Cedric Brunner hat eine ereignisreiche Karriere hinter sich: Er spielte für den FC Zürich, Arminia Bielefeld und den FC Schalke 04 und vollbrachte das Kunststück, mit allen Vereinen sowohl auf- als auch abzusteigen.

Nach seinem Abgang von den Königsblauen im Juni 2024 beendete der Schweizer im Alter von nur 30 Jahren im Januar 2025 seine Profikarriere – dies fiel ihm allerdings alles andere als schwer.

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Ex-Bundesliga-Profi Cedric Brunner spricht über den Druck im Profifußball
Ex-Bundesliga-Profi Cedric Brunner spricht über den Druck im ProfifußballEx-Bundesliga-Profi Cedric Brunner spricht über den Druck im Profifußball

Brunner stumpfte emotional ab

Brunner hatte über seine gesamte Karriere hinweg mit großem Druck und mentalen Problemen zu kämpfen. Zwischenzeitlich suchte er sich dafür einen Sportpsychologen, doch verließ ihn nach nur anderthalb Jahren wieder. Seinen Mitspielern konnte sich der Verteidiger nicht öffnen, weil er Angst davor hatte, dass ihn seine Schwäche und Probleme angreifbar machen.

Er baute lieber ein Schutzschild um sich herum auf und stumpfte emotional ab, um mit dem Druck umgehen zu können. Nach seiner Karriere hat sich der Ex-Profi dazu entschieden, öffentlich über seine Probleme während der Karriere zu reden und dazu Reels auf Instagram hochzuladen.

Im SPORT1-Interview spricht der heute 31-Jährige über den Schritt, in die Öffentlichkeit zu gehen. Er erklärt, wieso dies während seiner Karriere nicht möglich war und spricht über die Hemmschwelle, mit einem Sportpsychologen zusammenzuarbeiten.

Brunner berichtet zudem, wie er in seinen Teams den Umgang mit Problemen wahrgenommen hat.

SPORT1: Herr Brunner, warum haben Sie sich dazu entschieden, in Form von Reels auf Instagram emotionale Einblicke in Ihre Karriere zu geben?

Cedric Brunner: Mich haben schon immer die Dinge rund um den Fußball mehr interessiert als der Sport selbst. Ich möchte teilen, wie es mir damals ergangen ist. Ich habe noch eine kleine Plattform, weshalb ich diese Chance nutzen möchte.

„Es war nie mein Plan, Fußballprofi zu werden“

SPORT1: Wie war die bisherige Resonanz auf Ihre Videos?

Brunner: Ich habe viel positives Feedback erhalten. Viele finden das mutig und stark. Natürlich gibt es auch negative Kommentare, dass man sich nicht beklagen solle, schließlich habe man gutes Geld verdient und seinen Traum gelebt. Ich bin offen für jede konstruktive Kritik und kann heute besser damit umgehen als noch während meiner Karriere. So etwas wäre damals niemals möglich gewesen, denn damit macht man sich zu angreifbar.

SPORT1: Sie wollten eigentlich nie Fußballprofi werden. Wie ist es trotzdem dazu gekommen?

Brunner: Im Gegensatz zu anderen war das nie mein Traum. Fußball hat mir immer Spaß gemacht, und ich war schon immer in allen Belangen sehr ehrgeizig. Ich wollte immer mein Bestes geben und hatte einen sehr hohen Anspruch an mich selbst. Es ist mir immer leichtgefallen, alles zu investieren – und das hat mich letztlich dazu gebracht, meinen ersten Profivertrag beim FC Zürich zu unterschreiben. Dann habe ich mir gedacht, dass es schade wäre, diese intensiven Jahre und die ganze harte Arbeit wegzuschmeißen. Natürlich habe ich mich damals gefreut, es geschafft zu haben, aber es war nie mein Plan oder ein verfolgter Traum.

Nervosität als ständiger Begleiter

SPORT1: Wann haben Sie im Fußball das erste Mal Druck empfunden?

Brunner: Ich habe schon in der Jugend Druck gespürt. Ich erinnere mich, dass ich nervös war, als ich noch bei meinem Dorfverein spielte, bevor ich in die Jugendabteilung des FC Zürich wechselte. Der Druck hat mich immer begleitet und wurde größer, als wir in größeren Stadien spielten. Nervosität war ein ständiger Begleiter.

SPORT1: Wie sind Sie bestmöglich mit dem Druck umgegangen, um auf dem Platz Leistung zu bringen?

Brunner: Als ich Profi war und mir nicht mehr selbst helfen konnte, habe ich Unterstützung bei einem Sportpsychologen gesucht. Mit ihm habe ich Techniken erarbeitet, die mir geholfen haben.

SPORT1: Wie ist der Entschluss in Ihnen gewachsen, sich einem Sportpsychologen anzuvertrauen?

Brunner: In meiner ersten Saison als Stammspieler beim FC Zürich sind wir direkt abgestiegen. Ich war am Ende und hatte das Gefühl, dass ich allein nicht mehr klarkomme. Ich habe gemerkt, dass ich Hilfe brauche, um aus diesem Loch herauszukommen. Ich sah keine Alternative, also ging ich diesen Schritt. Ich habe dann jemanden gefunden, und das hat sich schnell positiv ausgewirkt. Es ist nicht messbar, wie viel die Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen hilft, aber oft bin ich aus den Gesprächen gegangen und habe mich super gefühlt. Ich muss gestehen, dass ich das früher belächelt habe – aber welche Wirkung ein einziges Gespräch haben kann, ist verrückt und hätte ich nicht für möglich gehalten. Das war für mich ein Zeichen.

Schwäche als Tabuthema

SPORT1: Hatten Sie eine Hemmschwelle, sich auf die Suche nach einem Sportpsychologen zu machen?

Brunner: Die eigentliche Zusammenarbeit war für mich keine große Hemmschwelle, eher der erste Schritt, sich dafür zu entscheiden. Ich habe diesen Beruf immer respektiert, aber anfangs gedacht, dass ich das nicht brauche, dass der Einfluss nicht groß sein kann und es mir nicht helfen würde. Da wurde ich eines Besseren belehrt.

SPORT1: Waren damals in Zürich der Verein und Ihre Mitspieler offen für Sportpsychologen?

Brunner: Beim FC Zürich war das überhaupt nicht so. Heute hat sich das etwas weiterentwickelt und ist nicht mehr so ein Tabuthema wie damals. In meinen ersten Jahren war es weder Gesprächsthema, noch wusste ich von jemandem, der sich externe Hilfe holte. Auch vom Verein wurde niemand empfohlen oder gestellt.

„Viele sehen bis es bis heute als Schwäche, Probleme zu haben“

SPORT1: Warum haben Sie die Zusammenarbeit später beendet?

Brunner: Ich habe über anderthalb Jahre mit ihm zusammengearbeitet, als es sportlich nicht gut lief. Als wir dann erfolgreicher wurden, hat sich das etwas verlaufen – auch durch meinen Wechsel von Zürich nach Bielefeld. Ich habe dann nur noch ab und zu remote mit ihm gearbeitet, aber erst, als wir mit Bielefeld im Abstiegskampf steckten und für mich das Kartenhaus zusammengebrochen ist, habe ich gemerkt, dass ich mental noch nicht so weit bin. Dann hat es wieder Klick gemacht.

SPORT1: Konnten Sie mit Mitspielern in der Kabine über Druck und mentale Probleme sprechen?

Brunner: Das war immer ein schwieriges Thema. Selbst mit den engsten Mitspielern wurde kaum darüber gesprochen. Viele sehen es bis heute als Schwäche, wenn man zugibt, vor Spielen nervös zu sein oder Probleme zu haben. Die Hemmschwelle war immer zu hoch, um offen darüber zu sprechen. Viele fürchten, sich angreifbar zu machen. Es wurde kaum thematisiert.

SPORT1: Hatten Sie Angst, sich vor Ihren Mitspielern zu öffnen?

Brunner: Man kommt sich doof vor, wenn man der Einzige ist, der ständig darüber spricht. Ein- oder zweimal geht das vielleicht, aber wenn man das Thema häufiger anspricht und niemand anderes sich öffnet, fühlt man sich schlecht und fragt sich, was die anderen über einen denken. Wenn sich niemand öffnet, wird das Thema im Keim erstickt. Dann gibt man auch selbst auf. Für mich war es einfacher, ein Schutzschild aufzubauen und emotional abzustumpfen.

„Es ist eine Entwicklung zu erkennen“

SPORT1: Hätten Sie sich gewünscht, damals offen mit Ihren Mitspielern darüber sprechen zu können?

Brunner: Das wäre ein schöner Gedanke, aber es war mir damals zu anstrengend, und ich habe es lieber weggeschoben. Es wird täglich hart trainiert, aber der Kopf wird oft außen vor gelassen. Es war nicht der klügste Weg, aber der mit dem geringsten Widerstand. Heute würde ich es anders machen.

SPORT1: Ist im Profifußball Platz für Schwäche?

Brunner: Das ist eine schwierige Frage, denn eigentlich sollte es Platz dafür geben, aber man macht sich angreifbar. Wenn du dich öffnest, kann es sein, dass es dich später einholt und sich Vereine gegen dich entscheiden. Es besteht immer die Gefahr, dass sich gezeigte Schwäche später negativ auswirkt.

SPORT1: Haben Sie im Laufe Ihrer Karriere eine Entwicklung wahrgenommen, was das Sprechen über Schwäche und Probleme betrifft?

Brunner: Es ist eine Entwicklung zu erkennen. Von außen wird viel mehr Wert auf die psychische Verfassung gelegt. Innerhalb einer Mannschaft sind wir aber noch nicht an dem Punkt, an dem das aktiv thematisiert wird. So weit sind wir noch nicht, aber eine Tendenz ist erkennbar.

SPORT1: Wo ist der Druck für Sie entstanden?

Brunner: Ich hatte immer Angst vor dem Scheitern und Versagen. Ich habe mir ständig ausgemalt, was passiert, wenn ich einen Fehler mache, und mir dadurch extrem viel Druck gemacht. Dadurch bin ich in eine negative Gedankenspirale geraten. Das ging so bis zu den Spielen – und auf dem Platz lief dann der Autopilot.

Druckabfall mit dem Abpfiff

SPORT1: Gab es Situationen, in denen Sie wegen des Drucks nicht auf den Platz konnten?

Brunner: Ich habe die Spiele nicht genossen, sie waren mit vielen Ängsten verbunden. Vor Spielen, vor denen ich besonders nervös war, habe ich mit dem Gedanken gespielt, mich krankzumelden oder mich beim Aufwärmen zu verletzen. Ich habe aber nie etwas vorgetäuscht. Manchmal habe ich gehofft, nicht in der Startelf zu stehen, aber ich war in etwa neuneinhalb meiner zehn Profijahre Stammspieler. Also musste ich immer durch diese unangenehmen Stunden vor dem Spiel durch.

SPORT1: Wann ist für Sie der Druck abgefallen?

Brunner: Mit dem Abpfiff. Ab dann hatte ich keine Zeit mehr, mir Gedanken zu machen. Vor den Spielen neigte ich dazu, mich in negativen Gedanken zu verlieren. Es wurde erst besser, wenn das Spiel lief, weil ich mich dann konzentrieren musste.

SPORT1: Nach dem Abgang von Schalke im Sommer 2024 waren Sie sechs Monate vereinslos, ehe Sie im Winter 2025 Ihre Karriere mit 30 Jahren endgültig beendet haben. Ist Ihnen der Schritt leichtgefallen?

Brunner: Ich habe meinem Berater signalisiert, dass ich ein Abenteuer erleben möchte – Australien, Asien, Amerika. Das hat sich aber nicht ergeben, und es gab nur Angebote aus Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden. Da war nichts Passendes dabei. In dieser Zeit habe ich gemerkt, wie schön das Leben ohne Fußball ist und wie viel mehr Zeit ich für Familie und Freunde habe. Der Schritt fiel mir nicht schwer, und ich bin sehr glücklich über diese Entscheidung. Ich bereue es nicht, meine Karriere relativ früh beendet zu haben. Ich habe mich immer auf die Zeit danach gefreut.

Das würde Brunner rückblickend anders machen

SPORT1: Waren Sie während Ihrer Karriere ähnlich glücklich wie heute?

Brunner: Ich bin von Natur aus eher zufrieden als unglücklich. Ich hatte Probleme mit dem Druck vor den Spielen, aber dazwischen war ich meistens glücklich. Jetzt fallen Wochenenden, Belastung und Angst weg – und dadurch ist vieles noch ein bisschen schöner. Ich war nie depressiv. Ich hatte mit vielem zu kämpfen, aber ich war nicht dauerhaft unglücklich.

SPORT1: Mit dem Wissen von heute: Würden Sie etwas anders machen?

Brunner: Ich würde dauerhaft mit einem Sportpsychologen zusammenarbeiten – früh anfangen, dranbleiben und nicht erst, wenn der Baum brennt. Ich würde konstant an mir arbeiten und kann das jedem empfehlen, weil es sich trotz der harten Arbeit, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, lohnt. Man spürt positive Effekte und profitiert langfristig davon.