Anfangs sah es gar nicht nach einer Saison aus, die nach Jonas Hofmanns Geschmack laufen könnte. Der 33-Jährige wollte sich nach der bitteren Vorsaison unter Xabi Alonso unbedingt noch einmal beweisen. Doch dann verletzte er sich in der Vorbereitung, fiel wegen einer Muskelverletzung für die ersten Spiele aus und wurde nicht in den Kader von Bayer Leverkusen für die Champions League berufen.
Dennoch kam es zur persönlichen Wende. Als der von vielen bereits als Auslaufmodell bezeichnete Hofmann wieder fit wurde, schenkte ihm der neue Trainer Kasper Hjulmand das Vertrauen und baute ihn schrittweise wieder auf. Ein Plan, der aufging. In drei der letzten vier Bundesliga-Partien stand er in der Startelf, überzeugte und sammelte schon fast so viele Minuten auf dem Feld wie in der gesamten vorherigen Spielzeit. SPORT1 hat ihn jetzt zum Interview getroffen.
SPORT1: Herr Hofmann, lesen Sie gerne?
Jonas Hofmann: Ja, schon. Wieso?
SPORT1: Wenn Ihre Karriere ein Buch wäre, welchen Titel hätte das Kapitel, in dem Sie sich gerade befinden?
Hofmann: Der Weg ist manchmal steinig. (lacht)
„Über das, was schiefgelaufen ist, habe ich genug geredet“
SPORT1: Man sah Sie in den vergangenen Wochen auffällig oft lächeln – und das aus gutem Grund. Sie haben sich aus einer schwierigen Saison und der Rolle des Reservisten zurück in die erste Reihe gespielt. Läuft gerade alles so, wie Sie es sich erhofft haben?
Hofmann: Zumindest zum großen Teil, bis auf zwei kleine Einschränkungen. Dass ich nicht für die Champions League gemeldet bin und diese speziellen Partien nicht bestreiten kann, stört mich schon sehr. Und die Muskelverletzung am Anfang der Saison hätte auch nicht sein müssen. Ansonsten bin ich sehr zufrieden. Ab dem Zeitpunkt, an dem ich wieder fit war, ging es in die richtige Richtung.
SPORT1: Im Sommer ist in Leverkusen einiges passiert. Viele gingen, viele kamen und Neuzugänge bringen immer Änderungen mit sich: neue Hierarchien, vielleicht einen anderen Umgangston, persönliche Wenden. Auch für Sie.
Hofmann: Absolut. Ich würde schon sagen, dass ich – abgesehen von den Spielen in der Königsklasse – wieder zum Stammpersonal zähle und mehr in eine Führungsrolle schlüpfe. Davon war ich vergangene Saison weit entfernt. Für mich ist ein Führungsspieler nicht nur jemand, der älter und reifer ist und viele Spiele auf dem Buckel hat. Er muss auch regelmäßig auf dem Platz stehen, um diesen Status zu verdienen. Wir haben unheimlich viele junge Spieler dazubekommen. Da hilft mir meine Erfahrung, die Cleverness in gewissen Situationen und die Ballsicherheit. Ich will für Ruhe auf dem Platz sorgen und Sicherheit ausstrahlen.
SPORT1: Im Gegensatz zur laufenden Saison waren Sie letztes Jahr weitaus weniger gefragt und standen in 50 Pflichtspielen nur siebenmal in der Startelf. Was lief aus Ihrer persönlichen Sicht schief?
Hofmann: Über das, was schiefgelaufen ist, habe ich genug geredet. Da ist ein Haken dran, darüber möchte ich nicht mehr sprechen. Dennoch bleibt es einfach schade, eine solche Saison erleben zu müssen. Man bekommt von den Kollegen nahezu täglich vor Augen geführt, wie es laufen kann, wenn alles funktioniert und die Stimmung gut ist. Bei mir war das anders. Ich war hinten dran, das tat weh. Im Fußball gibt es viele Faktoren, von denen man abhängig ist, um persönlich zufrieden zu sein. Da merkt man wieder einmal, dass das Leben als Sportler oft ein Auf und Ab ist.
„Mein Anspruch ist es ja immer, zu spielen“
SPORT1: Nach Spielen, in denen Sie gar nicht eingesetzt wurden, stapften sie häufig als Erstes frustriert in die Kabine.
Hofmann: Wir sind alle Menschen. Selbst wenn man die Situation irgendwie bewältigen muss, geht das nie spurlos an einem vorbei. Vor allem nicht mental. Dann muss man jemandem auch mal zugestehen, dass man nicht jeden Tag mit einem Lächeln durch die Gegend läuft. Man hat sein Hobby zum Beruf gemacht, brennt für den Sport und will auf dem Platz stehen. Wenn man das nicht mehr jedes Wochenende darf, geht eben ein bisschen Spaß flöten. Das ist hart, aus meiner Sicht aber völlig normal. Man hätte sich vermutlich eher gewundert, wäre ich täglich mit einem Lächeln umhergelaufen. Denn mein Anspruch ist es ja immer, zu spielen.
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CAPTION: Jonas Hofmann ist unter Kasper Hjulmand wieder gefragt
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SPORT1: Wie schafft man es, in solchen schwierigen Zeiten den Kopf oben zu halten? Gab es jemanden, der Ihnen mit gutem Rat zur Seite stand?
Hofmann: Meine Frau definitiv. Sie musste leider das eine oder andere Mal meine schlechte Laune aushalten. Gleiches gilt für andere Familienmitglieder. Trotz allem muss man damit in erster Linie für sich selbst klarkommen. Ich habe mir immer gesagt: Es wird weitergehen und ich werde in jedem Training alles geben. Ich denke, dass ich mir in diesem schwierigen Jahr wenig vorwerfen kann. Ich bin bei mir geblieben, habe trotz meiner Situation keine schlechte Stimmung verbreitet und niemandem etwas Böses gewollt.
SPORT1: Sie haben bereits gesagt, dass Sie über einen Wechsel nachgedacht hätten, wenn Xabi Alonso bei Bayer geblieben wäre. Was glauben Sie denn: Wie sähe Ihre Situation jetzt aus, wenn Erik ten Hag noch da wäre?
Hofmann: Nicht großartig anders als jetzt. Ich finde das Thema relativ witzig, weil mich manche auch unter ten Hag schon wieder abschreiben wollten. Ich hatte ein gutes Verhältnis zu ihm, eine gute Kommunikation. Er sagte mir, dass ich die ersten Spiele wahrscheinlich gemacht hätte, wenn ich mich nicht in der Vorbereitung verletzt hätte. Ich war unter ihm leider bei keinem einzigen Pflichtspiel einsatzbereit. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass ich zu den 14 oder 15 Spielern mit den besten Einsatzchancen gezählt hätte.
Hjulmand? „War eine sehr gute Wahl“
SPORT1: Bayer hat auf Ihrer Position ordentlich aufgerüstet. Malik Tillman und Ibrahim Maza kamen. Claudio Echeverri, Eliesse Ben Seghir und Ernest Poku folgten. Dazu sind Nathan Tella und Martin Terrier da. Hatten Sie mal die Befürchtung, dass es für Sie eng werden könnte?
Hofmann: Eng würde ich nicht sagen, weil ich eigentlich ein gutes Gefühl dafür hatte, dass man auf mich setzt. Aber irgendwann denkt man sich schon: „Oh, die haben echt viele Leute auf der Position. Vielleicht will der Trainer auch mit drei oder vier Zehnern spielen – wer weiß.“ (lacht) Ich finde es dennoch geil, weil es viele gute Jungs sind und man sich einem schönen Konkurrenzkampf stellen darf. Das treibt mich nur an, weiter meine Höchstleistungen zu erreichen.
SPORT1: Ten Hag wurde bereits nach nur zwei Spieltagen durch Kasper Hjulmand ersetzt. Was ging Ihnen durch den Kopf, als klar wurde, dass er der neue Cheftrainer wird? Sie kennen sich aus gemeinsamen Mainzer Zeiten.
Hofmann: Genau. Ein paar Mal hatten wir in den Jahren danach noch Kontakt. Die Zeit in Mainz war super. Da tauchten auf jeden Fall erste Gedanken auf wie „Klasse, wir kennen uns. Das passt ja”. Ich wusste, wie er tickt, was er fußballerisch sehen möchte, und fand, dass das eine sehr gute Wahl war. Gleichzeitig muss einem aber auch bewusst sein, dass man bei der vorhandenen Konkurrenz keinen Freifahrtschein hat.
SPORT1: Unter dem neuen Trainer hat Leverkusen in der Bundesliga 19 von 24 möglichen Punkten geholt und den schwierigen Start erst einmal vergessen gemacht. Welches Zaubermittel hat Hjulmand gefunden?
Hofmann: Kasper ist sehr klar und verständlich in seinen Anweisungen, in seiner Idee. Ich mag das, weil es aus meiner Sicht so ist: Je einfacher ein Trainer es hält, desto besser und schneller versteht ihn eine Mannschaft. Das ist in einer Umbruchphase besonders hilfreich. Viel Schnickschnack bedeutet nämlich nicht automatisch, dass der Plan besser wird. Und das passt wiederum sehr gut zu meinem Spielstil, denn ich bin ja auch kein Schnörkler (lacht). Wir sind dadurch immer gut vorbereitet. Jeder Spieler weiß, was seine Aufgaben sind.
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CAPTION: Jonas Hofmann hat eine frustrierende Saison hinter sich
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„In München hätten wir anders auftreten müssen”
SPORT1: Nur die beiden Auftritte gegen die Top-Gegner Paris Saint-Germain und FC Bayern haben für Rückschläge gesorgt und größere Fragezeichen hinterlassen.
Hofmann: Gegen Paris, auch wenn sie amtierender Champions-League-Sieger sind, darf man niemals so unter die Räder geraten, keine Frage. Das Zehn-gegen-Zehn nach den Platzverweisen kam ihnen aufgrund ihres schnellen Handelns und ihrer Qualität entgegen. Es gab größere Räume, dann wurde es für sie leichter. Auch in München hätten wir anders auftreten müssen. Aber da kann es schon mal passieren, dass man mit 0:3 vom Platz geht. Ich finde, man darf das nicht überdramatisieren. Wir haben ein neues Team und hatten an dem Tag einige Ausfälle. Wichtig ist, dass wir sowas abschütteln und die richtigen Reaktionen zeigen – das haben wir getan.
SPORT1: Ihr früherer Teamkollege Christoph Kramer hat im Podcast „Copa TS” kürzlich behauptet, dass es in der Bundesliga eine Mannschaft gibt, die schlechter spielt, als es die Ergebnisse vermuten lassen und dabei Leverkusen genannt.
Hofmann: Echt? Das habe ich gar nicht mitbekommen. Das müsste man mir mal erklären. Ich bin schon der Meinung, dass wir die Spiele, die wir gewonnen haben, auch souverän gewonnen haben. Natürlich wird oft über die Art und Weise diskutiert. Aber wenn man so viele Punkte holt wie wir, dann weiß ich nicht, ob man da von Zufall reden kann. So viele Punkte kann man in der Bundesliga nicht durch Glück holen.
SPORT1: Zurück zu Ihnen. Sie erhalten von den Fans besonders viel Unterstützung. Schon bei Ihrer Einwechslung zum ersten Saisonspiel gegen Gladbach gab es lauten Applaus. Nehmen Sie das wahr?
Hofmann: Na klar. Auch bei den ein, zwei Spielen danach wurde mein Name lautstark gerufen. Das nehme ich auf jeden Fall wahr und ich freue mich riesig darüber. Für mich ist das eine Verpflichtung, weiter hart zu arbeiten und Leistung zu bringen.
SPORT1: Die Double-Sieger genießen ein besonderes Ansehen. Allerdings sind viele von ihnen gar nicht mehr dabei. Haben Sie zu manchen von ihnen noch Kontakt?
Hofmann: Ja, den gibt es auf jeden Fall noch. Das finde ich auch sehr wichtig, gerade wenn man solche ganz besonderen Momente erlebt hat, dass der Kontakt nicht abreißt. Ich tausche mich zum Beispiel mit Granit (Xhaka; Anm. d. Red.) immer wieder aus, mit Lukas (Hradecky) des Öfteren, mit Jerry (Jeremie Frimpong) ab und zu und mit Jona (Jonathan Tah).
Maza? „Hat er sportlich unfassbare Ansätze“
SPORT1: Einer der Neuen, die sich in den vergangenen Wochen sehr in den Vordergrund gespielt haben, ist Ibrahim Maza. Was ist er für ein Typ?
Hofmann: Als Ibo zu uns gewechselt ist, hat mir Florian Niederlechner (ehemaliger Mitspieler bei Hertha BSC, Anm. d. Red.) gleich geschrieben, ich solle ein Auge auf ihn werfen, weil er ein toller Junge ist. Ich finde ihn sehr cool und habe mich von Anfang an super mit ihm verstanden. Natürlich hat er sportlich unfassbare Ansätze, unfassbare Qualitäten und kann sich noch viel weiterentwickeln. Gerade belohnt er sich mit seinen Einsätzen und Toren. Ich bin mir sicher, dass er seinen Weg gehen wird.
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CAPTION: SC Paderborn – Bayer Leverkusen (2:4 n.V.): Tore und Highlights | DFB-Pokal
DESCRIPTION: Was für eine irre Pokalpartie in Paderborn! Bayer Leverkusen muss beim Zweitligisten trotz langer Überzahl und Zaubertor von Alejandro Grimaldo in die Verlängerung – und dort wird's erst so richtig wild. Kommentator: Nico Seepe.
Was für eine irre Pokalpartie in Paderborn! Bayer Leverkusen muss beim Zweitligisten trotz langer Überzahl und Zaubertor von Alejandro Grimaldo in die Verlängerung – und dort wird's erst so richtig wild. Kommentator: Nico Seepe.
SPORT1: Dass Maza inzwischen für Algerien und nicht für Deutschland spielt, dürfte beim DFB einige ärgern. Wie sieht es eigentlich mit Ihrer eigenen Karriere in der Nationalmannschaft aus. Schwebt das noch im hintersten Hinterkopf?
Hofmann: Nein, überhaupt nicht. Man soll niemals nie sagen. Aber das ist zurzeit wirklich gar kein Thema, mit dem ich mich auch nur ansatzweise beschäftige. Ich weiß, dass man in der Nationalmannschaft immer ein Kandidat ist, wenn man über längere Zeiträume gute Leistungen zeigt. Aber ich will jetzt erst einmal wieder Konstanz reinbringen und Spielzeit in Leverkusen sammeln. Alles andere ist nicht in meinem Kopf.
SPORT1: Wann wäre die Saison für Sie persönlich denn eine gute?
Hofmann: Ich habe den Wunsch, dem Team mit Scorerpunkten so gut wie möglich zu helfen. Was das in Zahlen bedeuten würde, kann ich gar nicht sagen. Aber am Ende des Tages wird ein Offensivspieler ja doch an seinen Scorerpunkten gemessen. Deswegen wäre es schön, da ein ordentliches Konto aufzubauen. Dazu kommen Verletzungsfreiheit und der Erfolg der Mannschaft. Wir wollen in der Bundesliga mindestens unter den ersten Vier landen.