Endlich ist sie vorbei. Diese vermaledeite Sommerzeit. So oder so ähnlich dachten wahrscheinlich viele Menschen in Mönchengladbach, als sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag ihre Uhren zurückstellten. Jetzt gilt für sechs Monate wieder die Normalzeit, auch Winterzeit genannt. Wie jedes Jahr ist dieser Vorgang umstritten. Doch am Niederrhein dürfte das diesmal ausnahmsweise anders gewesen sein, einige diesen Moment gar sehnlichst erwartet haben – und ihn vielleicht als Hoffnungsschimmer nutzen.

Keine Frage. Die Geschichte der Borussia ist lang, bewegt und voller Höhen und Tiefen. Aber solch triste Kapitel wie die Sommerzeit 2025 sind selbst darin äußerst selten vorhanden. Kein einziges Bundesligaspiel gewann Gladbach in diesem Zeitraum. Dass der letzte Sieg vom 29. März stammt, wirkt fast unglaublich. Damals eroberte man mit einem knappen 1:0 gegen Leipzig Tabellenplatz fünf und träumte von Europa. Wenige Stunden später wurde die Zeit vorgestellt – und das Gewinnen verlernt.

Seit sage und schreibe 15 Spielen haben die Fohlen nun nicht mehr dreifach gepunktet. Fünf Remis, zehn Niederlagen – die alte Saison in der Bundesliga endete schlecht, die neue begann noch viel miserabler. Von Europaträumen blieb nichts mehr übrig. Stattdessen ist Gladbach sieglos am Tabellenende angekommen und hat Diskussionen am Hals. Um die Zukunft, um die Strategie, und um eine Person, die eigentlich die Wende herbeiführen sollte: Eugen Polanski. Der erhoffte Heilsbringer wurde er bislang aber nicht. Und jetzt?

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CAPTION: Eugen Polanski wartet noch auf seinen ersten Sieg als Gladbach-Coach
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Eugen Polanski wartet noch auf seinen ersten Sieg als Gladbach-Coach
Eugen Polanski wartet noch auf seinen ersten Sieg als Gladbach-CoachEugen Polanski wartet noch auf seinen ersten Sieg als Gladbach-Coach

Polanski durchlief sämtliche Jugendabteilungen in Gladbach

Das ist die Frage, die sich derzeit viele stellen. Aus seinen bisherigen fünf Partien holte Polanski lediglich zwei Punkte – viel zu wenig, um das seit Langem bestehende Gerede um den Trainerposten endlich zu beenden. Wurde anfangs gesagt, dass der 39-Jährige bei einer überschaubaren Fallhöhe fast nur gewinnen könne, hat sich die Situation mittlerweile geändert. Alle wollten Polanski. Jetzt ist er da, doch der sportliche Erfolg stellt sich immer noch nicht ein. Auch, weil der Interimstrainer womöglich mit stumpfen Waffen kämpft.

Polanski ist eng mit Gladbach verbunden. Als Dreijähriger zog er mit seinen Eltern aus Polen an den Niederrhein, wo er sämtliche Jugendteams des Vereins durchlief. Viele davon als Kapitän und Musterschüler. Zwar besaß er im Vergleich zu einigen seiner Mitspieler kein herausragendes Talent, doch er kompensierte seine Defizite stets mit enormem Ehrgeiz und schaffte es so bis zu seinem Profidebüt 2005. Drei Jahre später verließ er den Klub und spielte in Getafe, Mainz sowie Hoffenheim, ehe er nach seiner aktiven Karriere zu seinen Wurzeln zurückkehrte.

Der Weg schien schnell vorgezeichnet. Polanski übernahm 2021 zunächst Gladbachs U17, wurde 2022 Cheftrainer der U23 und hinterließ dabei einen sehr positiven Eindruck. Ein Grund, weshalb sein Name schon bei der letzten Trainersuche im Sommer 2023 im Raum stand. Den Zuschlag erhielt jedoch Gerardo Seoane, der bis vor Kurzem blieb, als der Verein nach einer langen Krise und blutleeren Auftritten die Reißleine zog. Dem analytischen Schweizer gelang es nicht mehr, die Mannschaft mitzureißen. Also bekam Polanski die Chance, seine Fähigkeiten in der ersten Reihe zu präsentieren.

Von Heynckes, Tuchel und Nagelsmann geprägt

Vor seinem Debüt gegen Leverkusen schilderte der Ex-Profi, dass er menschlich viel von Jupp Heynckes gelernt habe, die versierte Detailarbeit von Thomas Tuchel in Mainz verfolgte und von der Gesamtschaffung von Julian Nagelsmann in Hoffenheim geprägt worden sei. „Er ging in eine ähnliche Richtung wie Tuchel, war für mich aber noch einen Tick besser, weil er noch lösungsorientierter und menschlicher war“, sagte Polanski. Nagelsmann sei es auch gewesen, der ihm immer wieder gesagt habe, er solle unbedingt Trainer werden. Jetzt ist er genau das – nur womöglich zur falschen Zeit am richtigen Ort.

Die Hoffnung war riesig, dass Polanski mit seiner emotionalen Seite das Ruder herumreißen kann. Dass die Nummer ein Perfect Match wird. Die Fans stehen hinter ihm, für sie ist Polanski eine echte Identifikationsfigur. Gibt es jedoch keine schnelle Wende, muss aber auch er sich eingestehen, dass so leicht keine Wunderdinge möglich sind. Nur zwei Punkte holte der frühere Mittelfeldspieler aus fünf Spielen. Die Stimmung ist weiterhin durchwachsen, diverse Gründe dafür liegen auf der Hand. Vor allem der Transfersommer hallt nach.

Großartigen Handlungsspielraum hatte der inzwischen entlassene Geschäftsführer Roland Virkus da nicht. Mit Ko Itakura, Julian Weigl und Alassane Pléa wurden drei Leistungsträger abgegeben, dazu fallen Tim Kleindienst und Robin Hack schon lange aus. Adäquaten Ersatz gab es nicht, stattdessen ist der Kader auf Kante genäht. Es fehlen Führungsspieler, einige Neuzugänge fremdeln noch in neuer Umgebung. Das ergibt: Einen enormen Verlust an Klasse, den Polanski nicht wegzaubern kann. So ist der oft beschriebene Trainereffekt bereits verpufft.

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Eugen Polanski feierte bei Gladbach sein Profidebüt
Eugen Polanski feierte bei Gladbach sein ProfidebütEugen Polanski feierte bei Gladbach sein Profidebüt

„Es gibt keinen Kontakt zu anderen Trainern“

Nach der 0:3-Niederlage gegen den FC Bayern fand Polanski am Samstag noch Mut machende Worte. „Unser Ziel war es, die Bayern nicht gut aussehen zu lassen. Das haben wir lange Zeit gut hinbekommen. Wenn man bedenkt, dass wir, die Nachspielzeit eingerechnet, fast 80 Minuten in Unterzahl gespielt haben, dann war die Art und Weise auf jeden Fall so, dass wir darauf aufbauen können“, sagte er. An Kampf und Leidenschaft mangelte es wahrlich nicht. Die Borussen wehrten sich mit voller Hingabe gegen die Pleite, die nach dem frühen Platzverweis für Jens Castrop unausweichlich schien.

Doch das Hauptproblem liegt woanders. Seit Monaten mangelt es am Spiel nach vorne, an der Kreativität mit dem Ball. So ebben die Debatten um den Trainerposten nicht ab. Sportdirektor Rouven Schröder versicherte, dass man sich noch nicht mit möglichen Alternativen zu Interimstrainer Polanski beschäftigt habe. „Es gibt keinen Kontakt zu anderen Trainern”, sagte Schröder bei Sky90 und betonte: „Wir haben uns kein Zeitfenster bei Eugen gegeben. Eugen hat unsere vollste Unterstützung, das hat er sich absolut verdient.“ Schröder ist von Polanskis grundsätzlichen Qualitäten überzeugt.

Gleichwohl weiß der neue Gladbach-Boss auch, wie das Geschäft läuft: Stimmen die Resultate nicht, wird es Konsequenzen geben und das Märchen Polanski womöglich schneller ausgeträumt sein, als jedem lieb ist. Ob das dann fair ist oder ob er nur die Fehler seiner Vorgänger ausbaden musste, würde für immer ein Geheimnis bleiben. Am Dienstag treffen die Fohlen im DFB-Pokal auf den Karlsruher SC, in der Liga geht es gegen den FC St. Pauli und den 1. FC Köln. Siege sind praktisch Pflicht. Aber gerade der einzige Lichtblick? Dass diese verflixte Sommerzeit nun endlich vorbei ist.