Viel emotionaler kann ein Abschied nicht verlaufen als der des deutschen Sportidols Henry Maske.

In den neunziger Jahren war Maske der Mann, der ein zweistelliges Millionen-Publikum in Deutschland wieder für das Boxen begeisterte. Heute vor 29 Jahren hieß es dann „Time to say goodbye“. Mit einer letzten Gala wollte der „Gentleman“ als unbesiegter und unumstrittener Champion in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Doch alles kam anders als erhofft und erwünscht.

Es sollte seine große Abschiedsshow werden. Nach über 25 Jahre im Sport plante der Mittelgewichts-Olympiasieger von 1988 eine triumphale Abschiedsvorstellung: In einem Vereinigungskampf gegen den US-Amerikaner Virgil Hill wollte der IBF-Weltmeister im Halbschwergewicht auch den Gürtel des Konkurrenzverbands WBA erobern.

Doch der 23. November 1996 entwickelte sich für Maske anders als geplant. Statt des 31. Siegs im 31. Profi-Kampf erlitt er eine bittere Niederlage vor seinem deutschen Heimpublikum. Der Stachel über diesen bitteren Abschied saß bei einem der größten deutschen Sportstars anschließend über mehr als ein Jahrzehnt extrem tief – bis er unverhofft einen Weg fand, den Makel zu tilgen.

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CAPTION: Henry Maske (l.) im Kampf gegen Virgil Hil
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Henry Maske (l.) im Kampf gegen Virgil Hil
Henry Maske (l.) im Kampf gegen Virgil HilHenry Maske (l.) im Kampf gegen Virgil Hil

17 Millionen Menschen fiebern mit Maske mit

Doch von vorne angefangen- Schauplatz des Boxspektakels war im November 1996 die prall gefüllte Münchner Olympiahalle. Vor allem wegen des unglaublich populären Maske befand sich der Boxsport auf einem Beliebtheitshoch in Deutschland.

Maske war über das Boxen hinaus einer der ersten gesamtdeutschen Sporthelden. Geboren und aufgewachsen in Brandenburg in der ehemaligen DDR begeisterte er nach der Wiedervereinigung Sport-Fans, egal ob im Westen oder Osten. Seine Kämpfe schauten im Schnitt deutlich mehr als 15 Millionen Menschen bei RTL, die großen Fights waren Straßenfeger – nicht zuletzt die deutschen Duelle der Gegensätze mit dem mittlerweile tragisch verstorbenen Graciano Rocchigiani.

Dementsprechend groß war das Echo, als der Olympiasieger von 1998 sein Karriereende für nach dem Kampf angekündigt hatte. An den deutschen TV-Geräten bibberten wieder viele Menschen mit. Über 17 Millionen Menschen verfolgten das Mega-Spektakel live, um ihren deutschen Helden ein letztes Mal siegen zu sehen.

Maske fand nie richtig in den Kampf

Doch im Kampf kam es dann anders als erhofft: Der Techniker Maske wollte den Mann aus Missouri mit seiner rechten Führhand genauso zermürben wie alle seine Kontrahenten zuvor. Doch ausgerechnet am Tag seines Abschieds wollte es nicht so recht gelingen.

Maske konnte sich den Gegner nicht vom Leib halten und musste immer wieder in den ungeliebten In-Fight. Es entwickelte sich ein sehr unsauberer Kampf. Maske und sein im vergangenen Jahr verstorbener Erfolgstrainer Manfred Wolke fielen keine Mittel ein, um den wendigen US-Amerikaner in Bedrängnis zu bringen.

Der ein oder andere Kritiker mag sich bestätigt gefühlt haben, dass dem nie als K.o.-König bekannten Maske der nötige Punch für ein Kaliber wie Hill fehlte.

Maske tritt unter Tränen ab

Im Kampf gegen den US-Champion verpasste es Maske, klare Treffer zu setzen. So entwickelte sich ein Duell auf Augenhöhe zwischen den beiden Weltmeistern an dessen Ende sich nicht mal die Ringrichter einig waren, wer denn der Sieger war.

Millionen Menschen zitterten nach dem Ertönen der Ringglocke nach der finalen Runde, dass es für den Helden doch noch reichen könnte, doch es kam anders. Zwei der drei Referees sahen den US-Amerikaner vorne und stürzten Maske ins Tal der Tränen.

„Es ist leider passiert, es tut mir wirklich leid. In den nächsten Tagen, Wochen und Monaten werde ich erst richtig begreifen, dass dieser letzte Kampf eine Niederlage war“, sagte Maske mit brüchiger Stimme ins Mikrofon.

Anschließend äußerte er einen bösen Verdacht. „Man hat uns dorthin gestellt, wo wir von Amerika aus hingehören – in die Zweitklassigkeit“, behauptete er und unterstellte, dass er wegen seines angekündigten Abschieds verloren habe, da er nicht in „das kommerzielle Konzept“ gepasst habe.

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Henry Maske ist nach seiner einzigen Profi-Niederlage am Boden zerstört
Henry Maske ist nach seiner einzigen Profi-Niederlage am Boden zerstörtHenry Maske ist nach seiner einzigen Profi-Niederlage am Boden zerstört

Als anschließend erneut der heutige Klassiker „Time To Say Goodbye“ von Andrea Bocelli und Sarah Brightman gespielt wurde, brachen bei Maske alle Dämme. Er brach in Tränen aus und kniete vor Enttäuschung mitten im Ring.

Maske-Niederlage hilft Bocelli zur Weltkarriere

„Dass das Resultat nicht so war, wie es mir gewünscht habe, hat das ganze wohl noch beflügelt, denn es wurde dadurch sehr emotional. Es war für mich ein unvergesslicher, emotionaler Moment“, erinnerte sich Maske Jahre später in einer Doku zum Leben von Bocelli. Dessen damals für den Kampf in der englischen Version aufgenommenes Lied wurde dank Maske zum Welthit und in Deutschland eine der meistverkauften Singles aller Zeiten.

Auch Maske bekam über ein Jahrzehnt später doch noch seine Genugtuung: Als sein alter Kontrahent Hill zehn Jahre später, im Januar 2006, plötzlich wieder Weltmeister wurde, zögerte Maske nicht lange und begann die Planung für ein Comeback.

Maske machte Hill ein Angebot für eine Revanche, das dieser nicht ablehnen konnte. 1,2 Millionen Euro sollte Hill für den Kampf erhalten, Maskes eigene Börse lag bei 1,5 Millionen Euro. Hill schlug ein, und gut ein Jahr später, am 31. März 2007, kam es erneut in der Münchner Olympiahalle für Maske zu dem großen Moment, auf den er über zehn Jahre lang warten musste.

Der damals 43-Jährige bereitete sich wie schon zu seiner Aktivenzeit akribisch vor und wirkte bei seiner Rückkehr im Ring, als sei er nie weg gewesen.

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CAPTION: Henry Maske freut sich über dem Sieg im Rückkampf
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Henry Maske freut sich über dem Sieg im Rückkampf
Henry Maske freut sich über dem Sieg im RückkampfHenry Maske freut sich über dem Sieg im Rückkampf

Anfangs war der Kampf noch ausgeglichen, doch Maske überraschte durch seine starke Physis und lag Mitte des Kampfes schon deutlich vorne. Am Ende siegte der Publikumsliebling einstimmig nach Punkten und dass es nicht um Hills Titel ging, interessierte wenige.

Maske erklärte noch am selben Abend, dass er nie mehr in den Ring steigen werde. Endlich hatte er den Makel ausgebessert, der ihn jahrelang verfolgt hatte.

Mit Sport-Informations-Dienst (SID)