In Atlanta holte sie 1996 Gold mit dem Diskus, nach einer Bein-Amputation feierte sie auch im Rollstuhl große Erfolge – heute vor einem Jahr schockierte die Nachricht ihres frühen Todes die deutsche Leichtathletik-Szene.

Im Alter von 55 Jahren starb Ilke Wyludda, eine der beeindruckendsten Kämpferinnen des Sports – die ihren letzten Kampf nicht mehr gewinnen konnte.

Ilke Wyludda krönte sich 1996 bei Olympia in Atlanta

Wyludda, geboren am 28. März 1969 in Leipzig, war wie ihre Zeitgenossin Franka Dietzsch ein Produkt der Kaderschmieden in der ehemaligen DDR. Zwischen 1986 und 1988 hatte sie elf Junioren-Weltrekorde mit dem Diskus sowie zwei im Kugelstoßen erzielt.

Nach ihrer Spezialisierung auf den Diskuswurf bewegte sich Wyludda schon als Teenagerin auf Weltklasse-Niveau. Bei Olympia 1988 in Seoul fehlte sie dennoch – weil die spätere Gold-Gewinnerin Martina Hellmann sie in der landesinternen Qualifikation ausstach.

Acht Jahre später krönte die damals 27 Jahre Wyludda ihre Karriere mit dem Olympiasieg in den USA. Ihre damalige Siegerweite von 69,66 m hätte auch in Paris 2024 für Gold gereicht.

„Sie war fast vom Ehrgeiz zerfressen“

Als Geheimnis von Wyluddas Erfolg galt ihr enormer Wille. „Sie war sehr ehrgeizig, fast vom Ehrgeiz zerfressen”, umschrieb Zeitgenossin Astrid Kumbernuss, Kugelstoß-Olympiasiegerin von Atlanta, nach Wyluddas Tod ihre Zeitgenossin in der Bild. Wyludda sei „viel über die Kraft, weniger über Technik“ gekommen.

Früher als viele andere beschäftigte sich Wyludda auch schon mit mentalen Aspekten. „Wir waren nur die Vorreiter von dem, was heute alle Sportler machen: psychische Wettkampfanalyse, Gegneranalyse. Wie spiele ich mit den Konkurrenten? Welche Selbstsicherheit bringe ich rüber, auch wenn ich sie nicht unbedingt habe?“, schilderte Wyludda einmal im Tagesspiegel.

Verwahrt hat sich Wyludda stets gegen Doping-Verdächtigungen, die viel mit der auffälligen Leistungsentwicklung in ihrer Sportart vor und nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989/90 zu tun hatten: Vorher dominierten Ost-Athletinnen die Disziplin, lieferten regelmäßig Weiten weit über 70 Meter. Danach sank das generelle Level der Spitzenathletinnen stark, auch bei Wyludda.

„Viele haben uns unterstellt, wir hätten gedopt. Ich weiß, dass ich nicht gedopt habe“, versicherte Wyludda, die auch an unwissentlichen Betrug im Rahmen des DDR-Staatsdopingprogramms nicht glauben mochte. Positiv getestet wurde Wyludda nie.

Amputation nach schwerer Blutvergiftung

Wyludda, bei Olympia 2000 in Sydney noch einmal Siebte, opferte für den Leistungssport viel, auch die eigene Gesundheit: Schon während ihrer aktiven Karriere als Diskuswerferin war sie 15-mal operiert worden.

Später kam es noch weit schlimmer: Nach insgesamt vier Blutvergiftungen mussten Wyludda, die nach der Karriere Medizin studierte und als Anästhesistin praktizierte, im Jahr 2010 zunächst der Unterschenkel und dann ein weiteres Stück des rechten Beines amputiert werden.

„Ich hatte die Wahl, das Bein zu verlieren oder mein Leben. Aber ich wollte leben“, sagte Wyludda damals der Bild.

Ilke Wyludda beim Training für die Paralympics 2012
Ilke Wyludda beim Training für die Paralympics 2012Ilke Wyludda beim Training für die Paralympics 2012

Der sportliche Ehrgeiz verließ Wyludda dennoch nicht: 2012 in London startete sie erstmals bei den Paralympics und wurde Fünfte, holte bei der EM 2014 Silber mit der Kugel und Bronze im Diskuswurf und bei der WM 2015 erneut Kugel-Silber. 2017 beendete sie ihre sportliche Laufbahn endgültig, die Probleme mit wiederkehrenden gesundheitlichen Rückschlägen blieben.

„Eine ganz große Athletin“

Am 1. Dezember 2024 starb Wyludda an einer schweren Erkrankung, die Bestürzung über die einen Tag später öffentlich gewordene Nachricht war groß.

„Mit Ilke Wyludda ist ein Aushängeschild der deutschen Leichtathletik leider viel zu früh von uns gegangen“, sagte der damalige DLV-Vorstandsvorsitzende Idriss Gonschinska: „Die Leichtathletik-Familie trauert um eine ganz große Athletin, die ihr Leben lang gegen Verletzungen und Erkrankungen kämpfte und ihrer Sportart dennoch über Jahrzehnte verbunden blieb.“

Auch Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, bekundete seine tiefe Trauer – und versprach, Wyluddas beeindruckendes Vermächtnis hochzuhalten: „Mit Willensstärke hat sie den gesundheitlich schweren Weg vom olympischen Sport in den Parasport bis hin zur Paralympics-Qualifikation gemeistert. Wir werden ihr ein ehrendes Andenken bewahren.“

—–

Mit Sport-Informations-Dienst (SID)