Ich traf gerade einen Holländer im Supermarkt. Er erzählte mir, dass sie morgen gegen Argentinien spielen. Ich meinte nur: So ein Zufall, wir am Sonntag auch.
Uns alle hat die Schilderung dieser kleinen Begebenheit an diesem Dienstag zum Lachen gebracht. Zum Staunen. Zum Nachdenken.
Für mich persönlich, muss ich sagen, war es wahrscheinlich die anregendste Supermarktbegegnung seit damals, es muss so um die Vorweihnachtszeit gewesen sein, als mich einer meiner vielen Anhänger ansprach und mich fragte, ob ich denn schon all meine Geschenke hätte. Worauf ich lediglich erwiderte: Nein, die bekomme ich erst an Heiligabend.
Wobei: Eigentlich war die jetzige noch ein Stück faszinierender. Es war schlieÃlich nicht nur ich, der sie erleben durfte.
Jeder, tatsächlich jeder, der mir an diesem Dienstag auÃer dem Holländer begegnet ist, wusste mir seinerseits von einem Zusammenkommen mit einem niederländischen Nachbarn in einem Warenhaus zu berichten, welcher ihm erzählte, dass sie am Tag darauf gegen Argentinien spielen würden.
Eine unglaubliche Geschichte, wenn man darüber nachdenkt und hochrechnet, dass offensichtlich jeder der 82 Millionen deutschen Bundesbürger in dieser Woche einen Holländer im Supermarkt angetroffen hat.
Man fragt sich schon, wie es zu diesem Phänomen kommen konnte. Und wie genau seine Umstände aussahen.
War es ein und derselbe Holländer, der dem ganzen Nachbarland die exakte Ansetzung des zweiten WM-Halbfinals übermitteln wollte? Oder sind etwa sämtliche Bewohner unserer Nation einem anderen Holländer begegnet?
Geht ja nicht, mehr als 17 Millionen Holländer gibt es ja nicht, sie können sich allenfalls so aufgeteilt haben, dass jeder von ihnen exakt 4,82 deutschen Supermarktbesuchern Datum und Kontrahenten der niederländischen Semifinalpartie verraten haben würde.
Aber ehrlich, mal abgesehen von dem logistischen Aufwand, den das mit sich gebracht hätte: Hätte jeder dieser 17 Millionen Holländer die Disziplin gehabt, das genauso durchzuziehen?
Hatte nicht irgendwer das Bedürfnis, über etwas anderes zu reden?
Wenn jetzt am Dienstag – nur als Beispiel – der niederländische Nationaltrainer Louis van Gaal im Supermarkt ? sagen wir ? dem ARD-Experten Mehmet Scholl begegnet wäre: Ist es nicht wahrscheinlicher, dass der Dialog anders verlaufen wäre?
Dass Louis van Gaal eher so etwas erzählt hätte wie: “Guck mal, Mehmet, was ich hier in der SüÃwarenabteilung für einen groÃen FuÃball-Keks gefunden habe. Ist das nicht der gröÃte FuÃball-Keks den du je gesehen hast? Und dann auch noch im Sonderangebot. Ich muss wirklich einen goldenen Willi haben.”
Und dass Mehmet Scholl darauf geantwortet hätte: “Tut mir leid, Louis, aber wenn du denkst, dass du so einen groÃen FuÃball-Keks auch essen kannst, wird dein goldener Willi als Bumerang auf dich zurückkommen – und das wäre eine ganz absurde Story.”
Sie sehen: Je mehr man darüber nachdenkt, umso rätselhafter wird die Angelegenheit.
Ich bin mittlerweile ehrlich gesagt schon so verwirrt, dass ich gar nicht mehr beschwören kann, ob ich an diesem Dienstag überhaupt einkaufen war.
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