Sergej Grinkow war ein Leisetreter, sowohl im Eiskunstlauf als auch im Leben: Kaum jemand, von Sport- und Ehepartnerin Jekaterina Gordejewa einmal abgesehen, glitt so nahezu geräuschlos wie er über die Eisfläche, ohne Kratzen, ohne Knistern, ein Genuss.
Grinkow und Gordejewa waren ein Traumpaar auf dem Eis, gewannen vier WM-Titel, holten zweimal Gold bei Olympia: 1988 in Calgary für die Sowjetunion, 1994 in Lillehammer für Russland.
Brutal und völlig unerwartet zerstört wurde diese auch im täglichen Leben immer harmonische Beziehung am 20. November 1995, heute vor 30 Jahren. Bei einer Trainingseinheit in Lake Placid brach der gerade einmal 28 Jahre alte Grinkow mit einem Herzinfarkt tot zusammen – und hinterließ nicht nur seine Ehefrau Jekaterina, sondern auch seine dreijährige Tochter Daria.
Keinem Arzt war es aufgefallen
Tragisch: Erst bei der Untersuchung der Todesursache stellten Mediziner fest, dass Grinkow genetisch vorbelastet war. Keinem Arzt waren zuvor die mehr und mehr verstopften Kranzarterien des viermaligen Weltmeisters aufgefallen.
Grinkows Tod schärfte über die Eislauf-Welt hinaus das Bewusstsein für die lebensgefährlichen Wechselwirkungen zwischen Herzproblemen und Leistungssport bei jungen Menschen: Als Grinkow starb, war auch die Erinnerung an den Herztod des nur 33 Jahre alten Bundesliga-Fußballers Michael Klein von Bayer Uerdingen im Jahr 1993 noch frisch.
Im Jahr 1998 erlitt Kleins damaliger Vereinskollege Axel Jüptner mit 28 dasselbe Schicksal. Im darauffolgenden Jahrzehnt schockierten die Tode von Marc-Vivien Foé, Miklos Feher und Antonio Puerta die Welt – bei der EM 2021 erinnerte der Herzstillstand von Christian Eriksen an das Risiko.
Herzinfarkt: Grinkows Schicksal wurde begriffsbildend
Im Fall Grinkow zeigte sich später, dass auch Grinkows Eltern – ein Polizisten-Ehepaar aus Moskau – an Herzproblemen litten; seine Mutter starb im Jahr 2000, sein Vater schon vor ihm.
Die Grinkow-Tragödie beschäftigte auch die Welt der Medizin nachhaltig, der „Grinkow Risk Factor“ ist mittlerweile ein feststehender Begriff für die Herzerkrankung, die ihn das Leben gekostet hatte.
Die zum Zeitpunkt von Grinkows Tod nur 24 Jahre alte Gordejewa – seit 2020 in dritter Ehe verheiratet mit David Pelletier, dem kanadischen Paarlauf-Olympiasieger von 2002 – ist bis heute als öffentliche Person auch in den sozialen Medien präsent, bei Instagram zeigt sie sich auch öfters an der Seite ihrer nun erwachsenen Tochter Daria.
Die seit vielen Jahren in Nordamerika lebende Gordejewa engagiert sich auch auf vielen Wegen, um das Bewusstsein für Herzprobleme zu schärfen. Auch ihren eigenen Vater verlor sie im Jahr 2008 auf diese Weise.
HERE SHOULD BE OZ IMAGE – EMBED IT AGAIN WITH TRANSFORMATION ID: 8b9b8fbd-db54-4133-b245-9fde8657b861
CAPTION: Sergej Grinkows Frau Katia Gordejewa und Tochter Daria
DESCRIPTION: Sergej Grinkows Frau Katia Gordejewa und Tochter Daria
Gordejewa und Grinkow schafften Einmaliges
Es gab und gibt Sportpaare, die rein statistisch gesehen erfolgreicher waren als Gordejewa/Grinkow. Ein Alleinstellungsmerkmal aber bleibt ihnen: Als der Eislauf-Weltverband ISU Profis die Chance zur „Reamateurisierung“ für die Winterspiele 1994 eröffnete, gingen neben Katarina Witt und den legendären Bolero-Tänzern Jayne Torvill und Christopher Dean auch Gordejewa/Grinkow diesen olympischen Weg.
In die Weltspitze schafften es Gordejewa/Grinkow bei den Weltmeisterschaften 1986, als sie im Teenageralter in Genf die gesamte Konkurrenz in den Schatten stellten. Ihr Erfolg wurde jedoch auch kritisch gesehen. Die damals 14-jährige Gordejewa wog gerade einmal 35 Kilogramm. Ihre Vorstellung wurde spöttisch „Kinderweitwurf” genannt.
Dennoch konnten nur sie ihren Weg in Lillehammer auch tatsächlich erneut vergolden.
—–
Mit Sport-Informations-Dienst (SID)