Als der FC Augsburg am 23. Mai das Doppel-Aus von Cheftrainer Jess Thorup und Sportdirektor Marinko Jurendic bekanntgab, wunderten sich viele. Mit 13 Punkten Vorsprung auf den Abstiegs-Relegationsplatz hatte der FCA die Klasse in der Bundesliga souverän gehalten, träumte nach einer zwischenzeitlichen fulminanten Ohne-Gegentor-Serie gar von einer Teilnahme im Europapokal.

Die Verantwortlichen in Augsburg entschieden sich dennoch für einen Neuanfang – auch, weil mit Sandro Wagner ein spannender Name auf den Trainermarkt gekommen war. Ein Mann, dem Star-Experte Didi Hamann wenige Wochen zuvor im SPORT1-Doppelpass prophezeit hatte: „Ich glaube, dass er ein Trainer ist, der eines Tages Bayern München trainieren kann und wird.“

Sandro Wagner ist nicht länger Trainer des FC Augsburg
Sandro Wagner ist nicht länger Trainer des FC AugsburgSandro Wagner ist nicht länger Trainer des FC Augsburg

In der Strahlkraft des vorherigen Assistenten von Julian Nagelsmann sah der FCA die Chance, sein Graue-Maus-Image abzulegen. Nun ist das Kapitel Sandro Wagner nur 148 Tage nach seiner Vorstellung krachend gescheitert. Am Montag gab der FC Augsburg das Aus des polarisierenden Trainers bekannt, der Klub und Wagner hatten sich im gegenseitigen Einvernehmen dazu entschieden, den Vertrag aufzulösen.

Was lief schief? SPORT1 zeichnet das ebenso kurze wie turbulente Engagement nach.

Wagner: „Sehe nicht, dass wir weniger Qualität haben als Bayern“

Fünf Tage nach dem Aus von Thorup und Jurendic stellte der Klub Sandro Wagner als neuen Cheftrainer vor. „Ich bin Lernender, sehr demütig und sehe den FCA als unfassbare Chance”, hatte Wagner am 7. Juli bei seiner Vorstellung gesagt. Aktiver Fußball sei „meine DNA“, ergänzte Wagner. Er wolle aber „kein kopfloses Hauruck nach vorne”.

Bei seinen Spielern hinterlässt Wagner schnell nachhaltigen Eindruck. „Sandro ist wirklich der erste Trainer, bei dem ich schon in den ersten drei Wochen extreme Kopfschmerzen habe, weil es sehr viel Input ist“, sagt Stürmer Phillip Tietz Ende Juli. Es ist ausdrücklich als Kompliment gemeint für einen Übungsleiter, „bei dem ich richtig was lerne vom Fußball“.

Zu Beginn sieht es so aus, als ob die intensive Arbeit Wagners schnell Früchte trägt: Auf einen souveränen 2:0-Sieg im DFB-Pokal beim Halleschen FC folgt am 23. August ein beeindruckender 3:1-Erfolg beim Vorjahres-Tabellenfünften SC Freiburg. Eine Woche später unterlag der FCA dem großen FC Bayern München zwar mit 2:3, zeigte nach einem 0:3-Rückstand jedoch Moral und brachte die Münchner in der Schlussphase noch einmal in Bredouille.

Nach der knappen Niederlage liefert sich Sandro Wagner bei der Bewertung der Qualität des FC Augsburg einen Schlagabtausch mit SPORT1-Chefreporter Stefan Kumberger.

Nach der knappen Niederlage liefert sich Sandro Wagner bei der Bewertung der Qualität des FC Augsburg einen Schlagabtausch mit SPORT1-Chefreporter Stefan Kumberger.

„Ich sehe es nicht, dass wir weniger Qualität haben als Bayern“, sagt Wagner nach dem Spiel zu SPORT1 – und erregt damit bundesweites Aufsehen. SPORT1-Experte Mario Basler reagiert mit Unverständnis: „Es ist ja schön, dass man in der Bundesliga auch mal andere Aussagen tätigt. Aber zu sagen, der FC Augsburg sei auf jeder Ebene mit dem FC Bayern gleichzustellen, ist Unsinn. Da leidet jemand unter Größenwahn“, sagt der 56-Jährige in seinem Podcast „Basler ballert“.

Es ist ein erster Vorgeschmack darauf, dass die große Aufmerksamkeit für die Person Wagner auch ein höheres Maß an kritischer Aufmerksamkeit mit sich bringt.

Baslers scharfe Kritik entpuppt sich als prophetisch

Und Wagners Aussage fällt ihm schneller auf die Füße, als die meisten ahnen. Auf eine 1:2-Pleite beim FC St. Pauli folgt am 20. September eine krachende 1:4-Heimklatsche gegen Mainz 05, bei der die Gäste aus Rheinhessen sogar in Unterzahl doppelt treffen.

Es folgte eine weitere vielzitierte Aussage Wagners, dass er sich bei Niederlagen als Blitzableiter vor die Fankurve stellen würde: „Wenn wir gewinnen, komme ich nicht. Dann sollen die Spieler gefeiert werden. Wenn wir die Spiele verlieren, dann komme ich. Dann sollen sie erstmal an mir ihren Unmut auslassen. Das ist meine Philosophie“, sagt Wagner bei Sky.

Einen Tag später steht Wagner im SPORT1-Doppelpass einmal mehr im Fokus der Kritik von Ex-Bayern-Star Basler. In einer Schärfe, die auch in der Runde viele verwundert, nennt er Wagners Außendarstellung „überheblich“ und „arrogant“. Basler prophezeit, dass ihm dies „auf die Füße fallen“ wird – und, dass er nicht wisse, „ob der FC Augsburg das eine ganze Saison durch- und aushalten wird“.

0:6 gegen Leipzig als weiterer Tiefpunkt

Für Wagner kommt es tatsächlich schnell noch schlimmer: Nach Spielen gegen Heidenheim (1:2), Wolfsburg (3:1) und den 1. FC Köln (1:1) blamiert sich Augsburg am 8. Spieltag vor heimischer Kulisse gegen RB Leipzig. Mit 0:6 geht das Team am 25. Oktober sang- und klanglos unter.

Im SPORT1-Doppelpass folgt tags darauf die nächste scharfe Grundsatzkritik, diesmal von Experte Alfred Draxler: Der FCA wollte mit der Verpflichtung des Ex-Stürmers „strahlender werden“, befand Alfred Draxler im SPORT1– Doppelpass. „Wir sprechen nur noch über Sandro Wagner und eben nicht mehr über Augsburg und über die Mannschaft. Wenn der Trainer größer als der Verein ist, ist das noch nie gutgegangen.“

Sandro Wagner krempelt beim FC Augsburg die Spielweise komplett um - eine Veränderung, die im Doppelpass kritisch beäugt wird.

Sandro Wagner krempelt beim FC Augsburg die Spielweise komplett um – eine Veränderung, die im Doppelpass kritisch beäugt wird.

Was dann auch für Gesprächsstoff sorgt: Wagner stellt sich hinterher nicht der Fankurve – und wirkt überrascht, als er wenige Tage später in der Pressekonferenz an sein Versprechen nach dem Mainz-Spiel erinnert wird. „Was ich mit der Aussage gemeint habe, war, dass ich mich immer vor meine Mannschaft stellen möchte – und das werde ich weiter tun“, stellt Wagner dann klar.

FCA-Banner richten sich gegen Wagner

Unmittelbar auf die 0:6-Packung gegen Leipzig folgt am 28. Oktober das Aus im DFB-Pokal. 0:1 unterliegt der FCA zuhause gegen einen kriselnden Zweitligisten aus Bochum.

Nichtsdestotrotz bleibt Wagner in der PK danach bei seinem demonstrativen Selbstbewusstsein: „Ich hoffe, dass Sie es mir jetzt nicht arrogant auslegen. Aber ich bin total überzeugt von unseren Spielern. Und wenn ich das nicht wäre, hätte ich, glaube ich, eine Verunsicherung. Aber ich bin nicht verunsichert – null komma null.“

Es folgt das nächste Heimspiel – und die nächste Enttäuschung. Erneut bleiben die Fuggerstädter beim 0:1 gegen Borussia Dortmund ohne eigenen Treffer. Bedenklich für Wagner: Vor Anpfiff zeigen diverse Fan-Banner, dass die kritische Grundsatzdiskussion um ihn auch die eigene Anhänger-Basis bewegt: „Große Worte, keine Taten – wie lange wollt ihr noch warten?“, „Personenkult und Marketingwahn – das sind nicht unsere Werte“, ist unter anderem zu lesen.

Augsburger Fans mit Kritik an Sandro Wagner
Augsburger Fans mit Kritik an Sandro WagnerAugsburger Fans mit Kritik an Sandro Wagner

Die sportliche Trendwende, die die gefährliche Missstimmung vertreiben könnte, will sich auch in den Wochen danach nicht einstellen: Auf ein 2:3 beim VfB Stuttgart und einen glücklichen 1:0-Heimsieg gegen den Hamburger SV folgt am 29. November eine deutliche 0:3-Pleite bei der TSG Hoffenheim, die das Fass zum Überlaufen bringt.

Die FCA-Verantwortlichen suchen dem Vernehmen nach ein klärendes Gespräch mit Wagner, in dem der 38-Jährige nicht den Eindruck vermittelte, als glaube er selbst noch an eine Besserung unter seiner Leitung. Auch in der anfangs euphorischen Mannschaft ist Skepsis hörbar. Die Klubführung und Wagner kommen gemeinsam zum Schluss, die Reißleine zu ziehen.

Baum übernimmt bis zur Winterpause

„Ich habe die Aufgabe beim FCA immer mit großer Energie und Leidenschaft ausgeübt“, wird der Coach in der Mitteilung zur Trennung zitiert: „Wir wollten gemeinsam viel verändern, leider ist uns das in der kurzen Zeit nicht wie erhofft gelungen.“

Gerade einmal vier Siege in 14 Pflichtspielen waren Wagner als FCA-Cheftrainer gelungen, mit 27 Gegentoren in der Bundesliga stellen die Fuggerstädter gemeinsam mit dem 1. FC Heidenheim die schlechteste Defensive der Liga. Mit Bayer Leverkusen, Eintracht Frankfurt und Werder Bremen warten drei anspruchsvolle Gegner bis zur Winterpause auf die bayerischen Schwaben. Drei Punkte trennen Augsburg derzeit vom FC St. Pauli auf Tabellenplatz 17. Ausgeschlossen ist es nicht, dass der Klub über Weihnachten auf einem direkten Abstiegsplatz überwintert.

Bis zur Winterpause übernimmt interimsweise Manuel Baum das verunsicherte Team. Der 46-Jährige hatte den FCA bereits von Dezember 2016 bis April 2019 trainiert. Seit Juni 2025 ist er als „Leiter Entwicklung & Fußballinnovation“ zurück im Verein.

Mit Baum an der Seitenlinie wird die bundesweite Aufmerksamkeit für Augsburg abnehmen. Ob mit der größeren Ruhe aber auch die sportliche Kurve wieder nach oben geht, muss sich erst zeigen.

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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)