Aufgebracht schilderte Alexander Wehrle seine Erlebnisse in Deventer. Der Vorstandsvorsitzende des VfB Stuttgart war beim Europa-League-Spiel der Schwaben bei den Go Ahead Eagles (4:0) selbst am Treffpunkt für die mitgereisten Fans vor Ort – und lieferte anschließend einen erschreckenden Augenzeugenbericht.

„Beim Aussteigen haben die wirklich erstmal Knüppel in den Rücken oder in den Nacken bekommen. Von der Polizei!“, echauffierte sich Wehrle. Immer wieder ahmte er bei seinen Schilderungen mit seiner rechten Hand die Ausholbewegungen der Beamten gegen die VfB-Fans nach. „Die steigen aus – und: Buff!“

Polizisten beim Spiel in Deventer
Polizisten beim Spiel in DeventerPolizisten beim Spiel in Deventer

Fan-Eklat bei Stuttgart-Spiel in den Niederlanden

Schockiert sei er gewesen, wiederholte Wehrle mehrmals: „Das ist völliger Irrsinn!“ Die Fans seien „erstmal wie Schwerverbrecher“ behandelt worden, ergänzte der Klubboss.

Die Schikane begann schon lange vor Anpfiff, ist im Europapokal mittlerweile aber keine unübliche Praxis. Die Fans, die den VfB in die Niederlande begleiteten, bekamen ihre Tickets für das Stadion erst an einem sogenannten „Meeting Point“ ausgehändigt.

VfB-Boss Wehrle kritisiert Behörden: „Völlig unverhältnismäßig“

Dort habe es dann bei der Ankunft der ersten Busse laut Wehrle „ein bisschen Gedränge wie in jedem Stadion“ gegeben, als sich die Anhänger anstellen mussten. „Warum gibt es überhaupt eine Einlasssituation bei einem Fan-Meeting-Point? Das habe ich auch selten erlebt“, sagte Wehrle.

Das Gedränge sei laut VfB-Boss für die Behörden die Begründung gewesen, warum die restlichen drei Stuttgarter Fanbusse erst gar nicht in die Nähe kommen durften.

Das Deventer-Gastspiel des VfB Stuttgart in der Europa League sorgte für einiges an Aufsehen. Fans wurden von den Behörden angegangen und mussten zurück nach Deutschland reisen. VfB-Boss Alexander Wehrle schildert die Ereignisse des Abends.

Das Deventer-Gastspiel des VfB Stuttgart in der Europa League sorgte für einiges an Aufsehen. Fans wurden von den Behörden angegangen und mussten zurück nach Deutschland reisen. VfB-Boss Alexander Wehrle schildert die Ereignisse des Abends.

Deventers Bürgermeister Ron König habe demnach offenbar angewiesen, die Busse direkt wieder nach Deutschland zurückzuschicken. „Da muss ich sagen: Das ist völlig unverhältnismäßig. Das hat nichts mehr mit Kontrolle zu tun“, sprach Wehrle Klartext.

In den sozialen Netzwerken kursierten verwackelte Handyvideos, die sich mit den Beschreibungen Wehrles decken. Die augenscheinliche Polizeigewalt gegen deutsche Fußballfans in Europa ist kein Einzelfall.

Auch Fans des FC Bayern mit unschönen Erlebnissen

Anhänger des SC Freiburg machten beim Auswärtsspiel in der Europa League beim OGC Nizza Anfang November ähnlich unschöne Erfahrungen mit den lokalen Behörden vor Ort. Die Fans von Eintracht Frankfurt wurden gar komplett vom Besuch des Champions-League-Spiels in Neapel ausgeschlossen. Und beim Gastspiel des FC Bayern bei Paris Saint-Germain gab es ebenfalls Vorfälle mit der Polizei, die noch immer nachwirken.

„Wir werden entsprechend juristisch weiter gegen das Vorgehen vorgehen“, sagte Bayern-CEO Jan-Christian Dreesen am vergangenen Samstag auf SPORT1-Nachfrage über den Austausch mit den französischen Behörden. Was genau mitgeteilt wurde, wollte Dreesen nicht verraten. „Aber sicherlich haben sie uns angedroht, dass beim nächsten Mal gar keine Fans mehr kommen dürfen. Deswegen werden wir das nicht auf uns sitzen lassen“, wurde der 58-Jährige deutlich.

Die Polizeipräfektur der französischen Hauptstadt hatte kurzfristig einen Tag vor dem Spiel Anfang November veranlasst, dass sich alle 15 Fanbusse aus München an einer Mautstelle außerhalb von Paris sammeln sollten, um dann von der Polizei zum Stadion eskortiert zu werden. Dreesen sprach damals von „Willkür der Pariser Polizei“. Jeglicher Versuch, juristisch gegen diese Auflagen vorzugehen, blieb seinerzeit erfolglos.

Bayern droht neuer Fan-Ärger in Eindhoven

Nach SPORT1-Informationen droht auch beim Auswärtsspiel am letzten Spieltag der Ligaphase bei der PSV Eindhoven am 28. Januar neuer Ärger. Stand jetzt wollen niederländische Behörden, dass sämtliche Bayern-Fans ihre Tickets am Spieltag gegen Vorlage ihres Reisepasses vor Ort abholen. Eine Verteilung vorab ist nicht erlaubt.

Bayern-Sportdirektor Christoph Freund blickte am Freitag auf der PK mit Sorge auf die sich häufenden Vorfälle bei Auswärtsfahrten im Europapokal. „Auch jetzt in London gab es vor dem Spiel einige Szenen, die man eigentlich nicht sehen will“, sagte Freund auf SPORT1-Nachfrage.

Ordner und Polizisten stehen vor dem Gästeblock der Bayern-Fans im Londoner Emirates-Stadium
Ordner und Polizisten stehen vor dem Gästeblock der Bayern-Fans im Londoner Emirates-StadiumOrdner und Polizisten stehen vor dem Gästeblock der Bayern-Fans im Londoner Emirates-Stadium

Bayern-Fans bei Spiel gegen Arsenal attackiert

Im Emirates-Stadium kam es beim Kracher gegen Arsenal (1:3) zu Zusammenstößen zwischen englischen Ordnern und Bayern-Fans. Anlass war Zoff um das eigentlich genehmigte Aufhängen einer Zaunfahne.

Nach dem Spiel kam es für die Fans sogar noch dicker: Beim Verlassen des Stadions wurde ein Teil von ihnen von der Polizei eingekesselt und attackiert – aus Sicht der Münchner Anhänger vollkommen grundlos. Dabei wurden laut Augenzeugen einige von ihnen verletzt und mussten ins Krankenhaus gebracht werden.

Die Vorfälle in London werden aufgearbeitet, erklärte Freund: „Wir haben unsere Fanbetreuer, die sehr eng mit den Fangruppen und auch mit den Behörden zusammenarbeiten. Da ist der Austausch ganz, ganz wichtig.“

„Fußball lebt von den Fans“

Der Bayern-Boss betonte: „Fußball lebt von den Fans, lebt von der Atmosphäre, von den Emotionen. Darum ist es wichtig, dass man einen guten Austausch findet, sodass dieses Fan-Erlebnis nicht unter einem schlechten Stern steht.“

Von SPORT1 konkret gefragt, ob denn der FC Bayern auch in Kombination mit anderen deutschen Vereinen Möglichkeiten habe, für die Belange der Fans in Europa zu streiten, antwortete Freund: „Zu streiten ist nicht der Ansatz, sondern zu diskutieren und sich auszutauschen.“

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wollte sich derweil nicht näher zu den jüngsten Vorkommnissen äußern. Auf SPORT1-Nachfrage wies der DFB aber darauf hin, dass Wehrle als Vorsitzender des Aufsichtsrats der DFB GmbH & Co. KG am Donnerstag sozusagen für den Verband mitgesprochen habe.

Wehrle schlägt Alarm: „So geht die Fankultur kaputt“

Angesichts der Schlagstock-Einsätze in Deventer schlug der VfB-Boss Alarm. „So geht die Fankultur kaputt in Europa“, sagte der 50-Jährige. „Wir haben uns auch bei der UEFA beschwert. Das können wir auch nicht so stehenlassen.“

Keine Fan-Unterstützung für den VfB Stuttgart beim Europa-League-Auswärtsspiel gegen die Go Ahead Eagles Deventer. Nach der erschwerten Ankunft und dem schwierigen Aufenthalt der VfB-Anhänger entschieden sie sich, die Niederlande vorzeitig wieder zu verlassen.

Keine Fan-Unterstützung für den VfB Stuttgart beim Europa-League-Auswärtsspiel gegen die Go Ahead Eagles Deventer. Nach der erschwerten Ankunft und dem schwierigen Aufenthalt der VfB-Anhänger entschieden sie sich, die Niederlande vorzeitig wieder zu verlassen.

Nicht zum ersten Mal kam es bei einer Europareise der Stuttgarter zu unschönen Erlebnissen. Vor rund einem Jahr kehrten 13 Fanbusse vor dem Champions-League-Spiel in Belgrad um, weil es zu Übergriffigkeiten bei Grenzkontrollen gekommen sein soll.

Wehrle sieht eine bedenkliche Entwicklung. „Wenn wir eine Fankultur im europäischen Fußball aufrechterhalten wollen, dann müssen wir auch dafür Sorge leisten, dass Fans, die sich nichts zuschulden kommen lassen, auch einreisen dürfen und ein normales Fußballerlebnis haben.“

Der VfB-Boss mahnte: „Irgendwann werden wir Verhältnisse haben, da wird auch keiner mehr mitreisen. Dann wird das den Fußball verändern. Und wir machen das doch für die Fans. Oder für was machen wir das?“

Wehrles Fazit nach den klaren Worten: „Mich macht das sprachlos. Ich bin echt sauer und das macht so auch keinen Spaß.“