Es ist nicht so, als hätte sich diese Überraschung am 14. November 2010 nicht schon angekündigt. Sebastian Vettel, dieser junge Deutsche mit dem breiten Grinsen, hinterlässt früh Eindruck in der Formel 1.

WM-Punkte schon beim Debütrennen mit 19 Jahren, mit 21 dann die erste Pole Position und der erste Sieg in Monza, mit 22 Jahren ist der Shootingstar aus dem hessischen Heppenheim plötzlich Vize-Weltmeister.

Sebastian Vettel wurde 2010 erstmal Weltmeister
Sebastian Vettel wurde 2010 erstmal WeltmeisterSebastian Vettel wurde 2010 erstmal Weltmeister

Und doch reist Vettel im November 2010 als Außenseiter zum Saisonfinale nach Abu Dhabi. Fernando Alonso steht in seiner ersten Ferrari-Saison vor dem Titelgewinn, mit 246 Punkten und einer recht komfortablen Führung geht er an den Start.

Wenn den Spanier jemand stoppen wird, dann doch eher Vettels Red-Bull-Teamrivale Mark Webber (238). Der Deutsche (231) würde schon eine Menge Hilfe brauchen.

Vettel bleibt Optimist

Die bekommt er allerdings gleich mal von seinem eigenen Rennstall: Hilfe durch Unterlassen. Red Bull schließt eine ja durchaus naheliegende Stallorder für Webber aus. „Ich bin Optimist und werde bis zum Ende kämpfen“, sagt Vettel, und das darf er.

Vielleicht auch, weil der Trend im Saisonendspurt sein Freund ist. Zwei der vergangenen drei Rennen hat Vettel gewonnen, und in Abu Dhabi schießt er gleich wieder auf die Pole Position. Alonso auf drei, Webber auf fünf, noch immer scheint Vettels Weg zum ersten Titel weit.

Doch dann leitet ein Unfall zwischen Michael Schumacher und Vitantonio Liuzzi das Drama ein: Webber und Alonso wählen die falsche Taktik in der Safety-Car-Phase und hängen letztlich hinter langsameren Autos fest. Eines davon war das des russischen Debütanten Vitaly Petrov.

Petrov ist das Zünglein an der Waage

Zwar überholt Alonso in der Boxengasse seinen ärgsten Konkurrenten Webber. Dass Petrov aber plötzlich zum Problem werden könnte, haben sie bei Ferrari nicht auf dem Schirm. Die Ingenieure sind sich vielmehr sicher, dass der Spanier den jungen Russen schon irgendwie überholen würde – und liegen damit völlig falsch.

Während es für Vettel an der Spitze reibungslos läuft, arbeitet sich Alonso Runde für Runde an Petrov ab, ohne einen Weg vorbei zu finden. Die Unruhe bei Ferrari wächst. „Okay, ich weiß, dass du dein Bestes gibst, aber du musst unbedingt an ihm vorbeikommen. Nutze deine ganze Klasse, mach es“, funken sie Alonso noch zu. Doch es hilft nichts.

Als Vettel schließlich als Erster die Ziellinie überquert, müssen noch einige bange Sekunden des Wartens überstanden werden, bis der erlösende Funkspruch kommt: „Okay, Sebastian, guter Job. Ich muss warten, bis alle über die Linie sind. Es sieht gut aus: Hamilton ist auf Platz zwei, Button auf Platz drei, Rosberg auf Platz vier, Kubica auf Platz fünf – du bist Weltmeister!“ Ein legendärer Funkspruch, als das Unmögliche möglich wurde.

Vettel feiert mit seinem Team den WM-Titel
Vettel feiert mit seinem Team den WM-Titel Vettel feiert mit seinem Team den WM-Titel

Freudentränen bei Vettel

Beim Heppenheimer gibt es anschließend kein Halten mehr: Im Cockpit fließen Freudentränen. Weiter hinten lässt Alonso derweil seiner Wut an Petrov freien Lauf. Wild gestikulierend und sichtlich empört fährt der Spanier in der Auslaufrunde neben dem Russen her und beschwert sich. Petrov wiederum wird nach dem Rennen von den Red-Bull-Mechanikern frenetisch gefeiert.

„Ich habe versucht, ihn zu überholen, aber er hat sich gegen zwei Leute, die um die Weltmeisterschaft kämpfen, sehr aggressiv verteidigt”, sagt Alonso nach dem spektakulären Saisonfinale und deutet damit an, dass er von Petrovs direktem Eingreifen in den WM-Kampf nicht wahnsinnig begeistert ist.

Vettel interessiert das herzlich wenig. Am Abend des 14. November 2010 wurde der Deutsche mit 23 Jahren der jüngste Weltmeister der Formel-1-Geschichte. Dieser Titel gehört ihm bis heute – selbst Max Verstappen kam bei seinem ersten Triumph 2021 ein Jahr zu spät.

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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)