird das eine sehr wichtige Partie.
SPORT1: Man merkt, dass Sie selbst beim Telefonat Gänsehaut bekommen. Sie wurden beim KSC zur Legende. Warum?
Franz: Das war ein großes Miteinander zwischen Fans und Mannschaft. Viele Spieler kamen aus der Region und haben sich wirklich mit dem KSC identifiziert. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Poker-Charity-Event mit den Ultras und an unvergessliche Abende als wir nach Siegen mit den Fans um die Häuser gezogen sind. Wir hatten ein wahnsinniges Jahr, waren nie schlechter als Platz zwei und sind souverän aufgestiegen. In meinem ersten Interview sagte ich damals, dass ich aufsteigen will. Dafür wurde ich belächelt, aber am Ende haben wir es geschafft. So kam diese Bindung zustande.
SPORT1: Können Sie das konkret erklären?
Franz: In München gibt es zum Beispiel einen KSC-Fanclub und als wir mit der Mannschaft auf dem Oktoberfest waren, haben wir am Ende des Abends zusammen auf den Tischen getanzt. Wir haben damals echt die Sau rausgelassen. Ich erinnere mich daran, dass ich bei der Aufstiegsfeier oberkörperfrei auf dem Tresen im „La Vida Loca“ stand, einem Laden für die harten KSC-Fans. Dann hatte ich mich bei der Aufstiegsparty auf dem Rathausbalkon verleiten lassen, „Stuttgarter A***“ anzustimmen unter anderem dafür haben mich die KSC-Fans gefeiert. Durch meine harte Spielweise und das straighte Auftreten bekam ich von den KSC-Fans den Spitznamen „Iron Maik“. Das Highlight war eine eigene Choreo für mich – einfach unvergesslich.
SPORT1: Die bekannte Szene mit dem Gartenstuhl hat Sie endgültig zum Kultspieler des KSC gemacht.
Franz: Absolut. Und es war genau richtig, dass ich das damals gemacht habe. Schalke war an dem Tag viel besser. Wir wurden vorgeführt. In der Halbzeit habe ich dann gesagt, wenn die uns hier vorführen wollen, dann muss es denen wenigstens wehtun. Ich wollte unsere Fans wieder auf unsere Seite ziehen. Dann haut mich der Farfan an der Mittellinie weg und ich mache drei Pirouetten. Er bekam Gelb, ich hatte schon Gelb. Dann habe ich mich zur Haupttribüne umgedreht und sie aufgefordert Stimmung zu machen, in dem Moment war das Stadion wieder voll da. Plötzlich kam der Schiri und gab mir Gelb-Rot, weil er dachte, ich hätte die Schalker-Bank provoziert. Auf dem Weg in die Kabine habe ich aus Wut den Stuhl weggetreten. Witzig war, dass der Stuhl gefühlte zehn Meter geflogen ist und dann wieder stand. Das war schon ein Kunststück. (lacht)
Franz war „nie ein Fan“ von Ex-DFB-Star Mario Gomez
SPORT1: Was löst der Name Mario Gomez heute bei Ihnen aus?
Franz: Nichts. Ich war nie ein Fan von ihm. Er war ein guter Spieler, aber vom Hocker gerissen hat er mich nicht. Der Zoff mit ihm ist ja jetzt auch schon einige Jahre her. Im Nachgang unseres Duells ging eine ganz schöne Lawine los, aber für mich war es okay. Schlimmer war es für meine Familie. Um ehrlich zu sein, fand ich es schon cool, wenn ein ganzes Stadion gegen mich war.
- Bundesliga-Highlights im Video
- Alle Bundesliga-News
- SPORT1 Bundesliga Classics: Historische Momente im Video
SPORT1: Sie wurden damals von Gomez als A***loch bezeichnet.
Franz: Ich war auf dem Platz oft ein A***loch. Ich war im Spiel ein anderer Mensch. Ich habe immer alles gegeben und wenn es sportlich nicht mehr gereicht hat, habe ich versucht, den Gegner auf ein anderes Level runterzuziehen. Wenn wir mit dem KSC gegen die Bayern gespielt haben, dann waren die nun mal zwei Klassen besser. Und im Duell mit Luca Toni habe ich versucht, ihn auf meine Art weich zu kochen. Wenn es damals schon einen Videobeweis gegeben hätte, wäre ich wahrscheinlich heute der Rekordspieler mit Roten Karten.
SPORT1: Gab es mal eine Aussprache mit Gomez?
Franz: Nein. Das war auch nicht notwendig. Wir hatten auch keine Berührungspunkte. Ich war ja nie Nationalspieler (lacht laut). Aber diese Emotionen, die damals dadurch hoch kamen, gehören doch zum Fußball dazu. Mein Appell an die heutigen Spieler: ‚Sagt, was ihr denkt! Lasst den Fußball leben!‘ Da finde ich Thomas Müller klasse, weil er auch mal den Mund aufmacht, was andere sich nicht trauen. Ihm ist es einfach egal, was andere denken und er kann es sich aufgrund seiner starken Leistungen auch erlauben. Er macht das auf eine sehr charmante Art. Heute ist leider zu viel glatt gebügelt im Fußball. So eine Geschichte wie mit Thomas Tuchel, Didi Hamann und Lothar Matthäus ist doch belebend.
„Kann Tuchels Reaktion verstehen“
SPORT1: Können Sie Tuchel verstehen oder hat er zu dünnhäutig reagiert?
Franz: Ich kann Tuchel verstehen, er kam sehr authentisch rüber. Manche finden ihn gut, andere mögen ihn nicht. Tuchel war nicht zu dünnhäutig. Ich glaube ihm aber nicht, dass er keine Zeitung liest. Es gibt ein gutes Beispiel: Jos Luhukay war in Berlin mein Trainer. Er sagte auch immer, dass er keine Zeitung lesen würde. Doch als ich einmal morgens bei ihm im Trainerzimmer war, lagen da alle sechs Berliner Tageszeitungen auf dem Tisch. Die Reaktion von Tuchel war einfach nur menschlich.
SPORT1: Wer ist denn heute der Maik Franz für Sie?
Franz: Antonio Rüdiger gefällt mir richtig gut. Er ist eine Maschine. Er ist ein Typ mit Emotionen und Leidenschaft, das habe ich früher auch versucht zu verkörpern. Wie er sich zuletzt den Stürmer von Rayo Vallecano (Florian Lejeune, d. Red.) gepackt hat, das war schon geil. In der Bundesliga gibt es den Darmstädter Klaus Gjasula, der auch immer hart am Limit ist.
SPORT1: Gibt es eine Anekdote aus Ihrer Hertha-Zeit?
Franz: Otto Rehhagel war mein Trainer in Berlin. Ich habe großen Respekt vor ihm. Wir hatten die Relegation gegen Fortuna Düsseldorf und ich war leider verletzt. Das Hinspiel haben wir bei uns knapp verloren und die Düsseldorfer haben sich dann schon feiern lassen, als wären sie bereits aufgestiegen. Das hat mich richtig genervt. In der Kabine habe ich am nächsten Tag Bilder von den feiernden Fortunen aufgehängt. Ich habe dann eine flammende Ansprache gehalten. Da war Rehhagel sprachlos. Das war ein krasser Moment.
„Die Hertha ist auf einem guten Weg“
SPORT1: Die Hertha hat sich berappelt, oder?
Franz: Ja. Die Alte Dame will sich gerade wieder erden. In den vergangenen Jahren wurde bei der Hertha Geld ohne Ende verbrannt. Es wurden katastrophale Fehler gemacht, es wurden Spielergehälter gezahlt, bei denen ich mir an den Kopf fasse. Bestes Beispiel: Lucas Tousart. Er war und ist in meinen Augen ein Durchschnittsspieler und hat bei der Hertha vier bis fünf Millionen Euro pro Saison verdient. Und ein Arne Maier aus der eigenen Jugend wurde weggeschickt. Präsident Kai Bernstein muss momentan mit seinen Leuten diesen Scherbenhaufen aufkehren. Aber die neue Hertha ist auf einem guten Weg. Wenn Pal Dardai es hinbekommt, taktisch für die eine oder andere Überraschung zu sorgen, sehe ich den Klub zeitnah wieder in der oberen Tabellenhälfte.
SPORT1: Kommen wir nochmal zum KSC. Die aktuelle Führung ist nicht stark?
Franz: So kommt es momentan zumindest rüber. Mir fehlt beim KSC derzeit der starke Mann, der die Führung übernimmt. Momentan gibt es zwei Lager, die sich duellieren und der Verein ist in einer brutal schwierigen Situation. Mit Christian Eichner hat man einen richtig guten Trainer. Doch aufgrund der aktuellen Situation fordern einige Fans seine Entlassung. Er kann aber auch nur mit dem Spielermaterial arbeiten, das da ist. Es fehlt ein top Stürmer wie in der Vergangenheit Philipp Hofmann. Gefühlt schießt beim KSC gerade jeder gegen jeden. Das muss ein Ende haben und gemeinsam sollte sie wieder in eine Richtung marschieren. Der Präsident der dahingehend ein Machtwort sprechen könnte, wirkt für mich wie ein Phantom und versteckt sich. Die Situation ist leider alarmierend.
SPORT1: War die Trennung von Oliver Kreuzer als Geschäftsführer Sport ein Fehler?
Franz: Zu ihm gibt es unterschiedliche Meinungen. Aber im Nachgang war es zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich ein Fehler. Olli hat zum Beispiel mit Hofmann und Mikkel Kaufmann Spieler geholt, die Leistung gebracht haben und sich zu Unterschiedsspielern entwickelt haben.
SPORT1: Wird es am Samstag ein Schicksalsspiel für KSC-Trainer Christian Eichner?
Franz: Das hoffe ich nicht. Es wäre eine Katastrophe. Ich habe drei Jahre mit ihm zusammen gespielt. Auch ein neuer Trainer wird nicht viel ändern können. Der Kader ist einfach an einigen Stellen zu dünn. Christian hat in der Vergangenheit mit einem überschaubaren Spielermaterial sehr gute Leistungen erzielt. Ich bin zwar mit ihm befreundet, versuche es aber sachlich einzuordnen. Die anfängliche Euphorie ist durch die schwachen Leistungen und die internen Querelen erstmal verflogen. Es wird nur gemeinsam wieder nach oben gehen.