Was in Stuttgart im Moment passiert, kann nicht hoch genug bewertet werden. Nach dem Last-Minute-Verkauf von Nick Woltemade, mit allen Emotionen und Nebengeräuschen, war das Urteil in der Branche schnell gefällt.

„Der VfB hat sehr viel eingenommen und darum geht es am Ende. Da ist gut zu verkraften, wenn die Saison nur Durchschnitt wird“, bewertete ein prominenter Bundesliga-Manager Ende August beim „Sport Bild Award“ in Hamburg in kleiner Runde. Stuttgart hatte zum Saisonauftakt 1:2 bei Union Berlin verloren.

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Sebastian Hoeneß hält den VfB auf Kurs
Sebastian Hoeneß hält den VfB auf KursSebastian Hoeneß hält den VfB auf Kurs

Zwei Monate später ist der VfB Tabellendritter, vor dem BVB, nach zuletzt fünf Bundesliga-Siegen in Serie. Eine absolut bemerkenswerte Leistung. Samstag in Leipzig kommt es zum Duell um Platz zwei, der VfB spielt bei RB Leipzig.

Das wäre höher einzuschätzen als die Schale für den FC Bayern

Sebastian Hoeneß, der Stuttgarter Trainer, muss nicht Meister werden, um diese Saison seine Meisterprüfung zu schaffen. Führt er die Schwaben nach diesem heftigen Ruckel-Start sogar auf einen Champions-League-Platz, wäre das deutlich höher einzuschätzen als die Schale für den FC Bayern.

Es waren ja nicht nur die Verkäufe der offensiven Topspieler Woltemade (für 75 Mio. Euro zu Newcastle United) und Enzo Millot (für 30 Mio. Euro zu Al-Ahli), sondern auch die dann folgenden Verletzungen der Torjäger Deniz Undav und Ermedin Demirovic, die Hoeneß beinahe aus dem Nichts große Rätsel aufgaben.

Wie er die personellen Tiefschläge nahm und moderierte, war nicht nur außergewöhnlich, sondern hob ihn als Stuttgarter Anführer auch noch mal auf ein neues Level. Statt zu zetern und kritischen Immerbesserwissern Raum zu geben, schaltete Hoeneß in den Vorwärtsgang – und lernte auf höchstem Niveau, Probleme als Chancen zu begreifen. Ins Machen zu kommen statt im Frust zu versinken, was definitiv einfacher ist.

Wie Hoeneß Tiago Tomás, in Wolfsburg vorher nur noch Mitläufer, zu einem entscheidenden Faktor formte und das Offensivspiel des VfB für ihn modifizierte, das war sogar doppelt brillant: Zum einen half es im Moment, gerade auch, weil die Gegner den Stuttgarter Angriff in dieser Form nicht kannten.

Hoeneß schuf neue Varianten

Zum anderen schuf Hoeneß neue Varianten für die kommenden Monate. Undav ist mittlerweile zurück, bei Demirovic dauert es noch bis Dezember. Tomás ist in ihrer Abwesenheit zu einer Waffe gereift, die der VfB vorher nicht parat hatte.

Wie überzeugt und selbstbewusst Hoeneß handelt, zeigte seine XL-Rotation am Sonntag. Bis auf Torwart Alexander Nübel stellte er gegen Mainz im Vergleich zum Europa League-Spiel am Donnerstag (0:1 bei Fenerbahce) eine komplett neue Mannschaft auf den Rasen. Dass diese riskante Entscheidung aufging, stärkt Hoeneß zusätzlich. Und zeigt, mit welcher Entschlossenheit er arbeitet.

Im DFB-Pokal am heutigen Mittwoch (18 Uhr im LIVETICKER) heißt der Gegner wieder Mainz, dieses Mal auswärts. Die Vorarbeit hat Hoeneß schon geleistet.

Niemand beim FSV weiß, mit welcher Mannschaft und welcher Ausrichtung, gerade nach vorne, der VfB ins Spiel geht. Eine Vorbereitung auf den Gegner ist im Grunde nicht möglich. Das ist ein starkes Stück – dank einen starken Chefs.

Tobias Holtkamp war in der Chefredaktion von Sport Bild und Chefredakteur von Transfermarkt.de. Heute berät er Sportler und Marken in ihrer inhaltlichen und strategischen Ausrichtung. Für SPORT1 schreibt...