Noch immer gilt der am 15. August verstorbene Gerd Müller, der „Bomber der Nation“, als größter Torjäger in Deutschland. Doch seine Rekorde werden immer häufiger gebrochen.
Miroslav Klose hat ihn schon 2014 als Länderspiel-Rekordschütze abgelöst, wenn auch mit einer weit schlechteren Quote pro Spiel. Nun jagt Robert Lewandowski Müller die Bundesliga-Rekorde ab. Die meisten Saisontore (41 in 2020/21) und die meisten Tore in Folge in Heimspielen (aktuell 13) hat der Pole bereits aufzuweisen.
Am Freitag in Fürth könnte er zum 16. Mal in Folge in einem Bundesligaspiel treffen. Das schaffte zuvor natürlich auch nur „der Bomber“. Wie war das damals, in der Saison 1969/70? SPORT1 blickt zurück.
Gerd Müllers Tor-Serie
Bereits 1967 und 1969 hat Müller die Torjägerkanone gewonnen. 1969 werden die Bayern erstmals Meister in der Bundesliga, gewinnen auch das Double.
Vor allem dank seiner Tore, er kommt zur Jahrzehntwende in die Form seines Lebens. In die Saison 1969/70 startet er mit drei Toren gegen RW Essen, dann stockt die Tormaschine für vier Spiele, ehe die Rekordserie ihren Lauf nimmt.
27. September:
Beim 4:0 in Braunschweig verwertet er eine Ohlhauser-Vorlage zum 3:0 und beendet eine 464-minütige Ladehemmung. Für Müller-Verhältnisse war das eine unglaubliche Zeitspanne.
4. Oktober:
Im Heimspiel gegen Werder Bremen macht Müller alles alleine. Vier Tore beim 4:1 beenden alles Gerede über seine Formkrise, mit dem letzten Treffer erreicht er als Dritter die 100-Tore-Marke. Keiner ist dabei jünger gewesen (23). „Müller bombt wieder!“, titelt der kicker. Werder-Torwart Fritz Stefens wird das Spiel nicht vergessen, einen ungeeigneteren Moment für ein Debüt kann es anno 1969 kaum geben.
10. Oktober:
Bei Angstgegner MSV Duisburg verlieren die Bayern das Spiel (2:4) und die Tabellenführung. Bayerns Angreifer aber gelingt ein „typisches Müller-Tor“ (kicker), als er eine zu kurze Rückgabe aufnimmt und für die 2:1-Führung sorgt.
15. Oktober:
Derby-Sieg an einem Mittwochabend. Vor 40.000 im Grünwalder Stadion schlägt Bayern die Münchner Löwen mit 2:0. Müller begnügt sich diesmal mit einem Elfmetertreffer (35.) zum Endstand.
25. Oktober:
Auch beim 3:1 in Aachen erzielt Müller das 2:0 per Foulelfmeter (26.) und kommt auf bereits elf Saisontore in zehn Spielen.
30. Oktober:
Erstmals spielt Bayern an einem Donnerstag in der Bundesliga. Glück bringt es nicht, Hertha BSC gewinnt 2:1 in München. Dabei hat Müller doch die Weichen auf Sieg gestellt – per Kopf zum 1:0 (24.). Aber in der 82. Minute scheitert er mit einem Elfmeter an Fraydl und ist der Pechvogel des Abends. Fortan will er keine Elfmeter mehr schießen, verkündet er Tage später.
8. November:
In Stuttgart gewinnen die Bayern mit 3:2. Vorentscheidend ist das 3:1 von Müller (67.) nach Vorarbeit von Dieter Brenninger, der sich damit für die Vorarbeit des Stürmers beim 2:0 revanchiert. Manchmal kann der Bomber eben auch gönnen.
Gerd Müller trifft fast gegen jeden Gegner
15. November
Lange Gesichter im Grünwalder. Im Spitzenspiel verliert Bayern gegen Tabellenführer 1. FC Köln 1:2. Das Tor macht – natürlich – Müller (48.) zum Ausgleich.
Trotzdem steht er in der Kritik. Der kicker schreibt: „Seine Nebenleute suchten ihn, aber er bewegte sich zu wenig. Der angeknackste Müller hat Ladehemmung.“ Beinahe grotesk angesichts der Serie und der Tatsache, dass er die Torschützenliste deutlich anführt.
Es folgt ein spielfreies Wochenende, danach in Hannover (1:0) fehlt Müller wegen einer Oberschenkelzerrung.
6. Dezember
An Nikolaus 1969 liegt Schnee in München, für Müller kein Hindernis. Zum 2:1 gegen den HSV steuert er beide Tore bei (30., 86.), während auf den Stehrängen ein Starschnitt in Lebensgröße von Müller zu sehen ist. Ein ganz besonderer Müller-Fan hat ihn gebastelt und präsentiert ihn stolz. „Der HSV hatte keinen Gerd Müller!“, erklärt der kicker das Ergebnis auf einleuchtende Weise.
13. Dezember
Ärgerlicher Punktverlust in Oberhausen (3:3), wo Müller das 2:1 (37.) erzielt und den Elfmeter zum 3:2 herausholt.
Das letzte Vorrundenspiel gegen Schalke fällt dem Winter zu Opfer. Mit 17 Saisontoren feiert Müller Weihnachten. Schärfster Verfolger: Herbert Laumen (Gladbach/11 Tore).
Mit Start der Rückrunde werden Müllers Tore „gemeinnützig“. Ein Uhrenhersteller spendet für jedes Tor 1000 DM an die Deutsche Sporthilfe. Die Aktion startet mit Verzögerung, die ersten drei Spiele der Bayern fallen aus – der Winter 1969/70 ist ein besonders strenger.
31. Januar
Gegen Kaiserslautern holpern die Bayern ins neue Jahrzehnt. In München gibt es nur ein 1:1 gegen Kaiserslautern. Den Punkt rettet Müller, der vor dem Ausgleich (55.) Kollege Rainer Ohlhauser den Ball vom einschussbereiten Fuß nimmt und seine einzige Torchance eiskalt nutzt. Seine Torgier immerhin hat er ins Jahr 1970 hinübergerettet.
7. Februar
Vom „Germanico“ spricht man noch lange nicht, ein Duell mit Dortmund ist damals noch kein Klassiker. 25.000 sehen im Stadion Rote Erde ein einseitiges Spiel, das der Favorit viel zu niedrig gewinnt. Alle Tore beim 3:1: Müller! Gegenspieler Klaus Brakelmann wird entnervt ausgewechselt. Müller, der nun Beatle-Look (Pilzkopf-Frisur) trägt, gesteht: „Ich freue mich wie ein Rohrspatz.“
14. Februar
Immer noch liegt hoher Schnee, „was spielerisch starken Mannschaften wie uns nicht gelegen kommt“, befindet Bayern-Trainer Branko Zebec. Gegen Eintracht Braunschweig verschlafen die Münchner prompt den Start, doch aus dem frühen Rückstand wird ein souveränes 5:1. Müller staubt beim 2:1 sogar per Kopf ab (42.) und besorgt nach Ohlhausers Vorlage das entscheidende 4:1 (62.).
Das Spiel in Bremen fällt aus, so sieht eben München einen Bundesliga-Rekord.
24. Februar
Im Nachholspiel gegen Schalke (6:0) avanciert Müller zum Rekordtorschützen der Bundesliga. Sein 1:0 (6.) per Kopf ist sein 116. Bundesligator, er zieht mit dem Dortmunder Lothar Emmerich gleich. Seit diesem Tag ist Müller die Nummer 1 der Torjägerliste, obwohl er erst ein Drittel seiner Gesamtausbeute (365) eingefahren hat.
28. Februar
Im dritten Heimspiel in Folge gibt es wieder einen Sieg – 2:0 gegen Duisburg. Nach acht Minuten stellt Müller auf Vorlage von Franz „Bulle“ Roth die Weichen auf Sieg. Nun führt er die ewige Torschützenliste alleine an.
3. März
In Frankfurt trifft Müller an diesem Dienstagabend zum 16. Mal in Folge. Sein Tor zum 1:1 (57.) kann die 1:2-Niederlage nicht verhindern, markiert aber die bis dato längste derartige Serie der Bundesligageschichte.
Sie reißt vier Tage später ausgerechnet im Lokalderby gegen Abstiegskandidat 1860 München (1:2). Die Löwen werden trotzdem absteigen, die Bayern aber kostet es die Meisterschaft.
Müller beendet die Saison mit einem Rekordwert von 38 Toren – und zehn Treffern bei der WM in Mexiko.