Es ist noch nicht lange her, als die Biathlon-Karriere von Ella Halvarsson an einer Gabelung angelangt war. Ihr Trainerteam hatte Zweifel, ob die heute 26-Jährige es wirklich an die Spitze ihres Sports schaffen könnte.

Also kam es im Sommer 2024 zu einem ernsten Gespräch zwischen ihr und ihrem schwedischen Nationalcoach Johannes Lukas, in dem einige Dinge klar angesprochen wurden. Halvarsson arbeitete hart – doch für den Münchner war es dennoch riskant, sie in das starke Weltcup-Team aufzunehmen. Sollte es schiefgehen, würden sich die schwedischen Medien auch auf ihn stürzen.

Doch Lukas und sein Trainerteam wagten es trotzdem – und wurden belohnt. Halvarsson wurde einer der Shootingstars der vergangenen Saison. Gekrönt wurde ihr Aufschwung von zwei WM-Medaillen, wobei vor allem die Silbermedaille im Einzel herausragt.

Biathlon-Star Ella Halvarsson hat eine Olympia-Medaille fest im Visier
Biathlon-Star Ella Halvarsson hat eine Olympia-Medaille fest im VisierBiathlon-Star Ella Halvarsson hat eine Olympia-Medaille fest im Visier

„Eine der größten Medaillen, die wir je gewonnen haben“

Lukas meinte danach bei Aftonbladet sogar, dass es für ihn und sein Trainerteam „eine der größten Medaillen ist, die wir je gewonnen haben“. Denn Halvarsson sei eine Athletin gewesen, „an die viele vielleicht nicht geglaubt haben.“ Doch sie mit ins Team zu holen, war „eine der besten Entscheidungen, die wir je getroffen haben.“

Auch Halvarsson erinnert sich noch gut an diese schwierige Zeit zurück, wie sie im exklusiven Gespräch mit SPORT1 verrät: „Das letzte Jahr war wie ein Traum. Wenn ich zurückblicke, wo ich im Mai letzten Jahres stand und was dann im Winter passierte, ist das ein riesiger Unterschied. Deshalb bin ich sehr stolz, dass ich nicht aufgegeben und einfach weiter an mich geglaubt habe.“

Doch ihr Erfolg im vergangenen Winter gehört der Vergangenheit an, am Samstag startete in Halvarssons schwedischer Heimat die neue Biathlon-Saison – mit den Olympischen Spielen als Höhepunkt. Ihr großes Ziel ist der Gewinn einer Medaille: „Das ist der Kindheitstraum, den ich mir diesen Winter erfüllen möchte.“

Umstrittenes Hitzetraining: Das verspricht sich Halvarsson

Damit dies klappt, ist sie im Sommer einen neuen Schritt gegangen und hat das im Biathlon heiß diskutierte Hitzetraining ausprobiert.

Dabei wird versucht, künstliches Fieber zu erzeugen, um die Hämoglobinmenge zu steigern – ein vereinfachtes Höhentraining also. „Es soll die Höhenlage simulieren, die wir zu Hause in Schweden nicht haben“, erklärt Halvarsson.

Für sie soll es aber auch noch einen zweiten Nutzen haben: „Hoffentlich hilft es uns auch bei hohen Temperaturen. Ich bin jemand, der damit zu kämpfen hat. An warmen Wintertagen wird mir sehr schnell heiß.“ Dafür nimmt sie auch die Risiken in Kauf, die diese Art des Trainings mit sich bringt.

Zwar seien ihre Worte, sie wäre einmal sogar ohnmächtig geworden, von den schwedischen Medien aus dem Kontext gerissen worden – doch Halvarsson gibt zu, dass es etwas Zeit brauchte, bis sie nicht mehr so stark mit der Hitze und der daraus resultierenden Müdigkeit zu kämpfen hatte.

„Wirklich beeindruckend“: Preuß inspiriert ihre Konkurrenz

Es ist ein Versuch, um konstant zur Weltspitze aufzuschließen, denn die Konkurrenz ist stark. Besonders imponiert haben Halvarsson dabei Gesamtweltcupsiegerin Franziska Preuß und Lou Jeanmonnot: „Im vergangenen Jahr haben sie immer gut geschossen und sind immer gut gelaufen. Es ist wirklich beeindruckend, was sie da geleistet haben.“

Ähnlich wie Preuß hatte Halvarsson in ihrer Karriere häufiger mit gesundheitlichen Rückschlägen zu kämpfen. Die Deutsche sieht sie in dieser Hinsicht daher sogar als Inspiration. „Sie zeigt mir, dass es möglich ist. Ich hoffe, dass ich nach einer Krankheit auch wieder so zurückkommen kann“, schwärmt die Schwedin, auch wenn sie noch nicht „versteht, wie sie (Preuß) das macht.“

Um eines Tages in ähnliche Sphären wie Preuß zu kommen, sieht Halvarsson bei sich vor allem im Schießen noch Verbesserungspotenzial, vor allem beim Stehendanschlag – doch das ist nicht alles: „Ich kann beim ersten Schuss auch schneller werden. Aber auch beim Anlauf zum Schießstand und in der Strafrunde bin ich ziemlich langsam.“

Ella Halvarsson sieht noch Verbesserungspotenzial beim Stehendanschlag
Ella Halvarsson sieht noch Verbesserungspotenzial beim StehendanschlagElla Halvarsson sieht noch Verbesserungspotenzial beim Stehendanschlag

Doch Halvarsson hat in der Vergangenheit bereits deutlich größere Herausforderungen gemeistert. So war sie jahrelang derart nervös, dass sie sich vor Wettkämpfen übergeben musste. „Ich bin immer noch nervös, aber ich habe das Gefühl, dass ich es etwas besser unter Kontrolle habe. Ich lasse mich davon nicht beeinflussen“, berichtet sie von ihren Fortschritten.

Ein neues Hobby, was womöglich auch beim Biathlon hilft

Beim Entspannen dürfte ihr auch ein neues Hobby helfen, dem sie nachgeht, wenn sie nicht gerade zeichnet oder ein Buch liest. „Ich habe mich den anderen Mädels beim Stricken angeschlossen, die Oma-Vibes“, erzählt Halvarsson SPORT1 lachend.

Dass Stricken die innere Ruhe fördert, ist bekannt, weshalb es wohl kein Zufall ist, dass einige der erfolgreichsten Biathletinnen wie Magdalena Neuner und Tiril Eckhoff dies ebenfalls als großes Hobby hatten.

Für so eine große Karriere wie bei den beiden wird es wohl nicht mehr reichen – zumal es aktuell noch offen ist, ob sie ihre starke Saison vom Vorjahr bestätigen kann. Die ersten Anzeichen sind aber positiv. Halvarsson gewann mit ihrem Teamkollegen Sebastian Samuelsson die Single-Mixed-Staffel zum Auftakt.

Daran zweifeln, dass sie es an die Spitze ihres Sports schaffen kann, wird jedenfalls wohl keiner mehr.