Als Karim Adeyemi kurz vor Spielende VfB-Schlussmann Alexander Nübel überwunden hatte, erlebte der Großteil der Zuschauer im Dortmunder Stadion eine echte Gefühlsexplosion. Der 23-Jährige erzielte gegen den VfB Stuttgart in der 89. Minute den vermeintlichen Siegtreffer zum erlösenden 3:2 und ließ sich vor der Südtribüne ausgiebig feiern.

Sein Torjubel hingegen warf Fragen auf. Der Offensivspieler ließ seine Hand auf- und zuschnappen, als wolle er all seinen Kritikern eine Botschaft mitteilen: Redet, was ihr wollt! Vor dem Hintergrund, dass Adeyemi wegen illegalen Waffenbesitzes einen Strafbefehl erhalten hatte und eine Strafe von 450.000 Euro zahlen muss, sorgte sein Jubel für neuen Gesprächsstoff – und schürte den Verdacht einiger Experten, dass Adeyemi noch nicht ganz verstanden hat, was für ihn auf dem Spiel steht.

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Karim Adeyemi traf zum 3:2 gegen Stuttgart
Karim Adeyemi traf zum 3:2 gegen StuttgartKarim Adeyemi traf zum 3:2 gegen Stuttgart

Causa Adeyemi bewegt Fußball-Deutschland

„Ich fand die Geste gestern fatal. Er reflektiert das zu wenig. Wenn er dann das Tor und diese Geste macht, das zeigt mir, dass er es nicht richtig reflektiert hat“, befand Holger Schmidt, langjähriger Sportjournalist und inzwischen Medien- und Kommunikationsberater im SPORT1 Doppelpass.

Was genau Adeyemi mit seinem Torjubel mitteilen wollte, blieb zwar offen, aber aus Schmidts Sicht war es so oder so ein Fauxpas: „Wenn es auf etwas anderes bezogen war, dann war es auch ungeschickt, weil es sich eindeutig so deuten lässt“, führte Schmidt aus.

Dass sein Tor letztendlich nicht zum Sieg reichte, lag in erster Linie an einem Dreierpack von Stuttgarts Deniz Undav, der den Schwaben ein 3:3-Unentschieden sicherte. Die Causa Adeyemi, die Fußball-Deutschland seit der Länderspielpause bewegt, blieb nach dem Spiel auch unabhängig vom verspielten Dortmunder Heimsieg Gesprächsthema.

BVB-Bosse stärken Adeyemi den Rücken

Ein Teleskopschlagstock, zwei Sturmhauben, drei Messer, zwei Schlagringe und ein Blendlicht sollen sich in der vor über einem Jahr bei TikTok erworbenen „Mystery Box“ befunden haben, mit der der Offensivspieler erwischt worden ist. Adeyemi selbst zeigte sich nach der Enthüllung des juristischen Vorgangs reumütig und gab an, nicht gewusst zu haben, dass er mit seiner Bestellung illegale Waffen erwarb. Von BVB und DFB wurde er zum Rapport beordert.

Dass Adeyemi seinen Klub aber nicht schon vorher über die Ermittlungen um den vermeintlich unbeabsichtigten Erwerb von Waffen informiert hatte, stieß auf Kritik. „Ich finde es nicht gut, dass er es nicht intern kommuniziert hat. Dann hätten sie das besser vorbereiten können in der Kommunikation“, erläuterte Medienexperte Schmidt im Dopa.

Wie durch einen zweiten Bericht der Bild auch herauskam: Laut Strafbefehl des Amtsgerichts Wetter soll Adeyemi sehr wohl gewusst haben, was sich in der von ihm bestellten „Mystery Box“ befunden habe. Der 23-Jährige hat dem bislang nicht widersprochen. Nach Angaben seines Anwalts hat er seine Gesprächspartner vollständig über die Sachlage informiert.

BVB-Boss Lars Ricken stärkte dem 23-Jährigen am Samstag den Rücken: „Das Strafverfahren ist abgeschlossen, er hat keinen geschädigt. Er hat uns glaubwürdig erklärt, wie es dazu gekommen ist. Wir haben daran keinen Zweifel“, erklärte er bei DAZN.

Sportdirektor Sebastian Kehl äußerte sich bei Sky ähnlich und ging dabei auch auf wiederholte Nachfragen über die Widersprüche in Adeyemis Darstellung hinweg: „Wir glauben Karim“, versicherte er.

Effenberg sendet Warnung: „Er muss aufpassen“

Die Art und Weise, wie der BVB einem wegen einer fußballfremden Affäre gegen öffentliche Kritik in Schutz nimmt, erinnert an den Fall Marco Reus und dessen jahrelanges Fahren ohne Führerschein.

Der Klub hat – ähnlich wie zum Beispiel auch der FC Bayern mit Franck Ribéry – in dieser Hinsicht gute Erfahrung damit, einen bedrängten Schützling abzuschirmen und ihm den Rücken zu stärken: Wenn es gut läuft, dankt er es mit Leistung und womöglich auch einer engeren Bindung an den Klub. Bei den Schwarz-Gelben steht der 23-Jährige noch bis 2027 unter Vertrag. Intern sollen die Verantwortlichen an einer Verlängerung des Arbeitspapiers arbeiten, der Spieler selbst ließ seine Zukunft in naher Vergangenheit offen.

Ob das Thema aber wirklich dauerhaft beendet ist, hängt davon ab, ob Adeyemi fortan wirklich keine weitere Angriffsfläche mehr liefert.

„Er muss aufpassen, dass er seine Karriere nicht vor die Wand fährt. Ich finde die Reaktionen des DFB und vom BVB gut, dass sie sagen, dass ein klarer Fehler vorliegt“, sagte SPORT1-Experte Stefan Effenberg im Doppelpass klar: „Ich hoffe, dass er aufgeräumt ist und reflektieren kann, dass er weiß, dass er sich in Zukunft nichts Weiteres mehr erlauben darf und sollte.“

„Sie müssen diesen Jungen auf den richtigen Weg führen“

Effenberg nahm vor allem den Beraterkreis und auch „das Elternhaus“ Adeyemis in die Hauptverantwortung, „diesen Jungen auf den richtigen Weg zu führen.“ In ähnlichem Tonfall ermahnte Dietmar Hamann tags zuvor bei Sky, dass Adeyemi „erwachsen werden“ müsse. Skeptisch zeigte sich derweil der ebenfalls in der Doppelpass-Runde sitzende Bild-Journalist Christian Falk.

„Er scheint mir ein wenig beratungsresistent zu sein“, mutmaßte der Reporter: „Es ist auch kein Zufall, dass er innerhalb von zwei Jahren dreimal das Management gewechselt hat. Das sind ja eigentlich Leute, die ihn versuchen, in die richtige Richtung zu bringen. Wenn du andauernd den Berater wechselst, bedeutet das, dass es so einfach nicht zu sein scheint. Auch seine Lebenspartnerin (Rapstar Loredana, d. Red.) versucht, Einfluss auf seine Karriere zu nehmen. Bei so einem jungen Spieler ist das nicht einfach.“ Erst im August hatte Adeyemi zum wiederholten Mal den Berater gewechselt und wird seitdem von Star-Vermittler Jorge Mendes vertreten.

Falk bekam für seine Aussagen über Adeyemis nach seinem Eindruck problematisches Umfeld auch Gegenwind – unter anderem von Ex-Profi Jermaine Jones, der vor zu weiträumigen Deutungen von Adeyemis Charakter warnte.

Auch Kommunikationsprofi Schmidt hegt allerdings den Eindruck, dass der Fall Adeyemi sportlich nicht folgenlos bleiben wird – auch mit Blick auf die WM 2026.

„Er muss jetzt sportlich unverzichtbar sein“

Die Thematik rund um seinen illegalen Waffenbesitz tauchte in der zurückliegenden Länderspielperiode auf. Adeyemi saß – vielleicht auch deswegen – beim 6:0-Sieg gegen die Slowakei die komplette Spieldauer auf der Ersatzbank.

DFB-Sportdirektor Rudi Völler versicherte bei Welt TV zwar: „Der Junge hat mehr als eine zweite Chance verdient. Das ist ein anständiger Kerl, er hat einen Fehler gemacht.“

Schmidt glaubt jedoch, dass Adeyemi seine Nominierungs-Chancen schon jetzt geschwächt hat – und verwies darauf, dass der DFB bei einem Großturnier keine Ablenkungen gebrauchen kann, wie Adeyemi sie soeben verursacht hat: „Er muss jetzt sportlich unverzichtbar sein, um überhaupt bei der WM dabei zu sein, weil man jemanden nicht als Spieler 15 oder 18 zum Turnier mitnimmt, wenn du denkst: ‚Wer weiß, was für eine Geschichte während der WM wieder an die Öffentlichkeit kommt oder was uns den Frieden im WM-Camp stört.‘ Das ist ein Problem für ihn.“

Ob die Mystery-Box-Affäre wirklich spurlos an Adeyemi vorbeigeht, wird am Ende davon abhängen, ob er die richtigen Lehren daraus zieht.