Im Moment der Befreiung löst sich der Pulk, der auf einen kleinen Bildschirm gestarrt hatte, explosionsartig auf. Völlig ekstatisch sprangen die Nationalspieler Haitis über den Platz. Wenn im Sommer 2026 in den USA, Kanada und Mexiko 48 Teams um den goldenen WM-Pokal spielen, wird der Karibikstaat dabei sein. Ein Land, das von Gewalt und Armut zerfressen ist. Dessen Nationalmannschaft ihre Heimspiele in weiter Ferne austragen muss. Und über dessen Bürger US-Präsident Donald Trump einst die Lüge verbreitete, sie würden Haustiere verspeisen.

Mit 2:0 (2:0) hatte das von dem Franzosen Sébastien Migné trainierte Team am Dienstag gegen Nicaragua gewonnen, das 0:0 des Konkurrenten Honduras gegen Costa Rica brachte die beglückende Gewissheit: Haiti fährt zur WM! Schon einmal, 1974 beim Weltturnier in Deutschland, war das Land dort vertreten. Drei Niederlagen im Münchner Olympiastadion gegen Italien, Polen und Argentinien bedeuteten damals das frühe Aus für „Les Grenadiers“.

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Vor dem entscheidenden Qualifikationsspiel, das mit dem 222. Jahrestag der Unabhängigkeit zusammenfiel, zeigte sich der Verband FHF zuversichtlich und schrieb: „Der Tag der Revolution ist gekommen.“ Die erneute Qualifikation versetzte Haiti in einen kollektiven Freudentaumel – und wirft zugleich bange Fragen auf.

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CAPTION: Haiti qualifiziert sich nach 52 Jahren für die WM. Der Hoffnungsschimmer für die Bevölkerung wirft jedoch Fragen auf
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Haiti qualifiziert sich nach 52 Jahren für die WM. Der Hoffnungsschimmer für die Bevölkerung wirft jedoch Fragen auf
Haiti qualifiziert sich nach 52 Jahren für die WM. Der Hoffnungsschimmer für die Bevölkerung wirft jedoch Fragen aufHaiti qualifiziert sich nach 52 Jahren für die WM. Der Hoffnungsschimmer für die Bevölkerung wirft jedoch Fragen auf

Bandenkriminalität, Katastrophen und Armut: Haiti im Exil zur WM

Denn der Inselstaat wird beherrscht von brutalen Banden, Zerstörung und tiefgreifender Armut. Nach der Ermordung des gewählten Präsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 versuchte der De-facto-Nachfolger Ariel Henry, das Land autoritär zu regieren, musste im Frühjahr 2024 aber zurücktreten.

In vielen Teilen Haitis haben seitdem bewaffnete Gangs das Sagen, während zahlreiche Einwohner um ihre Existenzen bangen: Das Land gilt als das ärmste der westlichen Hemisphäre. So leben zwei von drei Einwohnern von weniger als 1,73 Euro am Tag.

Hinzu kommen Umweltkatastrophen wie das schwere Erdbeben und der anschließende Cholera-Ausbruch im Jahr 2010, die Treiber für die politische Instabilität und die noch heute drohende Hungersnot für große Teile der Bevölkerung waren. Im UN-Index für menschliche Entwicklung platziert sich das Land aktuell nur auf Rang 166 von 193.

Weil das Nationalstadion beschädigt und in der Hand von Banden ist, trägt die Fußball-Nationalmannschaft ihre Heimspiele allesamt in der Fremde aus. Das WM-Ticket wurde in Willemstad, der Hauptstadt Curacaos, deren Auswahl sich sensationell ebenfalls qualifizierte, gelöst. Zuvor trug die Mannschaft ihre Spiele auch auf Barbados und Aruba aus.

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Nationaltrainer Migné hat das Land laut eigenen Angaben seit seiner Amtsübernahme im Januar 2024 nicht betreten. „Es ist unmöglich, weil es zu gefährlich ist. Normalerweise lebe ich in den Ländern, in denen ich arbeite, aber hier kann ich das nicht. Es gibt keine internationalen Flüge mehr, die dort landen“, erklärte er bei France Football.

Einreisesperre von Trump: Eine WM ohne eigene Fans?

Das Auswärtige Amt hat unlängst eine Reisewarnung für Haiti ausgesprochen. In den USA gilt seit Juni eine Einreisesperre für die Bürger des Landes. In einem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) heißt es, dass fast 1,3 Millionen Menschen gezwungen wurden, vor der Bandengewalt im Land zu fliehen. Präsident Trump will jedoch keine weiteren Migranten des Karibikstaates aufnehmen, denen er im Wahlkampf 2024 unterstellte, sie würden Haustiere stehlen, um sie zu essen. So wird Haiti womöglich auch bei der WM auf eigene Fans verzichten müssen.

Und doch schreibt der Inselstaat, der zuletzt von Hurrikan „Melissa“ schwer getroffen wurde, mit seinen Fußballern trotz der nicht enden wollenden katastrophalen Zustände eine nahezu surreale Märchengeschichte.

„Man gab mir Informationen über die einheimischen Spieler und ich leitete die Mannschaft aus der Ferne“, erklärte Migné seine Arbeit als Nationaltrainer und den Weg zum größten Erfolg seit 52 Jahren. Dennoch ist es Migné auch gelungen, im Ausland geborene Spieler mit haitianischen Wurzeln von der Nationalmannschaft zu überzeugen.

„Wir sind eine Mannschaft mit vielen jungen Spielern aus der Diaspora, die aus Frankreich, Kanada und vielen anderen europäischen Ländern kommen“, erklärte ein in Kanada lebender haitianischer Fan bei Radio Canada.

Zu diesen Spielern zählt auch der dritte Torhüter Josue Duverger. Der gebürtige Kanadier spielt in Deutschland für den fünftklassigen Oberligisten FC Cosmos Koblenz. In Haiti ist auch er nun ein Nationalheld. Weil er mit der Nationalauswahl seinem krisengeschüttelten Heimatland zumindest einen kleinen Moment der Hoffnung schenkte. So füllten sich die Straßen der Hauptstadt Port-au-Prince trotz der Gewalt im Land, um das Fußballmärchen zu feiern.

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mit Sport-Informations-Dienst (SID)