Früher nannte man es „Grande Casino“, wenn das Chaos bei Ferrari in der Formel 1 Einzug hält. An diesem Wochenende rast die Königsklasse selbst durchs größte Casino der Welt – über den berühmten Strip von Las Vegas. Und ausgerechnet vorm Glücksspiel-Rennen in der Wüste Nevadas drehen sie bei Ferrari wieder am Rad.

Auslöser: Ferrari-Präsident John Elkann, der nach dem erfolglosen Wochenende beim Großen Preis von Brasilien öffentlich gegen seine Fahrer Charles Leclerc und Lewis Hamilton ausgeteilt hat. Während er die Mechaniker und Ingenieure lobte, erklärte der FIAT-Erbe, „der Rest“ funktioniere nicht. Eine klare Spitze gegen die beiden Herren im roten Cockpit.

HERE SHOULD BE OZ IMAGE – EMBED IT AGAIN WITH TRANSFORMATION ID: 1ab82ed1-e2a0-45e5-928a-6e87d6bb0517
CAPTION: Ferrari-Präsident John Elkann kritisierte seine Fahrer öffentlich
DESCRIPTION: Ferrari-Präsident John Elkann kritisierte seine Fahrer öffentlich

 Ferrari-Präsident John Elkann kritisierte seine Fahrer öffentlich
Ferrari-Präsident John Elkann kritisierte seine Fahrer öffentlich Ferrari-Präsident John Elkann kritisierte seine Fahrer öffentlich

Elkann fordert: „Weniger Kritik, mehr Fokus“

Sein Vorwurf: Die Piloten würden zu viel reden und zu wenig liefern. Besonders Hamilton hatte die rote Diva mehrfach als „Albtraum“ bezeichnet, Leclerc das Auto als „zu langsam“. Elkanns Forderung: weniger Kritik, mehr Fokus.

Allein: Der Italiener erreichte mit seiner Ansage das Gegenteil. Denn nach Informationen von SPORT1 sorgten die Aussagen nicht nur bei den Fahrern für Irritation, sondern auch im Team. Doch damit nicht genug. Elkann machte Ferrari damit zum Negativ-Gesprächsthema Nummer eins. Nur eine Folge: Zwei Experten widersprechen öffentlich.

Ferrari-Probleme „sitzen in Struktur“

So zum Bespiel der italienische Ferrari-Insider Leo Turrini. Der Journalist ist so nah an der Scuderia dran wie kaum ein anderer und reagierte auf seinem Blog „Profondo Rosso“ ungewöhnlich scharf. Seine Kernthese: Die Ferrari-Probleme sitzen nicht im Cockpit, sondern tief in der Struktur. „Sicher, die Fahrer tragen eine gewisse Verantwortung. Aber man kann ihnen nicht eine gesamte gescheiterte Saison anhängen“, schreibt Turrini.

Die Argumentation des Italieners: Ferrari habe seit 2007 keinen Titel mehr geholt, obwohl Spitzenfahrer wie Alonso, Vettel, Leclerc und jetzt Hamilton im Auto saßen. „Wenn Ferrari seit 21 Rennen nicht gewinnt und Vierter in der WM ist, liegt das Problem nicht am Fahrer“, gibt Turrini zu bedenken. „Die Mechaniker sind gut – aber das eigentliche Thema liegt bei den Ingenieuren und jenen, die sie führen.“

Noch deutlicher wird er bei Elkanns Schuldzuweisungen: „Wenn der Enkel von Gianni Agnelli glaubt, dass zu viel Reden das Problem ist, sollte er seine Berater und Manager wechseln.“ So brutal wurde Elkann noch nie kritisiert.

Steiner: „Ein Präsident kritisiert nicht öffentlich – das ist schlechte Führung“

Auch Ex-Haas-Teamchef Günther Steiner, ohnehin bekannt für seine direkte Art aber auch seine Nähe zu Ferrari, attackiert den FIAT- und Ferrari-Chef. „Ein Präsident kann kritisieren, aber nie öffentlich“, betont er im Podcast Red Flags. „Das war schlechte Führung.“ Der Südtiroler warnt: Solche Aussagen zerstören den Teamgeist, statt ihn zu stärken. Kritik müsse intern bleiben, um die ohnehin angespannte Lage nicht weiter eskalieren zu lassen.

Besonders verteidigt er Charles Leclerc: „Charles gibt alles. Was soll er noch mehr tun?“ Parallel erinnert Steiner daran, dass Elkann selbst die Weichen stellte, die sein Team ins aktuelle Fahrer-Dilemma führten – mit der Entscheidung, Carlos Sainz durch Hamilton zu ersetzen: „Wenn Elkann unzufrieden ist, sollte er in den Spiegel schauen. Er hat diese Entscheidung getroffen.“

Elkann-Kritik war Pokerspiel mit ganz schlechten Karten

Fest steht: Strukturelle und personelle Schwächen in Maranello bremsen Ferrari seit Jahren. Allein: Bislang hat sich der Präsident dafür wenig interessiert. Elkanns öffentlicher Angriff war deshalb ein Pokerspiel mit ganz schlechten Karten. Denn solange in Maranello das „Grande Casino“ herrscht, wird ein WM-Titel in weiter Ferne bleiben. Und auch andere Top-Stars werden sich zweimal überlegen, ob sie sich einen Wechsel in Ferraris rasantes Politik-Roulette antun.

Dazu passt: Anstatt um WM-Rang zwei zu kämpfen, liegt die Scuderia jetzt nur noch auf Rang vier der WM-Wertung. Bleibt aktuell nur die Hoffnung, dass die Roulette-Kugel in Las Vegas doch mal wieder auf Rot landet.