Julian Nagelsmann sprach nach dem bitteren EM-Aus gegen Spanien mit Tränen in den Augen vom großen Ziel: Weltmeister werden. Knapp eineinhalb Jahre später wirkt dieses Versprechen wie eine stille Erinnerung daran, wie weit Anspruch und Wirklichkeit im deutschen Fußball auseinanderliegen.

Das über weite Strecken unterirdische 2:0 gegen Luxemburg zeigte es schonungslos: Dieser Mannschaft fehlt eine klare Idee.

Julian Nagelsmann und die deutsche Nationalmannschaft konnten gegen Luxemburg nicht überzeugen
Julian Nagelsmann und die deutsche Nationalmannschaft konnten gegen Luxemburg nicht überzeugenJulian Nagelsmann und die deutsche Nationalmannschaft konnten gegen Luxemburg nicht überzeugen

Nationalmannschaft mit vielen Baustellen

Joshua Kimmich forderte noch vor dem Spiel „Commitment“ und sprach von einem „Weg der Entwicklung“. Worte, die im Nachhinein fast ironisch wirken.

Auf dem Platz war nichts davon zu sehen. Kein Feuer, keine erkennbare Entwicklung, kein roter Faden. Und selbst der Sieg gegen die Nummer 97 der Weltrangliste – Tabellenletzter, null Punkte – glich eher einem stotternden Pflichttermin als einem Statement.

Der DFB-Elf mangelt es momentan an vielem. Um ehrlich zu sein: an fast allem. Gewinnen allein reicht nicht mehr, schon gar nicht mit diesem Spielermaterial.

Dem DFB-Team fehlt es an Leadern und Qualität

Das fängt beim Thema Führung an. Ohne Kimmich scheint kaum einer das Team packen zu können. Jonathan Tah wirkte mit der Kapitänsbinde eher gehemmt als gestärkt, und dass Oliver Baumann in seinem neunten Länderspiel kurz vor Schluss die Binde über den Arm streifte, sagt einiges über die Führungshierarchie aus.

Ein fester Stamm? Nicht erkennbar. Nagelsmann wirkt weiterhin wie ein Suchender – sieben Monate vor einem WM-Turnier wohlgemerkt. Die Rotationsfreude hat längst etwas Verzweifeltes. Viel Zeit, das Puzzle zusammenzusetzen, bleibt nicht: Nur noch ein letztes Länderspielfenster im März, dann muss das Gerüst stehen.

Und die deutsche Ersatzbank in Luxemburg verriet: Top-Nationen dürften bei diesem Anblick nicht gerade vor Furcht erstarren.

Nagelsmanns Spielidee ist nicht erkennbar

Auch die Spielidee bleibt nebulös. Hinten wackelig, vorne fahrig – was ist, wenn die großen Nationen mit Weltklasse Offensivspielern auf die deutsche Hintermannschaft treffen? Allein der Gedanke dürfte einigen DFB-Fans Angstschweiß auf die Stirn treiben.

Offensiv wirkte vieles wie Improvisation: Ball nach vorne und hoffen, dass einem der Ausnahmekönner etwas einfällt. Mehr Plan war nicht erkennbar.

Nagelsmanns ausweichende Antworten im RTL-Interview machten das nicht besser. „Das analysieren wir morgen“, sagte der Bundestrainer. Es entsteht der Eindruck: Auch Nagelsmann hat gerade keine klare Lösung parat.

Das macht dem DFB-Team Hoffnung

Doch es gibt Hoffnung. Und die ist nicht kleinzureden: Die Liste der Verletzten ist aktuell prominent besetzt. Jamal Musiala, Kai Havertz, Antonio Rüdiger, Marc-André ter Stegen, Nico Schlotterbeck, Joshua Kimmich, vielleicht auch Niclas Füllkrug oder Tim Kleindienst – allesamt Spieler, die in Topform das Niveau der Mannschaft sofort und massiv anheben.

Vielleicht sind es in einem guten halben Jahr aber auch komplett neue Shootingstars wie die in der U21 auftrumpfenden Tom Bischof oder Lennart Karl. Die gute Nachricht: Die Mannschaft wird sich in den nächsten Monaten nochmal deutlich verändern. Oder um es mit Lothar Matthäus zu sagen: „Die Würfel werden neu gemischt.“

Und wenn am Ende gar nichts mehr hilft, bleibt ja noch das liebste deutsche Fußball-Narrativ: die gute alte „Turniermannschaft“. Allerdings bröckelte dieser Mythos in den vergangenen Jahren doch deutlich …